Streit um EU-Finanzplan für die Jahre 2014 bis 2020 "Üble Manipulation der Präsidentschaft"
Was gestern als Einigung über den EU-Haushalt dargestellt wurde, sorgt heute für Streit. Eine "Lüge" nennt es der Berichterstatter des EU-Parlaments und nimmt seinen Hut. Keineswegs habe man sich geeinigt, wie der Haushalt aussehen solle.
Von Andreas Reuter, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Gestern Abend in Brüssel: Der irische Außenminister und EU-Ratspräsident Eamon Gilmore verbreitete die frohe Botschaft: "Wir haben die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen abgeschlossen." Also den EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre, im Umfang von fast einer Billion Euro. Und fügte noch hinzu: Er sei zufrieden mit dem Ergebnis, es sei ein sehr guter Tag für Europa.
Abschluss der Verhandlungen ja - Einigung Nein
Die Haushaltsexperten des EU-Parlaments aber rieben sich verwundert die Augen. Reimar Böge zum Beispiel, seit fast zehn Jahren Berichterstatter des Parlaments für die Sieben-Jahren-Haushalte. Er gehörte zu denen, die mit Gilmore verhandelt hatten, und stellte die Sache heute etwas anders dar: "Die Darstellung der irischen Ratspräsidentschaft zur einer angeblichen Übereinkunft zum Finanzrahmen ist nichts weiter als eine Manipulation."
Man habe einfach beschlossen, dass es keinen Sinn mehr mache, noch weiter zu verhandeln, so Böge. Also: Abschluss der Verhandlungen ja - Einigung Nein. "Wenn die Kommission und die Ratspräsidentschaft so tun, als habe es einen Abschluss der Verhandlungen gegeben, dann ist das eine Irreführung der Öffentlichkeit und eine Lüge."
Wutentbrannt schmiss Böge seinen Job als Berichterstatter hin. Und er war nicht der einzige, der harte Worte wählte. Hannes Swoboda, der Chef der Sozialdemokraten im Europaparlament, sprach von Erpressung durch die Ratspräsidentschaft. Und auch Helga Trüpel, Haushaltsexpertin der Grünen, machte ihrem Ärger Luft: "Das macht alles kaum noch Spaß. Es ist politisch teilweise erschütternd, mit welchen Argumenten man da konfrontiert wird und wie wenig der Rat in der Lage war, sich auf eine Verhandlung einzulassen, die diesen Namen wirklich verdient."
Parlamentarier stimmen zähneknirschend zu
Dabei wurde über die Höhe des Haushalts am Ende gar nicht mehr gestritten. Zähneknirschend hatte das Parlament sich damit abgefunden, dass die Regierungen der Mitgliedsländer das Budget kräftig zusammengekürzt hatten. Auf am Ende knapp unter einer Billion Euro.
Dafür aber wollten die Parlamentarier erreichen, dass mit diesem Geld flexibler umgegangen werden kann. Mittel, die am Ende eines Jahres nicht abgerufen wurden, sollten nicht mehr an die Mitgliedsstaaten zurückgezahlt werden müssen, sondern dann eben für andere Zwecke ausgegeben werden dürfen. Tatsächlich sei die irische Ratspräsidentschaft dem Parlament da entgegengekommen, räumte Böge ein, aber eben nicht weit genug.
Wann der ein-Billion-Euro-Haushalt nun also beschlossen werden kann, steht in den Sternen. So schlimm aber, sagte Böge, sei das auch nicht: "Im Falle einer Nichteinigung greifen die Obergrenzen des Jahres 2013. Das heißt, Europa fällt nicht in eine Krise wie manche es immer versucht haben zu beschreiben. Im Gegenteil: Das Leben geht weiter. Mit Haushaltsmitteln auf der Basis 2013, und das ist doch auch eine ordentliche Botschaft." Und allemal besser, als jetzt einer Einigung mit den Mitgliedsstaaten zuzustimmen, die es aus Sicht der Parlamentarier nie gegeben hat.