Manganknollen im Meer Folgenschwerer Bergbau in der Tiefsee
Tief unten im Meer liegt ein Schatz: Manganknollen. Sie sind Millionen Jahre alt und bergen Metalle, die etwa für Halbleiter wichtig sind. Wie stark ein Abbau der Knollen das Ökosystem schädigen würde, wird derzeit erforscht.
Auf dem Schreibtisch des Meeresbiologen Felix Janßen steht eine Kiste mit Manganknollen. Reich sei er jetzt aber nicht, sagt der Wissenschaftler aus Bremen, eine Knolle allein wäre nur einen Cent-Betrag wert. Es mache einfach die Masse. Denn: Weltweit lagern Schätzungen zufolge bis zu eine Billion Tonnen in den Ozeanen. Das Interesse der Industrie ist groß. Auch Deutschland hat sich eine Tiefseelizenz für die Erkundung von Manganknollenfeldern im Pazifik gesichert: in der "Clarion Clipperton Zone" westlich von Mexiko.
Kollektor sammelt unter Aufsicht Manganknollen ein
Wirtschaftlich genutzt wurden sie bisher nicht. Noch existiert keine marktreife Technologie, und ein Abbau ist nicht erlaubt. Doch das könnte sich bald ändern. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) erarbeitet zurzeit Richtlinien, nach denen ein Tiefsee-Bergbau möglich wäre - den sogenannten "Mining Code".
Empfehlungen für solche Umweltstandards soll unter anderem auch ein europäisches Team von Wissenschaftlern geben. Janßen gehört dazu. Bei einem ersten industriellen Abbauversuch im April und Mai war die Forschungsgruppe des Projekts "MiningImpact" dabei. Im deutschen und belgischen Manganknollen-Lizenzgebiet wurde ein Prototyp eines sogenannten Kollektors von einem Schiff ins Wasser gelassen. Die Maschine sammelte bis in 4500 Metern Wassertiefe die schwarzen Knollen ein.
Wissenschaftler beobachten Prozess - Protest von Umweltschützern
Ein Schiff weiter beobachteten die Wissenschaftler den Prozess. Ihre Aufgabe war es herauszufinden, was ein Abbau der Knollen für die Umwelt bedeutet. Denn es gebe eine Kombination von Auswirkungen, erklärt Janßen. Der Meeresboden werde durchgepflügt und die Knollen würden entfernt. Zudem gebe es potenziell noch eine Vergrößerung des hinterlassenen ökologischen Fußabdrucks - und zwar dadurch, dass in Bewegung gebrachter Meeresboden verdrifte und sich irgendwo wieder absetze.
Eine Sedimentwolke unter Wasser, die auch Greenpeace beklagt. Die Umweltschützer waren ebenfalls mit der "Rainbow Warrior" vor Ort. Für sie steht bereits fest: Der Abbau der Manganknollen bedroht das Ökosystem der Tiefsee. Um darauf aufmerksam zu machen, schrieben sie das Wort "Risk" - englisch für "Risiko" - auf das Schiff des Industrieunternehmens.
Folgen des Manganabbaus erst in Jahren absehbar
Wie empfindlich die Tierwelt der Tiefsee auf Störungen reagiert, hatten bereits frühere Untersuchungen gezeigt. "Wir haben festgestellt, dass jedes Mal 20 bis 25 Prozent der Arten verschwinden, wenn wir die Manganknollen aus dem System nehmen", erklärt Tanja Stratmann. Die Knollen bieten beispielsweise verschiedenen Schwämmen einen Nährboden. Stratmann arbeitet als Gastwissenschaftlerin im Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologe in Bremen und gehört ebenfalls zum Forschungsprojekt "MiningImpact."
Das Spezialgebiet der Bremer sind Bakteriengemeinschaften, die im Meeresboden der Tiefsee leben. Auf der Expedition haben sie vor und nach dem Abbautest mit Sensoren den Sauerstoffgehalt im Boden gemessen und Bodenproben entnommen. Die Daten im Labor auszuwerten, wird die nächsten Jahre dauern.
Manganknollen sind kein nachwachsender Rohstoff
Meeresbiologe Janßen und seine Kollegen wollen genau die ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus einschätzen können. Ihnen ist klar: Ein Abbau verändert den Lebensraum. Wenn die Knollen weg sind, bleiben sie weg. Denn die Knollen wachsen nur sehr langsam nach: "Die kommen nicht wieder, so lange die Menschheit existiert, sagt Janßen.
Eine Veränderung nach dem Kollektor-Test sieht selbst ein Laie: Videoaufnahmen vom Meeresboden zeigen deutliche Raupenspuren - die Knollen liegen daneben gesammelt auf einem Haufen. Ist also ein umweltverträglicher Tiefseebergbau überhaupt möglich? Klar ist: Ein Eingriff in den Lebensraum hinterlässt Spuren.