Photovoltaik-Ausbau Wie Netzbetreiber Überlastungen verhindern wollen
Schon heute kann manchmal Strom vom Solardach nichts ins Netz eingespeist werden, weil es überlastet ist. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren muss die gesamte Energie-Infrastruktur wachsen.
Immer mehr internetfähige Geräte, Smart Home, Elektromobilität, Wärmepumpen - der Stromverbrauch zuhause steigt immer weiter an. So mancher Hausbesitzer kommt da auf den Gedanken, den Strom selbst zu produzieren, zum Beispiel über ein Balkonkraftwerk - oder, wenn es größer sein soll, über Photovoltaik auf dem Dach. Und der überschüssige Strom soll ins Netz eingespeist werden, um so einen Teil der Kosten schneller wieder hereinzuholen. Doch das funktioniert nicht überall.
Manche Netze schon am Limit
Burkhard Spang plant für sein Hausdach im saarländischen Blieskastel eine Photovoltaikanlage mit angeschlossenem Speicher und Wallbox fürs Elektroauto. Elektroinstallateur-Meister Udo Schmidt hat ihn beraten und wird die Anlage installieren. Doch beide haben ein Problem: Spang darf den überschüssigen Strom, den er nicht benötigt, nicht ins Blieskasteler Stromnetz einspeisen - sagen die zuständigen Stadtwerke Bliestal. Aus technischen Gründen, wie es heißt. Offenbar ist das Netz nicht auf dem neuesten Stand.
Kein Einzelfall: Bundesweit sind die Stromnetze in ihrem jetzigen Zustand nicht für die Ziele der Ampel-Koalition ausgelegt. Darauf verweist auf Nachfrage auch der Netzbetreiber E.ON. Für die Energie-, Wärme- und Mobilitätswende brauche es nicht nur einen massiven Ausbau der Erneuerbaren, "sondern auch den synchronen Ausbau der Energieinfrastruktur - also beispielsweise neue Leitungen, Trafos und Umspannwerke".
Milliardenschwere Investitionen
E.ON. selbst plant bis 2027 Investitionen von 26 Milliarden Euro in die Netzinfrastruktur, den größten Teil davon in Deutschland. Bis 2045 seien Investitionen im dreistelligen Milliardenbereich notwendig.
Der EnBW-Konzern investiert nach eigenen Angaben derzeit etwa zwei Milliarden pro Jahr für den Netzausbau, davon die Hälfte im regionalen Verteilnetz. Das sei mehr als doppelt so viel wie in der Vergangenheit.
Allein die Tochtergesellschaft Netze BW, der größte Verteilnetzbetreiber Baden-Württembergs, müsse fast alle mehr als 300 Umspannwerke perspektivisch erweitern und eine zweistellige Zahl neuer Umspannwerke bauen.
"Ein Kraftakt"
Auch im Leitungsbereich bestehe ein immenser Ausbau- und Erweiterungsbedarf. "Damit dieser Kraftakt gelingt, brauchen wir dringend schnellere Genehmigungsverfahren sowie eine breite Akzeptanz und Rückendeckung von Politik und Gesellschaft für die konkreten Projekte vor Ort", sagt EnBW-Vorstand Dirk Güsewell.
"Vor der Energiewende ging es vor allem um ein kosteneffizientes Stromnetz", teilt der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) mit. "Aktuell müssen wir den Übergang zu einem System mit Millionen dezentraler Erneuerbarer-Energien-Anlagen und leistungsstarken Kundenanlagen realisieren."
500.000 neue Wärmepumpen pro Jahr, Millionen Elektroautos - das sind die offiziellen Ziele. Nach VDE-Angaben benötigt ein Haushalt mit Wärmepumpe und Wallbox etwa 15 kW Leistung - ohne diese beiden Einrichtungen sind es rund vier kW.
Über 12.000 Kilometer neue Stromleitungen
Dazu kommt dann noch der Ausbau der Solarenergie - 2023 um neun Gigawatt (GW), 2024 um 13 GW und 2025 um 18 GW, so die Ziele. "Durch die räumlich ungleiche Verteilung, die Volatilität der Erneuerbaren und durch die neuen Verbraucher ändern sich die Flüsse im Netz dramatisch", so der VDE.
Stellenweise müsse das Netz ausgebaut werden. Der VDE rechnet bis 2045 On- und Offshore mit mehr als 12.000 Kilometern neuen Leitungen. Aber auch die örtlichen Verteilnetze müssten ausgebaut werden.
Intelligente Steuerung gegen Überlastung
Um das bestehende Stromnetz optimal zu nutzen, sollen intelligente Steuerungen, sogenannte "Smart Meter" helfen. Sie agieren als Schnittstellen zwischen Stromverbrauchern, dem Markt und dem Netz. So lassen sich zum Beispiel Ladevorgänge für Autos gezielt starten oder verschieben, wenn beispielsweise wenig Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Speicher sollen Schwankungen ausgleichen und Regelenergie bereitstellen.
Wie das in Zukunft aussehen kann, zeigt ein aktuelles Projekt der Stadtwerke Saarbrücken und des Elektroinstallationsherstellers Hager. Durch intelligente, digitale Steuerung sollen Überlastungen verhindert werden, möglichst ohne bestehende Netze ausbauen zu müssen. In einer ersten Testphase werden die Messgeräte unter Laborbedingungen getestet, danach soll es mit ausgewählten Haushalten weiter gehen, in denen bereits Wärmepumpen und E-Autos genutzt werden.
Photovoltaik nimmt rasant zu
Hausbesitzern einer Photovoltaikanlage empfiehlt der VDE derzeit, den produzierten Strom möglichst selbst zu verbrauchen oder zu speichern. Netzbetreiber könnten ein sogenanntes "Netzanschlussbegehren" zwar nicht unterbinden, aber temporär ablehnen, wenn die Kapazität des Netzes nicht ausreicht.
Dass der Bedarf zunimmt, zeigen Zahlen aus Baden-Württemberg. Bei der EnBW-Tochter Netze BW gehen derzeit pro Monat bis zu 7000 Anträge auf Anschluss von Photovoltaikanlagen ein - ob nun Balkonkraftwerke, Dachanlagen oder Freiflächen-Anlagen. Vergangenes Jahr waren es noch monatlich 4000, in den Jahren davor 1000 bis 1500. Für nächstes Jahr rechnet das Unternehmen mit 9000 Anträgen pro Monat.