Klimafreundliche Antriebe Grünes Fliegen noch in weiter Ferne
Die Luftfahrt gilt als ein Treiber des Klimawandels. Noch ist grünes Fliegen nicht möglich. Das könnte auch vorerst so bleiben, glauben Experten. Wie ist der Stand bei klimafreundlichen Antrieben?
Während die E-Mobilität am Boden langsam voranschreitet und Elektroautos in Europa so beliebt sind wie noch nie zuvor, müssen Passagiere in der Luft wohl noch einige Zeit auf grünes Reisen warten. Flugzeuge fliegen noch immer mit klassischem Kerosin und stoßen dabei umweltschädliche Schadstoffe aus. Schätzungen zufolge verbraucht der weltweite Flugbetrieb jedes Jahr rund 300 Millionen Tonnen Benzin.
Mit Folgen: Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) beträgt der Anteil der globalen Luftfahrt an der Klimaerwärmung 3,5 Prozent. Viele Fluggesellschaften wollen bis 2030 ihre Emissionen halbieren und bis 2050 klimaneutral werden. Doch konkrete Alternativen zum fossilen Treibstoff gibt es bislang kaum. Denn gerade die schweren Jets haben einen extrem hohen Energiebedarf. Einen Ersatz zu finden ist nicht einfach.
"Zukunft der Luftfahrt wird sehr vielfältig"
Ein Vergleich mit den Elektroautos ist dabei kaum möglich. "Ein Triebwerk eines einigermaßen großen Transportflugzeuges mit mehr als 100 Passagieren erfordert zehn Megawatt Antriebsleistung. Im Autobereich geht es um ein paar Hundert Kilowatt", erklärt Rolf Henke, Berater des DLR und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR), im Gespräch mit tagesschau.de. Die technischen Herausforderungen seien riesig.
"Die Zukunft der Luftfahrt wird sehr vielfältig", so der Professor am Lehrstuhl Luft- und Raumfahrtsysteme an der RWTH Aachen. Heute basierten noch fast alle Antriebe auf Gasturbinen. Das werde sich ändern. Bei kleinen Flugzeugen seien Batterien ein möglicher Weg, bei etwas größeren Flugzeugen könnten Brennstoffzellen Abhilfe schaffen, und bei den Langstrecken müssten neue Lösungen wie synthetische Kraftstoffe her.
Rolf Henke lehrt an der RWTH Aachen, berät den DLR und ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR).
Das alles erfordert milliardenschwere Investitionen - mitten in der Corona-Krise, die den Flugverkehr zeitweise zum Stillstand brachte. Das Geschäft der Luftfahrt war beinahe vollständig zusammengebrochen. Viele Airlines machten Verluste in Milliardenhöhe und konnten nur durch Staatshilfen vor dem Konkurs gerettet werden. Auch den Flugzeugbauern fiel ein Großteil der Aufträge weg, die Bestellungen lagen brach. Eine vollständige Erholung der Reisenachfrage wird trotz aktuell starker Buchungszahlen erst ab 2023 erwartet, die frühere Dimension bei der Produktion von neuen Maschinen sogar erst nach 2024.
Klimafreundliche Antriebe erst in 2030er-Jahren?
Die Transformation der Branche hin zur Nachhaltigkeit dürfte daher noch dauern. Laut einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft Roland Berger wird die Ablösung von Verbrennungsmotoren in Flugzeugen in den späten 2030er-Jahren Fahrt aufnehmen. Erst dann seien hybrid-elektrische Antriebe oder Brennstoffzellen für Wasserstoff zu erwarten.
Auch die Unternehmen selbst bremsen zu hohe Erwartungen. Noch bis mindestens 2050 würden konventionell angetriebene Flugzeuge in den Flotten der meisten Airlines die dominierende Rolle spielen, teilte Airbus vor einigen Wochen mit. Der Konzern arbeitet allerdings an einem Wasserstoff-Flugzeug, das 2035 an den Start gehen soll.
Wasserstoff als Hoffnungsträger
Zwar gelten der grüne Wasserstoff in Kombination mit der Brennstoffzelle als Hoffnungsträger, bringen aber auch Tücken mit sich. Langstreckenflieger brauchen viel Wasserstoff, sodass dieser nicht als Gas, sondern in Flüssigtanks transportiert werden könnte. Dieser muss aber auf minus 250 Grad gekühlt werden. Auch der Ort der Tanks ist eine offene Frage. Dazu kommt eine völlig neue Infrastruktur für die Betankung.
"Wenn wir ein wasserstoffgetriebenes Flugzeug haben, dann müssen wir es auch irgendwo betanken können", sagte jüngst auch André Walter, Geschäftsführer von Airbus in Hamburg, dem NDR. Dafür bekommt Airbus Starthilfe. Die Stadt Hamburg plant, im ehemaligen Kraftwerk Moorburg ab 2025 grünen Wasserstoff entstehen zu lassen.
Experte Henke schätzt, dass auch dank der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung die Flugzeuge mit einer Wasserstoff-Direktverbrennung 2040 auf den Markt kommen könnten. Aber: "Wir wissen noch nicht einmal, ob Wasserstoff die beste aller Lösungen ist - wegen der Nicht-CO2-Effekte." Der Wasserdampf, der bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht, sei das stärkste Klimagas und habe in einer Höhe von elf Kilometern eine andere Wirkung als am Boden.
Batterien noch zu schwer
Für batterie-elektrische Antriebe sehen die Experten von Roland Berger eine noch längere Entwicklungszeit - bis in die späten 2040er-Jahre. "Bei den Akkus und Batterien, die wir heute zur Verfügung hätten, bräuchte man rund 200 Tonnen Akku-Gewicht, um einen Airbus A320 zu bewegen", sagt Henke gegenüber tagesschau.de.
Allerdings stehe die nächste Generation der Batterien bereits bevor. Damit könne der batterie-elektrische Antrieb für kleine Flugzeuge recht schnell vorankommen. Das wäre bis Ende des Jahrzehnts machbar. Mögliche Zulassungsvorschriften seien wiederum auch hilfreich für die Entwicklung von Jets mit Brennstoffzellen.
Bleiben Flugreisen bezahlbar?
Um kurzfristig ihre Flugzeuge effizienter zu gestalten, arbeiten die großen Hersteller an neuen Designs. Während Airbus vor allem auf Flügelspitzen setzt, die einen reduzierten Treibsstoffverbrauch möglich machen, feilt Boeing gemeinsam mit der NASA an einem speziellen Rumpf. Dank neuer Flugzeugtechnik sinkt der Kerosinverbrauch pro Passagier aktuell im Schnitt um zwei Prozent pro Jahr.
"Die Verbesserung der Flugzeuge ist unabdingbar", meint Henke. Denn die neuen Kraftstoffe seien vier- bis zehnmal so teuer wie das heutige Kerosin. Damit kämen den klassischen Technologien wie Aerodynamik, Leichtbau oder Flugsteuerung eine hohe Bedeutung zu, um die Ticketpreise bezahlbar zu halten.
Auch synthetische Kraftstoffe reichen nicht aus
Bis auf Weiteres versprechen neben effizienteren Triebwerken lediglich alternative Brennstoffe eine CO2-Linderung für den Luftverkehr, beispielsweise aus Speiseresten gewonnenes Kerosin oder mit viel Grünstrom produzierte synthetische Kraftstoffe (SAF). Die Beimischung dieser Treibstoffe hat die EU-Kommission in ihrem Klimapaket "Fit for 55" neben einer Kerosinsteuer und einem verschärften Emissionshandel als ein Mittel vorgeschlagen, um die Emissionen des klimaschädlichen CO2 zu reduzieren.
Die synthetischen Kraftstoffe haben laut Henke zwei riesige Vorteile: Sowohl die Infrastruktur an Flughäfen für den Tankprozess als auch das Flugzeug muss nicht verändert werden. "Wir müssen nur eine andere Form von Kraftstoff verbrennen." Daher würden diese oft als Brücke zur Klimaneutralität bezeichnet.
Allerdings steht auch dieses nachhaltig produzierte Flugbenzin der Studie von Roland Berger zufolge erst 2025 in langsam steigender Menge zur Verfügung. Bislang reicht die weltweite Kapazität nur für weniger als 0,1 Prozent des Verbrauchs. Im Mai kündigten die Bundesregierung und mehrere Verbände an, bis 2030 mindestens 200.000 Tonnen synthetische Kraftstoffe jährlich für den deutschen Luftverkehr zu produzieren - immerhin ein Drittel des aktuellen Bedarfs in Deutschland. "Eine hinreichende Menge von synthetischen Kraftstoffen müsste ab Ende dieses Jahrzehnts produzierbar sein", prognostiziert Henke.
Klimaoptimierte Flugrouten als schnelle Lösung
"Es ist noch ein großer Schritt erforderlich, wenn die Luftfahrt auf einen Schlag klimafreundlich werden will", betont der DLR-Berater. Er verweist auch auf eine klimaoptimierte Routenführung: Die Jets sollten dort fliegen, wo sie der Atmosphäre am wenigsten schaden, denn diese sei unterschiedlich empfindlich für Emissionen. Mit den richtigen Modellen sei das eine logische und schnelle Lösung und habe einen riesigen Effekt.
"Wenn alles - Antriebe, die Effizienz der Flugzeuge und ihr klimaoptimierter Betrieb - zusammenwirkt und ineinandergreift, wird es was. Aber das dauert." Vielleicht bis 2040. Doch dann muss erst einmal die fliegende Flotte ausgetauscht werden, sprich die neuen Flugzeuge müssen den Markt komplett durchdringen. "Das sollte bei den kleineren Flugzeugen ab 2030 beginnen", schätzt Henke. Bei den großen Langstreckenflugzeuge könne das aufgrund der Produktionsraten aber bis 2050 dauern - und damit so lange, wie sich die EU für den gesamten Green Deal gegeben hat.