Gebrauchte BMW i3 Elektro-Autos stehen nebeneinander.
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Gebrauchte Elektroautos Locken jetzt die Stromer-Schnäppchen?

Stand: 16.07.2024 10:35 Uhr

Das Kaufinteresse an gebrauchten Elektroautos ist gering, auch wenn Rabattaktionen auf die Preise drücken. An sich eine gute Zeit für Schnäppchen - wenn man sie denn findet.

Sparfüchse kennen das: Wenn im Supermarkt etwas lange im Regal liegen bleibt, dann könnte es bald billiger angeboten werden. Wollen es weniger Kunden, ist es weniger wert. "Preisbildungsprozess" nennt das die Marktwirtschaft - die Folge eines Zusammenspiels von Käufern und Verkäufern.

In diesem Zusammenspiel steht auch das gebrauchte E-Auto in den Showrooms und auf den Stellplätzen der Autohändler. Nur: Es steht. Es rollt nicht. "Die Nachfrage ist gering bis gar nicht da", schildert Ibrahim Aslantas. Er verkauft im Autohaus Dörrschuck in Mainz Gebrauchtwagen aller Marken.

E-Auto-Kundschaft findet laut Aslantas aber selten hierher: "In den vergangenen Monaten hatte ich einen einzigen Interessenten." Seine Erklärung: Viele würden nicht die langen Hersteller-Garantien auf die Batterien der E-Autos kennen, die auch bei einem Gebrauchtwagen noch zum Tragen kämen. Viele trauten einem vertragsfreien Händler wie ihm, der Fahrzeuge aller Marken verkauft, nicht zu, in einem noch kleinen Marktsegment mit vielen unterschiedlichen Marken und Modellen ein Problem aus eigener Erfahrung heraus in den Griff zu bekommen. "Und viele fragen gar nicht, weil sie nicht davon ausgehen, dass schon Elektroautos im Gebrauchtwagenmarkt da sind."

Gutes Angebot lässt Preise sinken

Doch sie sind es - und so viele wie noch nie: Denn 2020 verdreifachte sich die Zahl an neu zugelassenen E-Autos im Vergleich zum Vorjahr. Danach ging es steil weiter. Viele dieser damals neuen Autos rollen nun beispielsweise als Leasingrückläufer auf den Gebrauchtwagenmarkt. 70.000 höchstens drei Jahre alte E-Autos warten allein auf Online-Portalen derzeit auf einen neuen Halter.

Überangebot bedeutet in jenem Zusammenspiel von Käufern und Verkäufern auch sinkende Preise. Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) rechnete aus, dass drei Jahre alte E-Autos dieses Frühjahr fast ein Fünftel billiger waren als im Jahr zuvor. Konkret führt das dazu, dass erstmals elektrische Gebrauchtwagen für denselben Preis eines vergleichbaren Modells mit Verbrennungsmotors zu haben sind.

Teilweise nicht teurer als gebrauchte Verbrenner

"Die Restwerte der elektrischen Gebrauchtwagen sind niedriger als ursprünglich gedacht", erklärt Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM). "Die schwierigen Marktbedingungen und die Preisnachlässe bei Neuwagen im Elektrobereich zwingen die Hersteller zu Anpassungen der Gebrauchtwagenpreise. Das ist derzeit ein Vorteil für Interessenten von elektrischen Gebrauchtwagen, die zunehmend von niedrigeren Preisen profitieren können."

Beispiel: Das anhand von Neuzulassungen beliebteste Auto Deutschlands ist als Gebrauchtwagen mit Verbrennungsmotor (vier Jahre alt, unter 80.000 Kilometer) für um die 15.000 Euro genauso zu erwerben wie sein Elektro-Pendant. Restgarantie auf die Batterie: vier Jahre.

Weniger Verschleiß, weniger Emissionen

Sparfüchse könnten da auf Touren kommen: Denn mit weniger Verschleißteilen und ohne Kraftfahrzeugsteuer bis 2030 ist auch der Unterhalt so eines Fahrzeugs günstig. Verkauft der E-Automobilist das eingesparte CO₂ im Treibhausgas-Quotenhandel, kann er sogar noch ein wenig Geld dazuverdienen.

Attraktive monetäre Gründe für den E-Auto-Kauf, plus - wenn sie denn schon notwendig ist - eine Mobilität weniger auf Kosten des Klimas und der Straßenanwohner als mit einem Verbrenner. Also auf zur Schnäppchenjagd beim Gebrauchtwagenhändler um die Ecke?

Wenig Auswahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt

Die Euphorie dürfte dort angekommen schnell ausgebremst werden. Mannigfache Auswahl: Fehlanzeige. Denn jener Preisbildungsprozess macht dem Schnäppchen einen Strich durch die Rechnung: Liegt etwas zu lange im Regal, ordert es der Händler auch nicht mehr.

Konstatierte die DAT, ein E-Auto als Gebrauchtwagen komme nur für neun Prozent der Kundschaft infrage, reagierten Händler wie Aslantas entsprechend: Von seinen 150 Gebrauchten fahren gerade mal zwei mit Strom. Laut ADAC werden E-Autos von Händlern gar nicht oder nur deutlich unter Wert angekauft. Denn der Weiterverkauf klappt eben nur mit großen Preisnachlässen - ein Verlustgeschäft.

E-Autos im Ausland deutlich beliebter

Doch wo rollen jene E-Autos aus ihren ersten Boom-Jahren stattdessen? Von allen Fahrzeugen in Deutschland wird ein Drittel von Privatleuten zugelassen. Bei E-Autos ist es hingegen fast die Hälfte. Sie stoßen die Fahrzeuge nicht wie Firmen nach drei Jahren ab, sondern fahren sie meist doppelt so lange. Damit stehen sie jetzt noch nicht zum Verkauf.

Ein zweiter Faktor: Anscheinend wissen andere Nationen gebrauchte E-Autos mehr zu schätzen. Laut einer Studie des CAM rollte jedes fünfte einst in Deutschland neu zugelassene und vom Steuerzahler geförderte E-Auto ins Ausland statt zum Händler hierzulande - und mit ihm 380 Millionen Euro Fördermittel aus dem Jahr 2022.

Nach einer Million Kilometer noch 80 Prozent Leistung

Wenig Auswahl bremst die Kauflaune, Gegenwind gibt es aber auch durch Vorbehalte: Obwohl sich ihre Qualität per Diagnose-Geräten prüfen lässt und Hersteller weitreichende Garantien geben, hält sich beispielsweise die Furcht vor einer schadhaften Batterie.

"Das ist ein Mythos, der früher sicher mal berechtigt war, der sich aber eigentlich überlebt hat", erklärt Maximilian Fichtner. Er forscht am Helmholtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung. "Die heutigen Batterien halten etwa 1.000 bis 2.000 volle Be- und Entladezyklen aus."

Ein Fahrzeug mit 500 Kilometern Reichweite erreicht also 500.000 bis eine Million Kilometer. Sei dieser Wert erreicht, sei die Batterie auch nicht unbrauchbar, sondern liefere immer noch 80 Prozent der bisherigen Leistung. "Das heißt, man kann sie danach immer noch fahren."

Die meisten Batterien sind noch gut in Schuss

Wie beim Motor eines Verbrenners können auch Schäden in einer E-Auto-Batterie schlummern. Aber: "In der Regel sind die alle noch sehr sehr gut und liegen bei den Gebrauchten in der Regel bei über 90 Prozent Speicherkapazität", schildert Fichtner. Bei einem niedrigeren Wert - State of Health (SoH), wie es die Branche nennt - sollten sich Interessenten nach einem anderen Angebot umschauen.

Und sie sollten sich auch über die Reichweite einer Batterieladung an sich bewusst werden: Was brauchen sie wirklich? Die Hälfte der Deutschen scheut laut DAT-Report 2024 den Kauf eines E-Autos wegen seiner Reichweite. Gleichzeitig fährt laut Kraftfahrtbundesamt die Hälfte der Deutschen weniger als 34 Kilometer am Tag. Das schafft jedes aktuelle E-Auto mehrmals, selbst wenn im Winter die Batterie im schlimmsten Fall nur die Hälfte ihrer Kapazität auf die Straße bringen kann.

Die Angst vor dem technischen Verfallsdatum

Christian Pickard vom ADAC Pfalz erzählt von einem anderen Vorbehalt gegenüber einem gebrauchten Stromer: "Wenn ich jetzt ein gebrauchtes E-Auto kaufe, schreitet die Entwicklung so stark voran, dass es zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs meines gebrauchten E-Autos vielleicht ein Ladenhüter bleibt und ich dann auf meinem E-Auto beim Weiterverkauf sitzen bleibe."

Daniel Görges, der zu Elektromobilität an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau forscht, kennt diese Überlegung und sie erinnert ihn an Smartphones: "Jeder weiß: Nächstes Jahr kommt das neue Modell. Aber muss man so lange warten?"

Lange Ladezeiten und Ladesäulenlücken lähmen heute die Lust. Doch morgen winken Feststoffbatterien am Horizont, schneller zu laden mit mehr Reichweite und längerer Haltbarkeit. "Doch das sind Größenordnungen nur für ausgeprägte Langstreckenfahrer, die nur unterwegs schnell nachladen und lange Distanzen am Stück zurücklegen möchten. Für den Großteil der Fahrerinnen und Fahrer ist das, was heute am Markt verfügbar ist, völlig ausreichend", erklärt Görges.

Wegfall der Prämien schlägt zeitverzögert durch

Nach Zahlen des Verbandes der Automobilindustrie steigt das Interesse an gebrauchten E-Autos etwas an. Vielleicht wird es aber nur die nächsten drei, vier Jahre gestillt: Denn dann könnte sich das Ende der staatlichen Förderung auch auf den Gebrauchtwagenmarkt auswirken. So berichtet ein Händler aus dem Rhein-Main-Gebiet: Während vergangenes Jahr 30 Prozent aller seiner verkauften Fahrzeuge E-Autos waren, seien es dieses Jahr gerade mal drei Prozent.

Dieser Einbruch jetzt bedeutet in drei Jahren dieselbe Flaute auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Immerhin: Dann werden Fachleuten zufolge Neuwagen mit Elektromotor deutlich günstiger als heute sein. Ein Trostpflaster für den Schnäppchenjäger von morgen.