Maßnahmen zum Klimaschutz EU will den Emissionshandel retten
Das Europaparlament stimmt heute über eine Reform des kriselnden CO2-Handels ab. Die EU will den Preis für Verschmutzungsrechte in die Höhe treiben, indem das Angebot am Markt vorübergehend verknappt wird. Damit sollen sich Investitionen in umweltfreundliche Technik wieder lohnen.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Der Emissionshandel in der Europäischen Union hat ein Ziel: mehr Klimaschutz. Unternehmen müssen Rechte kaufen, um das Treibhausgas CO2 ausstoßen zu dürfen. Wenn sie das nicht wollen, so die Idee, müssen sie auf umweltfreundlichere Energieformen umschwenken.
Oder, wie es der deutsche Bundesumweltminister Peter Altmaier ausdrückt: "Das Instrument soll Anreize geben, das Kaufen teurer Zertifikate zu vermeiden, indem man den Ausstoß von Treibhausgasen reduziert." Nun ist allerdings der Markt übersättigt, es sind so viele Zertifikate zu haben, dass nach dem Leitsatz "Angebot regelt die Nachfrage" die Preise gefallen sind.
Zertifikate könnten vom Markt genommen werden
EU-Umweltkommissarin Connie Hedegaard führt das unter anderem darauf zurück, dass zu Anfang zu viele Berechtigungsscheine ausgegeben wurden und die Finanzkrise den Preisverfall zusätzlich anheizt. Einen übersättigten Markt, sagt Hedegaard, dürfe man nicht weiter fluten - und das gelte nicht nur für das System des Emissionshandels.
Und so steht der Vorschlag im Raum, 900 Millionen Zertifikate erst einmal aus dem Handel zu nehmen - und sie erst dann wieder einzuspeisen, wenn das gesamte System überarbeitet wurde und seinen Zweck - den Markt zu steuern - erfüllt. Ein Vorschlag, den die Fachpolitiker im Europaparlament unterschiedlich aufgenommen haben. Der Industrieausschuss befürchtet, dass steigende Preise die europäischen Firmen im internationalen Vergleich belasten und dass durch den geplanten Eingriff das Vertrauen in das System verloren geht.
Industrie befürchtet weitere Fälle
Dieses Argument greift Claus Beckmann vom Chemiegiganten BASF auf. Er spricht von einem Präzedenzfall: "Wir befürchten, dass in der Zukunft immer dann, wenn der Politik der Preis für die Zertifikate zu niedrig ist, es erneut zu einem solchen Eingriff kommen würde."
Der Handel mit Verschmutzungsrechten ist als Instrument für den Klimaschutz gedacht. Dabei erhalten Unternehmen, die viel Kohlendioxid verursachen, also etwa Kraftwerke, die Automobilindustrie oder Fluggesellschaften, Emissions-Zertifikate, die sie zum Ausstoß einer bestimmten Menge CO2 berechtigen. Reduziert ein Betreiber den Ausstoß, kann er die überzähligen Berechtigungen frei auf dem Markt verkaufen und so Gewinn machen. Wer mehr ausstößt, als er Zertifikate besitzt, muss Papiere dazukaufen.
Grundlage des europäischen Emissionshandelssystems ist das Kyoto-Protokoll von 1997, das 2005 in Kraft trat. Der Vertrag legt verbindlich Verpflichtungen zur Senkung von Treibhausgasen fest.
Die Umweltpolitiker im Europaparlament weisen darauf hin, dass in der Vorlage von einem einmaligen Eingriff die Rede ist. Ihre Argumentation läuft darauf hinaus, dass teureres CO2 den Übergang hin zu einer grünen Wirtschaft fördert und zu Innovationen anregt. Und dass man ohne einen Eingriff zusieht, wie zum Beispiel Kohlekraftwerke wieder lukrativer werden.
Mehrheit gut möglich
Der SPD-Abgeordnete Matthias Groote, der für das Parlament die Verhandlungen mit den EU-Staaten führen würde, sagte nach einer hitzigen Debatte im Plenum, die Chancen, eine Mehrheit für die Reform zu bekommen, seien gar nicht so schlecht. Dennoch: werde es eine knappe Geschichte, so Groote. "Das Pendel kann in die eine oder die andere Richtung schlagen. Aber aus der Debatte bin ich eigentlich positiver gestimmt herausgekommen, weil viele Kollegen aus der EVP-Fraktion das Ganze mit unterstützen werden."
Und weil die konservative EVP die größte Fraktion im Parlament ist, wird es darauf ankommen, wie viele vom Kurs abweichen und den Argumenten der Umweltpolitiker folgen. Übrigens: Uneinigkeit prägt auch die deutsche Haltung in diesem Streitpunkt: Umweltminister Altmaier ist für die Reform, Wirtschaftsminister Philipp Rösler hingegen strikt dagegen.