Unwetterschäden Wird die Elementarversicherung Pflicht?
Die Länder wollen, dass sich Hausbesitzer gegen Unwetterschäden versichern müssen. Im 2021 überfluteten Ahrtal gehen die Meinungen dazu auseinander. Die Versicherungswirtschaft sieht eine Pflicht kritisch.
3,70 Meter hoch stand die Ahr in der Werk- und Lagerhalle von Gregor Orth in Bad Neuenahr-Ahrweiler, wie der Handwerker erzählt. Die Flut im Juli vergangenen Jahres zerstörte seinen Dachdeckerbetrieb, setzte Ausstattung, Werkzeuge und PCs unter Wasser. "Das Inventar war versichert. Das Gebäude aber nicht", erzählt Orth. "Natürlich ist es ärgerlich, dass wir keine Elementarversicherung hatten."
Knapp 200.000 Euro habe er in die Instandsetzung seiner Betriebsstätte investieren müssen, ein Teil davon Geld aus der staatlichen Wiederaufbauhilfe und Spenden. "Andere hat es noch schlimmer erwischt. Wir haben den Vorteil, dass wir keinen Putz an den Wänden hatten, sondern nur eine Blechfassade und Betonboden", sagt Orth. Inzwischen habe er sein Gebäude gegen Elementarschäden versichern lassen.
Die sogenannte Elementarschaden-Versicherung deckt Schäden ab, die durch Naturgewalten wie Starkregen oder Hochwasser entstanden sind. In einer Wohngebäude- oder Hausratversicherung, einer Leitungswasser- oder Sturm-Hagel-Versicherung ist dieser Schutz nicht automatisch enthalten.
Was eine solche Versicherung kostet - und ob eine Versicherungsgesellschaft ein Haus überhaupt gegen Elementarschäden versichert -, hängt unter anderem vom Standort eines Gebäudes ab. Die Frage ist etwa, wie hoch das Überschwemmungsrisiko ist. Für die Berechnung der Policen verwendet die Assekuranz ein System bestimmter Risikozonen.
Eine Elementarschadenversicherung kann mehrere hundert Euro pro Jahr für ein Einfamilienhaus kosten - oder auch günstiger sein als eine Kasko-Versicherung für das Auto.
"Sollte jeder für sich entscheiden"
Das hat auch Maternus Fiedler vor. Sein Wohnhaus in Ahrweiler steht zwar 80 Meter vom Fluss entfernt, die Flut aber zerstörte es dennoch fast vollständig. Wie Dachdecker Orth und viele andere im Ahrtal war auch Fiedler nicht versichert gegen Elementarschäden, etwa durch Starkregen oder Hochwasser.
Fiedler will das jetzt nachholen und hat bereits ein konkretes Angebot dafür vorliegen. Das sei auch bezahlbar, sagt er und betont: "Ohne möchte ich hier nicht wohnen bleiben." Aber sollte solch eine Versicherung für jeden zur Pflicht werden? Fiedler lehnt das ab: "Man sollte sich zwar Gedanken machen, ob man eine braucht. Aber es sollte jeder für sich selbst entscheiden können."
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten beraten nun bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz über eine mögliche Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, zumindest für Wohnhäuser. Diese könnte verfassungsrechtlich umsetzbar sein, das hatten die Justizminister der Länder im Sommer mitgeteilt. Die Länder hatten den Bund daraufhin gebeten, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Eine Pflichtversicherung sei sinnvoll, das habe die Naturkatastrophe im Ahrtal umso mehr gezeigt, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Flutschäden in Höhe von 8,5 Milliarden Euro
Die Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hatte im vergangenen Jahr einen Versicherungsschaden in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro verursacht. Für die deutsche Versicherungswirtschaft war es die bislang teuerste Naturkatastrophe. Kommt nun die Pflicht, sich gegen solche Schäden abzusichern, dann müsste sich knapp die Hälfte der deutschen Hausbesitzer zusätzlich gegen Elementargefahren versichern lassen. Denn nach Angaben des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) sind derzeit rund 52 Prozent der Wohngebäude in Deutschland über eine Elementarschaden-Versicherung versichert.
Der GDV steht einer Pflicht zur Elementarschaden-Versicherung skeptisch gegenüber: "Wir sind der Auffassung, dass eine Pflichtversicherung allein das Problem nicht löst", sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Es sei wichtiger, Schäden durch Naturkatastrophen zu verhindern. Für Neubauten in gefährdeten Gebieten müssten Schutzmaßnahmen wie Aufschüttungen oder auch "überschwemmungsresistente Baustoffe" zur Pflicht werden, dafür brauche es Änderungen im Baurecht. In stark gefährdeten Gebieten dürfe überhaupt nicht neu gebaut werden, fordert Asmussen.
Versicherungsbranche für Stichtagregelung
Mit Blick auf den Versicherungsschutz spricht sich der GDV für eine Abänderung der bestehenden Regelungen aus. Bereits abgeschlossene Gebäudeversicherungen sollten von einem Stichtag an so umgestellt werden, dass sie auch Elementarschäden abdecken, sofern der jeweilige Kunde dem nicht widerspricht. Für neue Verträge solle diese Regelung ohnehin gelten. Diese Maßnahmen seien rechtlich unbedenklicher als eine vorgeschriebene Elementarversicherungspflicht.
Im Ahrtal gibt es dazu jedenfalls verschiedene Meinungen. Im Gegensatz zu Fiedler sieht Dachdecker Orth eine Pflichtregelung positiv. Er finde den "Solidaritätsgedanken" dahinter gut: Denn einzelne Schadensfälle würden dann von sämtlichen Pflichtversicherten finanziert. Die Alternative erlebe man derzeit, nämlich dass der Staat nach einer Katastrophe mit Milliardenhilfen einspringe: "Also ohnehin mit unserem Geld", sagt Orth.