Flutschäden im Ahrtal Der Kampf mit der Versicherung
Im Juli zerstörten Sturzfluten Tausende Häuser - vor allem im Ahrtal. Es war die bisher teuerste Naturkatastrophe in Deutschland, berichtete nun die Munich Re. Viele Betroffene warten noch immer auf Hilfe - trotz Versicherung.
"Was hier passiert ist? Nicht viel." Marion Wenzel steht im Flur ihres Hauses in Bad Neuenahr und zeigt auf die Wände. Abgeschlagener Putz, offene Leitungen, der Fußboden ist aufgestemmt. "Es fehlt im Erdgeschoss eigentlich alles. Ich habe nicht mal eine Heizung. Mir fehlt die Genehmigung für die ganzen Geschichten."
Ihr Haus ist gegen Elementarschäden versichert. Schon zwei Wochen nach der Katastrophe kam eine Sachverständige, um die massiven Schäden zu begutachten. Wenzel kümmerte sich um Handwerker, ließ sich Kostenvoranschläge machen und leitete die Dokumente an die Versicherung weiter. Die Angebote seien ohne Begründung abgelehnt worden.
Das daraus resultierende Problem für Marion Wenzel: Ohne Freigabe und Zusage für eine Kostenübernahme darf sie keine Firma beauftragen. "Ich habe dann auf eigene Kosten wenigstens eine Heizung im Obergeschoss einbauen lassen. Am Tag vor Heiligabend waren die Handwerker bis 21 Uhr da. Ich frage mich, wofür ich diese ganze Versicherung bezahlt habe, wenn letztendlich der Genehmigungsprozess so lange dauert."
Das teuerste Naturgefahrenjahr aller Zeiten
Insgesamt hat die verheerende Sturzflut, zusammen mit den Hagelschlag-Schäden aus dem Frühsommer 2021, die höchsten jemals in Deutschland festgestellten Schäden verursacht. "Mit versicherten Schäden an Häusern, Hausrat, Betrieben und Kraftfahrzeugen von rund 12,5 Milliarden Euro ist 2021 das teuerste Naturgefahrenjahr seit Beginn der Statistik Anfang der 1970er Jahre", bilanziert Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Davon verursachte die Flut an Ahr und Erft im vergangenen Sommer mit 8,2 Milliarden Euro die höchsten Versicherungsschäden - vor allem an Wohngebäuden, Hausrat und Betrieben. Mittlerweile haben die Versicherer etwas über drei Milliarden Euro dieser Schadenssumme ausgezahlt.
Und das sind nur die Schäden, für die eine Versicherung aufkommen muss. Der tatsächliche Grad der Zerstörung ist weit höher. So teilt der Rückversicherer Munich Re in seiner nun vorgestellten Jahresbilanz mit, dass die Flutkatastrophe in Deutschland Schäden in Höhe von 33 Milliarden Euro verursacht hat, und bestätigt: Es war die bislang teuerste Naturkatastrophe in Deutschland.
Rückversicherer: Teure Dynamik
Rückversicherungsunternehmen wie die Munich Re agieren in Bezug auf die Schadenslage erst in zweiter Linie - als Versicherer der Erstversicherer. Dadurch können sehr große Risiken durch Verteilung auf viele Versicherungsunternehmen finanziell tragbar gemacht werden.
Ernst Rauch, Chef-Klimatologe der Munich Re, weist vor allem auf die große Dynamik der Veränderung in den Schadenssummen hin. Im Vergleich zum bisher teuersten Schadensereignis - den Überflutungen entlang der Elbe mit einer Schadenssumme von zwei Milliarden Euro aus den Jahren 2002 und 2013 - seien die Folgen der jüngsten Flutkatastrophe um den Faktor vier gestiegen.
Deshalb müsse man sich dringend anpassen, mahnt Rauch: "Ganz wichtig ist, dass Neubauten nicht mehr, wie in der Vergangenheit zu oft geschehen, in ausgewiesene Überschwemmungsgebiete gebaut werden. Das ist langfristig nicht mehr fortsetzbar, denn irgendjemand muss ja am Ende des Tages diese Schäden bezahlen". Die ökonomischen Folgen des Klimawandels seien ein "Enkelthema", so Rauch, denn es werde die nächsten Generationen beschäftigen.
Pflichtversicherung für Elementarschäden?
Auch haben die enormen Schäden einmal mehr eine Diskussion über eine Pflichtversicherung für Elementarschäden ausgelöst. Als Reaktion darauf haben die deutschen Versicherer Vorschläge für ein Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung vorgelegt: "Im Kern sehen die GDV-Vorschläge vor, dass es künftig nur noch Wohngebäudeversicherungen geben soll, die auch sogenannte Elementargefahren wie Hochwasser und Starkregen abdecken", so Verbandssprecher Asmussen. Ziel ist die Absicherung aller privaten Wohngebäude gegen Extremwetterrisiken.
Marion Wenzel hat sich einen Anwalt genommen, um ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung durchzusetzen. Markus Gerd Krämmer vertritt etwa 60 Mandanten aus dem Ahrtal. "Wir als Versicherungsjuristen in der Kanzlei stellen fest, dass die Sachbearbeiter einfach überfordert sind. Da werden alte Schadensroutinen einfach weiter fortgeführt, die nicht mehr in die Wirklichkeit passen."
Ob jetzt Bewegung in die Angelegenheit kommt? Krämer ist verhalten optimistisch. Und auch Wenzel hofft, dass sie bald Freigaben für anstehende Arbeiten bekommt und ihr Haus wieder zu ihrem Heim machen kann.