Glasfaserausbau in Deutschland "Alles aufgerissen, alles Murks"
Viele Anbieter versprechen einen schnellen und unkomplizierten Glasfaserausbau. Doch bis das Highspeed-Internet im Haus liegt, ist der Weg oft steinig - und Kommunen sind den Bautrupps ausgeliefert.
Wenn Bürgermeister Rüdiger Germeroth durch das nordhessische Zierenberg läuft, macht sich schnell Ärger breit. "Seit fast vier Jahren geht das so, alles aufgerissen, nur schlecht zugeschüttet, alles Murks." Was anfänglich noch gut lief, war schon nach ein paar Wochen beendet. "Wir finden noch nicht mal Ansprechpartner bei den Firmen, weil ständig die Bauleiter wechseln", beklagt er die Situation.
Und zu dem Ärger kommt dann auch die Angst vor mangelnder Verkehrssicherheit. Er zeigt auf die meterhohen Kabelrollen, zwei an der Zahl, am Straßenrand abgestellt - und gerade mal ein Feldstein soll verhindern, dass die schweren Kabelrollen nicht den Straßenabhang hinunterrollen. Verkehrssicherheit ist für Kommunen ein zentrales Thema - zuständig aber im Detail sind die Baufirmen. Kein Einzelfall: Was hier passiert, darüber klagen viele Kommunen. Deutschland hat Glasfaser-Fieber.
Den Bürgermeistern sind die Hände gebunden
Bis 2030 sollen alle Haushalte und Betriebe in Deutschland bei Highspeed-Internet angekommen sein. Um das Großprojekt Glasfaserausbau zu beschleunigen, wurden im Telekommunikationsgesetz Verfahrenserleichterungen festgeschrieben. Konkret: Alle lizensierten Anbieter haben freien Zugang zum Glasfaserausbau und damit zu den öffentlichen Wegen.
Die Folge ist eine weitgehende Rechtlosigkeit der Kommunen. Zwar sind die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, die Verkehrswege wieder instandzusetzen. Aber kommen sie dieser Verpflichtung nur ungenügend nach, sind die Gemeinden den Bautrupps ausgeliefert.
"Bei manchen Subunternehmen fragt man sich, ob die jemals was mit Tiefbau am Hut hatten", sagt Dieter Hornung, Bürgermeister in Burghaun, einer Gemeinde in Osthessen. Und der Rathaus-Chef aus Bad Salzschlirf, einer Nachbargemeinde, kann nur den Kopf schütteln, wenn er auf die Pflastersteine schaut, die nach dem Ausbau wieder auf die Gehwege kamen. "Ein Flickenteppich, und das müssen wir den Bürgern und Bürgerinnen jetzt auch noch erklären."
Unternehmen wehren sich
Eine Sprecherin erklärt im Auftrag der Deutschen Telekom, man nehme die Schadensfälle sehr ernst und analysiere die Gründe dafür. Man versuche, die Arbeitsprozesse zu optimieren. Die Verantwortung für die fachlich korrekte Ausführung liege bei den beauftragten Tiefbaufirmen, argumentiert die Telekom. "Diese sind aufgefordert, bei Schadensmeldungen die Mängel umgehend auszubessern."
Und auch kleinere Anbieter wie das Unternehmen Goetel bemühen sich argumentativ um Schadenbegrenzung: Der Ausbau sei sehr komplex, erklärt Peter Raue, der Baubereichsleiter von Goetel, und es sei "schwierig, Ausbaupartner zu finden, mit denen man das alles gut umsetzen kann". Dass im Fall Goetel auch mal ein Haus in einer Straße in Zierenberg vergessen wird, während die gesamte Straße schon angeschlossen ist? "Fehler passieren", so der Baubereichsleiter.
Deutschland als gigantische Baustelle
Neben den großen Telekommunikations-Konzernen wie Telekom und Vodafone sind derzeit mehr als 200 Glasfaserunternehmen in Deutschland aktiv, um Tempo zu machen. Denn immer noch ist Deutschland beim Breitbandausbau eine gigantische Baustelle. Dabei wollte die Politik schon 1981 Glasfaser. Das war unter Helmut Schmidt. Dann kam ein neuer Kanzler - Helmut Kohl setzte auf Kupferkabel, und das zieht sich bis heute durch die Republik.
"Wir haben lange Jahre auf unsere sehr gute alte Telefon-Infrastruktur gesetzt, die erlaubte hohe Datenraten über DSL-Technik," sagt Jens Tiemann, der am Fraunhofer Institut für Kommunikationssysteme arbeitet. "Da war es auch für die Telekom nicht nötig, das Kupferkabel rauszureißen."
Die Folge: Deutschland liegt heute auf Platz 36 von 38 OECD-Staaten. Und die Europäische Union bescheinigte gerade Deutschland ein "mangelhaft" beim Ausbau. Aber glaubt man den Optimisten, so wird schon in eineinhalb Jahren bei der Hälfte der bundesdeutschen Haushalte die Zukunft mit Lichtgeschwindigkeit angekommen sein.