Immobilienmarkt Büros zu Wohnungen?
Die Wohnungsnot in den großen Städten nimmt zu. Eine mögliche Antwort darauf: ehemalige Bürogebäude umbauen. Experten sehen viel Potenzial - auch wenn es in der Praxis noch hakt.
Es ist ein fast schon komischer Anblick: "Fertigstellung voraussichtlich Ende 2021" steht auf dem Schild, das vor dem "Steglitzer Kreisel" in Berlin hängt. Der ehemalige Büroturm ist so etwas wie ein Anschauungsbeispiel dafür, wie hochfliegende Immobilienpläne schief gehen können. Denn vor wenigen Jahren noch galt das Gebäude als Vorzeigebeispiel dafür, wie aus einem alten Bürogebäude ein neuer Wohnkomplex entstehen kann. 120 Meter hoch, mit 30 Etagen und Platz für mehr als 300 Wohneinheiten: So war der Plan.
Gerade in Berlin, wo jede neue Wohnung gebraucht wird, ruhten einige Hoffnungen auf dem Projekt. Stattdessen gab es Ärger mit der Bausubstanz, einen Eigentümerwechsel und Planänderungen. Heute zeugt lediglich ein Gerüst davon, dass hier eigentlich gebaut werden soll. Stattdessen ist aus dem Musterprojekt ein abschreckendes Beispiel geworden. So leicht lässt sich aus einem Büroturm dann vielleicht doch kein Wohngebäude machen.
Ein Schild am Bauprojekt "Steglitzer Kreisel". Wann hier Wohnungen bezogen werden können, ist unklar.
Fast 20.000 Wohnungen bis 2025?
Helge Scheunemann, Head of Reseach bei der Immobilienberatung JLL, aber sagt genau das: In Deutschlands alten Bürolandschaften schlummere ein großes Potenzial für den Wohnungsmarkt. Der Steglitzer Kreisel sei eben nur ein Einzelfall. "Eigentlich ist das Objekt ideal für eine Umnutzung", sagt er. "In der Theorie zumindest ist das eher ein gutes Beispiel. Dass das Projekt noch nicht fertig ist, hat sicherlich Gründe, die im Einzelfall liegen."
Scheunemann hat kürzlich errechnet, wie viele Quadratmeter Büroflächen in Deutschlands sieben größten Städten zu Wohnraum gemacht werden könnten. Das Ergebnis: fast 20.000 Wohnungen bis zum Jahr 2025 - wenn es schnell geht. Doch das tut es bislang nicht. Einzig in Frankfurt am Main wurden alte Bürotürme umgewandelt. "In Frankfurt sieht man, dass das durchaus klappen kann. Die Stadt hat Vorsprung, weil hier schon lange der Leerstand sehr hoch ist - und weil die hohen Türme dort sich für eine Umnutzung am besten eignen", so der Immobilien-Experte.
Geänderte Marktlage
Mit Leerstand meint Scheunemann das Phänomen, dass in fast jeder deutschen Großstadt der Bedarf an Büroflächen zurückgeht. Gleichzeitig steigt seit Jahren aber der Bedarf an Wohnraum - in denselben Städten.
Und für die Zukunft rechnen viele Analysten mit weiter sinkendem Bedarf an klassischen Schreibtisch-Arbeitsplätzen - auch wegen Homeoffice und Telearbeit. "Bisher waren Büros immer eine rentierliche Anlageklasse. Es gab eigentlich keinen Anlass, leerstehende Büroimmobilien umzuwandeln. Das ändert sich jetzt. Hinter der Asset-Klasse Büro steht mittlerweile ein Fragezeichen", sagt Scheunemann. "Es findet eine Annäherung zwischen Büro- und Wohnungsmieten statt."
Wohnungen bringen Gewinne
Die einst als konservativ geltende Investition in Wohnraum bietet mittlerweile recht ordentliche Renditen - aufgrund der niedrigen Leerstandsquoten und steigenden Mieten. Scheunemanns Berechnungen zeigen aber auch, dass die entstehenden Wohnungen eher für Eigentümer und Mieter aus der Mittel- und Oberschicht interessant sein dürften: "Wir sprechen sicher nicht über sozial geförderten Wohnungsbau. Preisgünstiger Wohnraum dürfte es in den meisten Fällen nicht werden, sondern eher Wohnungen im mittleren und höheren Preissegment." Doch auch das helfe, Druck aus dem Gesamtmarkt zu nehmen.
Laut Scheunemanns Berechnungen eignet sich das Modell "Büros zu Wohnungen" auch nicht wirklich für Immobilienspekulation: "Wir gehen davon aus, dass derjenige, dem das Objekt gehört, das Gebäude umbaut. Das macht den Großteil der Kostenersparnis aus."
Und ein immer wichtigeres Argument aufgrund der Klimaschutzvorgaben führt er noch an: "Abbruch und Neubau ist aus ökologischer Sicht immer aufwändiger und teurer als Sanierung." Dass in einigen Jahren reihenweise Menschen in ehemaligen Bürotürmen wohnen, glaubt er aber auch nicht: "Nein, die Umnutzung kann das Problem nicht allein lösen. Es kann aber ein Baustein sein."