Erfolg bei Kabinettsklausur May setzt ihren Brexit-Kurs durch
Die britische Premierministerin May hat sich durchgesetzt. London strebe nach dem Brexit eine Freihandelszone mit der EU an, sagte sie. Die erste Reaktion aus Brüssel war dennoch verhalten.
Theresa May wirkte erschöpft, aber erleichtert nach einem intensiven Tag. Das Kabinett habe sich nach detaillierter Diskussion auf eine gemeinsame Position für die Brexit-Verhandlungen mit der EU geeinigt, verkündete sie.
May hatte seit dem Vormittag das gesamte Kabinett auf dem Landsitz Chequers versammelt. Die Minister mussten ihre Smartphones am Eingang abgeben, nichts sollte von der Klausur vorzeitig nach außen dringen. Das gelang.
May war die erste, die nach der stundenlangen Sitzung vor die Mikrofone trat und verkünden konnte, dass sie sich zumindest hier, in Chequers, durchgesetzt habe: "Im Wesentlichen schlagen wir eine gemeinsame Freihandelszone für Industriegüter und Agrarprodukte vor, für die das Vorschriftenbuch der EU weiter gilt. Damit bleiben die hohen Standards in diesen Bereichen erhalten." Gleichzeitig stelle man aber sicher, dass das britische Parlament Änderungen dieser Regeln zustimmen müsse.
Freier Marktzugang für die britische Wirtschaft
Dies ist, was die Anhänger eines "weichen Brexit" um die Premierministerin und Finanzminister Philip Hammond wollten: eine Anlehnung an den europäischen Binnenmarkt nach dem Austritt aus der EU. Die britische Regierung will so die Risiken für die Wirtschaft minimieren. Industriegüter und Agrarprodukte sollen weiter barriere- und zollfrei den Kanal überqueren können, britische Industrieunternehmen und Landwirte sollen auch in Zukunft freien Zugang zum Kontinent behalten.
May betonte, Handelshindernisse würden so vermieden und Arbeitsplätze gesichert. Die britische Regierung wolle so auch ihrer Verpflichtung nachkommen, die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland offen zu halten.
May kündigt Weißbuch an
Gleichzeitig kündigte May an, die Briten würden in Zukunft eigene Handelsabkommen mit anderen Ländern schließen. EU-Mitglieder haben diese Möglichkeit nicht. Das war eine zentrale Forderung der "Brexiters" wie Außenminister Boris Johnson, die eine klare Trennung von der EU und eine eigene Handelspolitik anstreben.
May kündigte an, Einzelheiten des Vorschlags in der kommenden Woche in einem Weißbuch ihrer Regierung zu veröffentlichen. Darin soll auch eine bisher ziemlich umstrittene technische Lösung für unterschiedliche Zölle an den britischen Grenzen enthalten sein. Diese sollen zwischen Waren unterscheiden, die aus Drittländern kommen und in Großbritannien bleiben, und Waren, deren Endziel die EU ist.
Harte Verhandlungen in Buckinghamshire: Auf dem Landsitz Chequers beriet das britische Kabinett über den Brexit-Kurs.
Widerstand in der EU-Kommission?
Die Premierministerin drückte die Hoffnung aus, dass die Verhandlungen mit der Europäischen Union nun schnell fortgeführt werden könnten. "Ich habe in der vergangenen Woche mit den Führern mehrerer EU-Länder gesprochen, über die Notwendigkeit, die Verhandlungen jetzt zu beschleunigen. Unser Vorschlag ist gut für Großbritannien, aber auch für die EU. Ich würde mich freuen, wenn er positiv aufgenommen wird."
Das ist längst nicht sicher: Diese Art Teilmitgliedschaft im Europäischen Binnenmarkt, die nach dem in Chequers formulierten Verhandlungsvorschlag nicht den Sektor der Dienstleistungen umfassen und auch nicht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beinhalten soll, dürfte bei der EU-Kommission auf Widerstand stoßen. Die EU hatte sich immer wieder gegen eine "Rosinenpickerei" beim Brexit ausgesprochen.