Forderungen an Kommission Seehofer irritiert EU mit Brexit-Brief
Innenminister Seehofer hat sich in einem Brief an die EU-Kommission in die Brexit-Verhandlungen eingemischt. Seine Forderungen weichen von der EU-Linie ab - auch der Termin des Schreibens irritiert.
"Unsere Einigkeit ist unsere größte Stärke", wird die EU in Bezug auf die Brexit-Verhandlungen nicht müde zu betonen. Seit Gesprächsbeginn mit London ist man in Brüssel bemüht, nationale Alleingänge oder Sonderabsprachen eines einzelnen Mitgliedsstaats mit den Briten zu vermeiden.
Angesichts dessen reagierte man von Seiten der EU-Kommission auch einigermaßen überrascht über den Brief, den man vom deutschen Innenminister Horst Seehofer zugeschickt bekam: "Wir halten uns an die roten Linien oder die Leitlinien, die der Europäische Rat festgeschrieben hat", erklärte EU-Kommissionschef Juncker auf Nachfrage bei einem Treffen mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
Heißt also im Klartext: Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben die Verhandlungsposition festgezurrt, nur sie ist maßgeblich. "Es gibt nur einen Brexit-Verhandler - und das ist Michel Barnier", stellte eine Kommissionssprecherin in Brüssel klar.
Seehofer nimmt britische Position ein
Seehofer drängt Chef-Unterhändler Barnier in dem Brief, den das ARD-Studio Brüssel einsehen konnte, eine "uneingeschränkte Sicherheitszusammenarbeit" mit den Briten nach deren EU-Ausstieg anzustreben. Er wolle zwar nicht die Verhandlungen der Kommission kommentieren, schreibt Seehofer, fügt dann aber wörtlich an: "Ich erlaube mir jedoch als Innenminister eines europäischen Mitgliedstaats darauf hinzuweisen, dass die Sicherheit der europäischen Bürger höchste Priorität auch in der Europäischen Union genießen muss."
EU-Chefunterhändler Barnier teilt Seehofers Position nicht.
Seehofer schließt sich mit seiner Kritik an der EU-Strategie ziemlich genau der britischen Haltung an. Doch in Brüssel weckt das Befürchtungen, der deutsche Innenminister könnte mit seiner Einlassung die Verhandlungsposition der Kontinentaleuropäer schwächen. Abgesprochen mit dem Kanzleramt war der Brief laut "Financial Times", die zuerst über die Einmischung Seehofers in die Brexit-Verhandlungen berichtet hatte, nicht.
Brief mitten im Asylstreit verfasst
Chefverhandler Barnier hatte bislang stets betont, logische Folge des Brexit sei nun einmal, dass die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nicht mehr so eng sein könne wie vorher.
Ebenfalls brisant: Der Brief ist mit dem Datum "27. Juni" versehen. Verfasst wurde er also offenbar zu einem Zeitpunkt, an dem der Streit zwischen Kanzlerin Merkel und dem CSU-Minister um die Flüchtlingspolitik besonders heftig tobte. Der 27. Juni ist auch der Abend vor jenem entscheidenden EU-Gipfel, bei dem die Kanzlerin für eine europäische Lösung der Migrationsfrage warb.