Digitales Geld oder Zahlsystem Was der digitale Euro bringen soll
Die Europäische Zentralbank gibt grünes Licht für die nächsten Schritte hin zu einem digitalen Euro. Bevor er kommt, sind aber noch viele Fragen offen. Kritik kommt auch von den Bankenverbänden.
Zwei Jahre hat die Europäische Zentralbank (EZB) abgewogen, ob sie den digitalen Euro einführen will. Nun hat sie bekannt gegeben, dass sie in die sogenannte Vorbereitungsphase gehen will. Auch diese ist auf weitere zwei Jahre angelegt. In der Zeit, so die EZB, solle der Grundstein für eine mögliche Einführung des digitalen Euro gelegt werden. Unter anderem sollen "das Regelwerk fertiggestellt und Anbieter für die Entwicklung von Plattform und Infrastruktur ausgewählt werden", teilten die Notenbanker mit.
Aus Sicht von EZB-Chefin Lagarde müssen wir "unsere Währung auf die Zukunft vorbereiten." Weiter sagte sie: "Wir sehen einen digitalen Euro als eine digitale Form von Bargeld, mit der sämtliche digitalen Zahlungen kostenlos möglich sind und die die höchsten Datenschutzstandards erfüllt."
Ergänzung zum Bargeld
Der digitale Euro, wie er der EZB vorschwebt, soll das Bargeld also nicht ersetzen, sondern ergänzen. Das betonten die obersten Währungshüter der Europäischen Zentralbank beim Startschuss in die nächste Phase des Projekts.
Doch wie genau er aussehen soll, der digitale Euro, dahinter stehen noch viele Fragezeichen. Banken könnten ihn wie Bargeld von den Notenbanken beziehen. Verbraucherinnen und Verbraucher bekämen ihn in einer digitalen Geldbörse, einer sogenannten Wallet, gutgeschrieben und könnten in Sekundenschnelle rund um die Uhr zum Beispiel per Smartphone bezahlen - auch dann, wenn sie keine Internetverbindung haben.
Deutsche Banken grundsätzlich optimistisch
Die Vertreter deutscher Banken beobachten die Entwicklung ganz genau. Grundsätzlich sehe man den EZB-Beschluss für die Vorbereitung eines digitalen Euro positiv, heißt es von der Deutschen Kreditwirtschaft, dem Dachverband der fünf großen Bankenverbände in Deutschland. Jens Holeczek, Gruppenleiter Digitale Zahlungssysteme beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sieht es positiv, dass die EZB die Währung fit machen will für die Zukunft.
Er stellt aber auch die Frage, was genau der digitale Euro am Ende sein soll: "Ist es digitales Geld, also eine digitale Ergänzung zum Bargeld, das würden wir gut finden. Oder ist es ein vollwertiges Zahlverfahren, was vom Staat betrieben wird, das geht dann deutlich über eine digitale Form des Geldes hinaus und stellt die Aufteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft in Frage und da muss man dann schon kritisch drauf schauen, was das bedeutet."
Greift die EZB ins Geschäftsmodell der Banken ein?
Diese Frage hält auch der ehemalige Wirtschaftsweise und Volkswirtschaftsprofessor der Uni Würzburg, Peter Bofinger, bei der Umsetzung des digitalen Euro für entscheidend. In einem Gutachten für die Wirtschaftskammer Österreich warnt der Volkswirt vor einem grundlegenden Eingriff in die "Ordnung unseres Geld- und Finanzsystems".
Mit dem digitalen Euro begebe sich die Europäische Zentralbank in ein Geschäftsfeld, dass bisher rein privat von Banken und Zahlungsdienstleistern betrieben worden sei. Ähnlich sieht das auch der Bundesverband deutscher Banken, die Vereinigung der Privatbanken.
Tobias Tenner, Leiter Digitales beim Bankenverband, sieht einen möglichen Interessenskonflikt: "Die Rollenverteilung würde sich mit dem, was die EZB plant, neu verteilen. Denn die EZB kommt ja nicht nur mit dem Rohmaterial, wie heute beim Bargeld, sondern die EZB kommt mit dem digitalen Euro mit einem Zahlungsverkehrs-System." Damit trete sie in einen Markt, in dem ohnehin großer Wettbewerb herrsche.
Dominanz der US-Zahlungsdienstleister brechen
Letzteres ist aber ein gewichtiges Argument für die Einführung des digitalen Euro. Dahinter steckt die Idee, ein europäisches Gegengewicht im Zahlungsverkehr zu den dominanten amerikanischen Anbietern wie wie Visa, Mastercard, GooglePay und ApplePay oder Paypal zu etablieren.
Von Seiten der EZB heißt es: "Der digitale Euro würde Widerstandsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation im europäischen Zahlungsverkehr fördern. Er würde dafür sorgen, dass es eine europaweite Zahlungslösung für den Euroraum mit einem europäischen Ordnungsrahmen gibt."
Die Souveränität im europäischen Zahlungsverkehr sehen viele als wichtiges Ziel. "Die Menschen müssen beim digitalen Bezahlen unabhängiger werden von kommerziellen Interessen einer Handvoll internationaler Konzerne", sagte etwa die Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Ramona Pop.
Nutzen des digitalen Euro für Verbraucher unklar
Die Frage ist jedoch, ob der digitale Euro auch als Zahlungsmittel akzeptiert wird, wo doch viele Menschen bereits digitale Zahlungslösungen via Smartphone oder Karte nutzen. Aus Sicht des Bundesverbandes deutscher Banken ist unklar, was der digitale Euro den Verbrauchern genau bringt, außer einer weiteren Möglichkeit, zu bezahlen.
Digitalexperte Tenner vom Bankenverband sagte gegenüber tagesschau.de: "Wir haben heute bereits einen sehr effizienten Zahlungsverkehr, der durch die Privatwirtschaft vor allem gestiftet wird und das, was die EZB derzeit plant, bietet keinen wirklichen Mehrwert, Nutzen und Zweck für den Endkunden. Es ist verbunden mit gigantischen Kosten in eine völlig neue Infrastruktur und das macht nur Sinn, wenn es für alle Seiten einen essentiellen Mehrwert gibt."
Die Frage, wer am Ende die Kosten tragen soll, ist noch offen. Laut Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz soll das Bezahlen mit dem digitalen Euro für Verbraucher mit keiner Gebühr verbunden sein. "Genau wie beim Bargeld sollen sie keine Kosten tragen müssen", sagt Balz der "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Nagel: Bezahlen mit digitalem Euro in fünf Jahren
Bis mit einem digitalen Euro bezahlt werden kann, wird es aus Sicht von Bundesbankpräsident Joachim Nagel noch mehrere Jahre dauern. "Das ist ein großes IT-Projekt. Ich rechne damit, dass wir in zirka fünf Jahren mit dem digitalen Euro bezahlen werden", sagte Nagel im Deutschlandfunk. Bis dahin ist noch viel Zeit für die EZB und alle am Prozess beteiligten, Ideen und Vorschläge zu sammeln und einzubringen.
Aus Sicht von Volkswirtschaftsprofessor Bofinger gibt es bereits einen guten Ansatz auf europäischer Ebene: die europäische Zahlungsinitiative, kurz EPI. "Die versucht ein europäisches Zahlungssystem aufzubauen, das ohne Zahlungsdienstleister wie die Kreditkartengesellschaften auskommt."
Viele Fragen noch offen
Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft könnte der digitale Euro eine gute Ergänzung zu der privatwirtschaftlichen Initiative sein. So betont Jens Holeczek, Gruppenleiter Digitale Zahlungssysteme beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken: "Das was die EZB mal versprochen hat, den digitalen Euro als Rohstoff aufzulegen, als digitales Geld, das von der Privatwirtschaft genutzt werden kann, das wäre ein guter und richtiger Antritt."
Schwierig werde es hingegen, wenn der digitale Euro dafür sorge, dass alle anderen Anbieter vom Markt verschwinden. Wie auch immer der digitale Euro am Ende aussehen wird, bevor die digitale Variante der europäischen Gemeinschaftswährung tatsächlich kommt, ist zuerst noch eine gesetzliche Grundlage auf EU-Ebene nötig.