Coronavirus und Bargeld Kontaktloses Bezahlen im Trend
Früher noch undenkbar, heute selbstverständlich und sogar empfohlen: das Bezahlen mit Girokarte, Kreditkarte oder Smartphone. Immer mehr Menschen zahlen in der Corona-Krise kontaktlos. Doch es könnte auch Probleme geben.
Wie hoch die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus über Bargeld ist, ist nicht wirklich geklärt. "Die Wahrscheinlichkeit, sich mittels Bargeld anzustecken, ist geringer als bei vielen anderen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens", erklärte vor kurzem Bundesbankvorstand Johannes Beermann. Auch Virologen gaben bereits Entwarnung.
Trotzdem empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO den Verzicht auf Bargeld. Ladenbesitzer bitten ihre Kunden um kontaktloses Bezahlen. Einige Händler nehmen überhaupt keine Scheine und Münzen mehr an. Zuletzt verdoppelte die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) das Limit für die Kartenzahlung ohne PIN-Eingabe von 25 auf 50 Euro pro Nutzung, um die "hygienischen Zahlungsmethoden" zu unterstützen.
"Abstand halten - kontaktlos bezahlen" - das liest man in diesen Tagen oft
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Kunden müssen lediglich ihre Kreditkarte oder Girocard an das Terminal des Händlers halten. Das dauert nur wenige Sekunden und der Kontakt mit Beschäftigten an den Kassen sowie potenzielle Übertragungen können vermieden werden.
Bargeld-Anteil sinkt stark
Bisher hingen die Menschen in Deutschland wie in kaum einem anderen Land an ihrem Bargeld. In der Corona-Pandemie sind Kartenzahlungen und mobiles Zahlen via Smartphone jedoch zu einem Trend geworden - der auch nach der Krise anhalten könnte. Der Anteil von Barzahlungen nach Umsatz dürfte bis 2025 auf 32 Prozent sinken, schreiben Zahlungsexperten der Beratungsfirma Oliver Wyman in einer aktuellen Studie.
Zum Vergleich: Für 2019 schätzen sie den Bargeld-Anteil auf 47 Prozent. 2017 lag er laut Bundesbank noch bei 52 Prozent. Berücksichtigt wurden Käufe in Geschäften sowie im Online-Handel, die dort mit Karte oder etwa PayPal bezahlt wurden.
Hälfte aller Kartenzahlungen ohne Kontakt
Kurzfristig erwarten die Berater von Oliver Wyman für 2021 einen Rückgang der Barzahlungen nach Umsatz um 15 Prozent. Überall in Deutschland berichten Händler von steigenden Zahlungen mit Karte. Wirklich kontaktloses Zahlen funktioniert aber nur ohne Eingabe der Geheimzahl auf dem Kartenlesegerät. Etwa die Hälfte aller Kartenzahlungen laufen nach Angaben der DK momentan auf diese Weise - im Dezember waren es noch 36 Prozent.
Kunden und Händler brauchen dafür einen NFC-fähiges Gerät, das nah an das Terminal gehalten werden muss. Die meisten neueren Karten, Smartphones und sogar Smartwatches haben einen passenden Chip eingebaut. Dieser kann Daten auf kurze Strecken mittels elektromagnetischer Induktion übertragen. Beim Bezahlen mit dem eigenen Smartphone schaltet der Kunde die Bezahlung mit der gewohnten Entsperrfunktion - zum Beispiel dem Fingerabdruck - frei.
Allerdings benötigen sie dafür eine App. Die bekanntesten sind Apple Pay für Apple-Fans und Google Pay für Android-Nutzer. Dort muss eine Debit- oder Kreditkarte einer Bank hinterlegt werden. Neuerdings sind auch die Volks- und Raiffeisenbanken Kooperationspartner. Bei Google Pay ist die Verknüpfung mit dem Finanzdienstleister PayPal möglich. Nutzerzahlen geben die Technologieriesen Apple und Google nicht bekannt - sie dürften aber in den vergangenen Wochen stark gestiegen sein. Auch einige Banken haben eigene Apps.
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Profiteure der Krise
Andere Unternehmen aus der Finanzbranche profitieren ebenfalls vom neuen Trend. Anbieter der Kreditkarten wie Visa, Mastercard oder American Express sowie die jeweiligen Banken bekommen bei jeder Transaktion eines Kunden eine Gebühr des Händlers.
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Auch Dienstleister wie Wirecard, Adyen oder Concardis verdienen kräftig mit, indem sie die entsprechende Software, die Integration und die Zahlungsabwicklung bereitstellen.
Zwar haben bedeutende Kundengruppen wie Airlines und Reisebüros hart mit der Krise zu kämpfen, dafür ziehen aber die Onlinekäufe an. Wirecard verdient an jeder Transaktion über die eigene Plattform im Schnitt rund 1,6 Prozent an Gebühren.
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Die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) ist skeptisch. "Die Anbieter unbarer Zahlungsmittel locken Händler mit Flatrates und verbesserten Zahlungsmodalitäten. Das Infektionsrisiko ist vorgeschoben, um auf bargeldlosen Zahlungsverkehr umzusteigen", sagte jüngst BDGW-Hauptgeschäftsführer Harald Olschok. Bei Kunden und dem Verkaufspersonal würden Ängste geschürt.
"Datenschutz schon ein kritischer Punkt"
Kontaktloses Bezahlen bringt Probleme mit sich - zum Beispiel beim Thema Sicherheit. Im Februar gab PayPal zu, dass bei einigen Kunden, die Google Pay nutzen, unautorisierte Abbuchungen auftauchten. Das Problem sei schnell behoben worden und die Geschädigten hätten ihr Geld zurückbekommen.
Dennoch: "Die Datennutzung ist schon ein kritischer Punkt", sagt Jürgen Moormann, Professor für Bank- und Prozessmanagement an der Frankfurt School of Finance & Management. Allerdings hätten alle technischen Lösungen Lücken. Hacker könnten immer auf Systeme zugreifen, auch in anderen Bereichen. Die Bargeldauszahlung an Geldautomaten sei ebenfalls nicht immer sicher.
Jürgen Moormann, Experte für digitale Bezahlvorgänge
"Das Kartensystem in Deutschland ist hochgradig effizient", so Moormann. Auch er erwarte einen gigantischen Schub in diesem Jahr. Doch er weist auf weitere Schwierigkeiten hin: Die Menschen hätten weniger Kontrolle. "Man zieht die Karte drüber und weg ist das Geld", meint der Experte. Gerade für jüngere oder ärmere Menschen sei das nicht gerade vorteilhaft.
Außerdem würden einige Kundengruppen ohne Girocard oder Smartphone ausgeschlossen werden. Im Prinzip spreche auch nichts gegen Bares: "Das Bargeld wird trotz Corona für die nächsten zehn Jahre erhalten bleiben - aus guten Gründen."