Eigner der Großkonzerne Wem gehört der DAX?
Zum Jahresende hat der DAX neue Höchststände erreicht. Unter den Käufern am Aktienmarkt sind Kleinanleger aber in der Minderheit. Um wen handelt es sich bei den Investoren vor allem?
Der Versicherungskonzern Allianz, Software-Hersteller SAP, der Industriekonzern Siemens, der Autobauer Mercedes-Benz - sie alle sind Mitglieder im DAX und gehören somit zu den wertvollsten, börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Aber wem gehört der DAX eigentlich? "Der DAX gehört vielen", sagt die Vize-Präsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Daniela Bergdolt, im Gespräch mit tagesschau.de. "Er gehört Privatanlegern. Er gehört den Fonds, er gehört ETFs, er gehört institutionellen Anlegern. Auch Rentenfonds und Fonds von Staaten."
Verschiedene Investorengruppen
Es gibt also verschiedene Investorengruppen. Nach einer gemeinsamen Studie des Deutschen Investor-Relations-Verbands und des Datenspezialisten S&P Global gehörten im Jahr 2022 fast 13 Prozent der DAX-Anteile Privatanlegern. Daneben spielten sogenannte strategische Investoren eine wichtige Rolle. Sie hielten einen Anteil von 27 Prozent am DAX. Das können Familien-Holdings sein oder ausländische Staatsfonds, in seltenen Fällen auch der Bund, wie bei der Commerzbank.
Den größten Teil des DAX-Kuchens machte der sogenannte Streubesitz aus, das sind an der Börse frei handelbare Aktien. Insgesamt 60 Prozent waren 2022 in den Händen von sogenannten institutionellen Investoren, sprich Vermögensverwaltern, Banken, Versicherungen, Pensionsfonds.
Eine Gruppe war nach Beobachtung von Kay Bommer vom Investor-Relations-Verband besonders stark vertreten: US-amerikanische Investoren. "Gemessen am institutionellen Streubesitz besitzen sie über 43 Prozent, das ist ein sehr großer Anteil."
"Der DAX spricht englisch"
Liegt der DAX also zunehmend in den Händen amerikanischer Anleger? Thomas Deser, Portfoliomanager bei der Union Investment, fasst es weiter: "Der DAX spricht englisch. Etwa zwei Drittel der Aktien liegen in der Hand angelsächsischer, also US-amerikanischer und britischer Investoren. Und trotzdem ist es nicht ausschließlich US-amerikanisches und britisches Geld." Zwar seien diese institutionellen Anleger in den USA und Großbritannien ansässig, aber auch deutsche Anleger griffen auf deren Produkte zurück.
Große Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard oder State Street gehören laut der Studie des Investor-Relations-Verbands zu den Top-DAX-Investoren. Ihr Erfolgsrezept: ETFs. Das sind börsennotierte Fonds, die einen Index wie beispielsweise den DAX abbilden. Dazu braucht es keinen aktiven Vermögensmanager. Das heißt auch weniger Verwaltungsgebühren.
Schon seit einigen Jahren beobachtet die Bundesbank, dass ETFs für Anleger und für das Finanzsystem zunehmend an Bedeutung gewinnen. Branchenvertreter sehen insbesondere bei ETF-Sparplänen, bei denen man regelmäßig eine gewisse Summe investiert, wachsendes Potential.
Vermögensverwalter arbeitet mit Kundengeld
Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock ist mit durchschnittlich fünf Prozent an jedem DAX-Konzern beteiligt. Doch sei es nicht das Geld von BlackRock, betont Deutschland-Chef Dirk Schmitz gegenüber tagesschau.de. Es sei das Vermögen der vielen Millionen Kunden, die der US-Investmentgesellschaft ihr Geld anvertrauten. "Kunden kommen zu uns und fragen unsere Produkte nach."
Beim DAX-ETF seien es überwiegend deutsche Privatanleger, so Schmitz, der die Geschäfte von BlackRock in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortet. Zwei Drittel der Kundengelder von BlackRock dienten dem Vermögensaufbau fürs Alter.
"Aktionär ist kein Zocker"
Wer am Aktienmarkt in die Altersvorsorge investiert, bleibt in der Regel auf lange Sicht dabei. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz findet daher, große Vermögensverwalter müssten per se nicht schlecht sein. Gerade mit Blick auf die Altersvorsorge brauche Deutschland einen anderen Blick auf Aktien, so die Aktionärsschützerin. "Wir müssen davon wegkommen, dass ein Aktionär als Zocker angesehen wird, das ist er nicht. Er investiert in unsere Volkswirtschaft. Und das ist was ganz anderes."
Zuletzt hat die Zahl der Aktionäre in Deutschland zugelegt. Während der Corona-Pandemie haben sich vermehrt junge Leute mit ihrer Geldanlage beschäftigt. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts gab es im Jahr 2022 fast 13 Millionen Aktiensparer in Deutschland - so viele wie noch nie.
Dennoch sieht die Geschäftsführerin des Deutschen Aktieninstituts, Christine Bortenlänger, zahlreiche Hürden, die den Kauf und das Halten von Aktien erschwerten. "Wir haben in Deutschland das Problem, dass es staatlicherseits nicht gefördert wird, dass Aktien in der gesetzlichen Rente, aber auch in der privaten Altersvorsorge zum Einsatz kommen. Die Versicherungen werden gebremst, stark in Aktien zu gehen. Steuerliche Anreize gibt es kaum oder keine, da wird die Aktie sogar benachteiligt." Im geplanten "Generationenkapital" der Bundesregierung - dessen Startfinanzierung die Ampel allerdings wegen der Haushaltskrise gestrichen hat - sieht Bortenlänger einen ersten Schritt in die richtige Richtung.
Zunehmendes Interesse ausländischer Staatsfonds
Schaut man sich die Eigentumsverhältnisse bei den 40 DAX-Konzernen an, dann fällt auf, dass zunehmend ausländische Staatsfonds investiert haben. Sie zählen zu den sogenannten Ankerinvestoren, die einen wesentlichen Anteil an einem Unternehmen halten. Neben dem norwegischen Staatsfonds stammen sie aus Ländern wie Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder China.
Ab einer gewissen Beteiligungsgröße von mindestens drei Prozent sind die Anteile gegenüber der Finanzaufsicht meldepflichtig. Mit der Höhe seiner Beteiligung kann ein Investor auch seinen Einfluss auf ein Unternehmen ausbauen. Manch einer betrachtet die ausländische Einflussnahme auf deutsche Unternehmen mit Skepsis, sorgt sich vielleicht sogar vor einer feindlichen Übernahme. Anders Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt: Aus Ihrer Sicht sind Staatsfonds "meist verlässliche Investoren mit langfristigem Interesse am Unternehmen".
Der DAX brauche ausländische Investoren, so Bergdolt. "Wenn wir nicht internationale Anleger hätten, müssten wir uns Sorgen machen, weil dann unsere Unternehmen nicht attraktiv wären."