Lufthansa Flugzeuge am Terminal, Frankfurter Flughafen.
analyse

Lufthansa muss umplanen Was die Boeing-Krise für Flugpassagiere bedeutet

Stand: 28.09.2024 05:30 Uhr

Die schwere Krise des US-Herstellers Boeing hat inzwischen Auswirkung auf diverse Airlines. Die Lufthansa muss verschiedene Flieger nun länger im Betrieb halten - und überprüft ihren Flugplan.

Von Alina Leimbach, ARD-Finanzredaktion

Die Probleme beim Flugzeugbauer Boeing haben inzwischen auch erhebliche Folgen für Airlines. Deutschlands größte Fluggesellschaft, die Lufthansa, wartet wegen Lieferschwierigkeiten bei Boeing auf 41 neue Langstreckenflugzeuge. Das bestätigte eine Lufthansa-Sprecherin gegenüber tagesschau.de. Zuerst hatte das "Handelsblatt" berichtet, dass der Konzern nicht mehr vor Ende 2026 mit neuen Langstreckenflügen des Typs 777X rechnet. Die ersten Flugzeuge hätten ursprünglich bereits ab 2021 ausgeliefert werden sollen.

Ende August war bekannt geworden, dass Boeing Testflüge mit dem 777X nach Schäden an der Verbindung zwischen Triebwerk und Flügeln aussetzen musste. Bei einer planmäßigen Inspektion sei festgestellt worden, dass sich ein Bauteil "nicht wie vorgesehen verhalten habe", teilte der Konzern mit. Dazu kommen zahlreiche andere Probleme: Beim Modell 737 Max 9 etwa dürfen derzeit nur 38 Maschinen im Monat gefertigt werden, weil es Sicherheitsbedenken der Behörden gibt.

Frequenzen und Verbindungen auf Prüfstand

Das Ganze könnte mittlerweile auch Auswirkungen auf Passagiere haben: "Einzelne Flugverbindungen oder Frequenzen müssen durch diese Situation auf den Prüfstand gestellt werden", heißt es von der Lufthansa. Fluggäste müssen sich zudem länger mit den in die Jahre gekommenen 747-Modellen begnügen. Um die Lieferschwierigkeiten zu bekämpfen, würden derzeit 23 ältere Flugzeuge eingesetzt, die eigentlich schon hätten ausrangiert werden sollen.

Sicher seien diese Maschinen natürlich dennoch, sie würden intensiv gewartet. Er würde in jedes dieser Flugzeuge steigen, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr im "Handelsblatt".

Zahlen zu den wirtschaftlichen Folgen will Lufthansa auf Anfrage nicht nennen. Die betroffenen Airlines dürften diese Lieferschwierigkeiten rund um Boeing teurer zu stehen kommen. "Neue Flugzeuge verbrauchen weniger Kerosin, sind leichter. Insgesamt sind sie also zumeist kostengünstiger zu betreiben", sagt Yvonne Ziegler, Professorin für Luftfahrtmanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Lufthansa braucht dringend moderne Flotte

Dazu komme, dass die Lufthansa dringend Flugzeuge brauche, die mit neuen Business-Class-Sitzen ausgestattet werden können, so Ziegler. "Aktuell ist die Lufthansa, gerade was die Business-Class angeht, im Rückstand zu vielen Konkurrenten. Die Ausstattung der bisherigen Langstreckenflugzeuge des Typs 747 ist in der Hinsicht in die Jahre gekommen." Das Problem: Für einige Kunden ist eine exklusive Business-Class das entscheidende Argument für oder gegen eine Airline. Eine Aufrüstung der alten Flugzeuge lohnt sich nach Einschätzung von Experten nicht.

Zu den ökonomischen Folgen des Boeing-Chaos haben sich andere Fluggesellschaften in der Vergangenheit deutlicher geäußert. So beklagte United Airlines, eine der größten US-amerikanischen Airlines, dass sie das Flugverbot der 737 MAX 9 im ersten Quartal 2024 wegen der Sicherheitsprobleme rund 200 Millionen Dollar gekostet habe. So hieß es in einer entsprechenden Mitteilung. Ohne die Boeing-Verluste wäre man sogar in der Gewinnzone gewesen, kritisierte das Unternehmen.

Ryanair: Fünf Millionen weniger Passagiere wegen Boeing

Auch einer der weltweit größten Boeing-Kunden, der europäische Billigfluganbieter Ryanair, wird deutlich. Im Geschäftsbericht 2024 werden die Lieferschwierigkeiten gleich im ersten Satz genannt - als zentrales Wachstumsproblem. Wegen rund 20 fehlender Flugzeuge für die Urlaubshochphase im Sommer habe man das Passagierziel deutlich senken müssen - um fünf Millionen Passagiere für das Geschäftsjahr 2025. Ryanair fliegt fast ausschließlich mit Boeing und ist daher besonders abhängig von dem Unternehmen.

Ein Wechsel von Boeing auf Airbus sei für Airlines nicht so ohne weiteres möglich, sagt Luftfahrtexpertin Ziegler. "Die Auftragsbücher von Airbus sind auf Jahre gefüllt." Und selbst, wenn das nicht so wäre: Wer von einem Flugzeugbauer auf einen anderen umsteigt, müsse auch Piloten und Kabinenpersonal entsprechend umschulen, sagt die Betriebswirtin. Auch das: teuer und aufwendig.

US-Konzern seit Jahren in der Krise

Zu den derzeitigen Lieferproblemen teilte ein Boeing-Sprecher auf Anfrage von tagesschau.de mit: "Unsere Priorität bleibt nach wie vor, Stabilität in unserer Lieferkette vor der Endmontage zu gewährleisten. Im Hinblick auf den aktuellen Streik arbeiten wir daran, Flugzeuge auszuliefern, die zum Zeitpunkt des Streiks bereits von der FAA zugelassen wurden." Die FAA ist die Luftverkehrsbehörde in den Vereinigten Staaten.

Seit 2018 steckt Boeing in der schwersten Krise seiner Geschichte. Damals stürzten zwei 737-Max-Maschinen binnen weniger Monate ab. Im Oktober 2018 verunglückten in Indonesien ein Mittelstreckenjet der Reihe und nur kurz darauf im März 2019 in Äthiopien eine Maschine des gleichen Typs. 346 Menschen kamen dabei ums Leben.

Nach den zwei tödlichen Abstürzen musste das Modell ab März 2019 mehr als 20 Monate am Boden bleiben. Erst nach technischen Verbesserungen wurde der Flieger nach und nach wieder zugelassen. Den Hersteller kostete das Desaster Milliarden. Inzwischen gibt es eine neue Führungsspitze. Auch das Rüstungsgeschäft steckt in Schwierigkeiten; die Sparte verlor in den vergangenen beiden Jahren Milliarden. Der Konzern kämpft zudem mit chronischen Lieferverzögerungen und einem hohen Schuldenberg.