Institutionen prüfen Athens Reformliste Gläubiger zweifeln, Abgeordnete murren
Die Reformliste aus Athen muss heute zwei Hürden nehmen, damit die Eurogruppe morgen darüber beraten kann: Beim Votum des griechischen Parlaments ist eine Mehrheit der Koalition fraglich. Auch die Gläubiger, die die Pläne bis zum Abend prüfen, haben Zweifel.
Die internationalen Geldgeber prüfen die gestern Abend vorgelegten Reformvorschläge aus Athen mit Hochdruck. Offenbar gibt es innerhalb der Institutionen - das sind die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank - durchaus Vorbehalte gegen das von Griechenland vorgelegte Papier. "Die EZB soll eine ganze Reihe von Bedenken haben", sagte ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause in der tagesschau. Er verwies auf das Problem, dass nicht genau geklärt sei, was mit der Umstrukturierung der Schulden gemeint sei. Zudem gehe es auch um die Glaubwürdigkeit, wenn eine Regierung etwas vorschlage und umsetzen wolle, was sie wenige Tage zuvor noch weitgehend abgelehnt habe.
Dijsselbloem will Pläne noch nicht bewerten
Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem lehnte am Nachmittag eine Bewertung der Reformpläne ab, nachdem er mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde und EZB-Präsident Mario Draghi in einer Telefonkonferenz beraten hatte. Dijsselbloem verwies darauf, dass das 13-seitige Papier der griechischen Regierung bis zum Abend von Dutzenden Experten der drei Institutionen geprüft werde - vor allem mit Blick auf die Frage, ob die Vorschläge wirklich konkret genug seien. Erst nach dieser Prüfung will Dijsselbloem eine Einschätzung abgeben.
Am Vormittag hatte er noch deutlich mehr Zuversicht verbreitet, als er erklärte, die Vorschläge seien "umfassend" und die Euro-Finanzminister könnten bei ihrem Treffen am Samstag eine "große Entscheidung" treffen. Die Bewertung durch die Institutionen bildet die zentrale Entscheidungsgrundlage für die Eurogruppe, die wiederum eine Empfehlung für den EU-Sondergipfel am Sonntag abgeben soll. Kommt es zu einer Einigung, könnten die Staats- und Regierungschefs die Einleitung formeller Verhandlungen über ein Hilfspaket des Euro-Rettungsschirms ESM billigen.
Griechisches Parlament stimmt am Abend ab
Voraussetzung ist allerdings, dass das griechische Parlament die Pläne der Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras überhaupt billigt. Die Abgeordneten sollen angesichts der Dringlichkeit im Schnellverfahren zunächst den neuen griechischen Finanzminister Euklides Tsakalotos damit beauftragen, die nötigen Verträge im Falle einer Einigung mit den Gläubigern zu unterzeichnen. Am Abend oder sogar erst in der Nacht wird mit der Entscheidung der Abgeordneten gerechnet. ARD-Korrespondent Mike Lingenfelser berichtete, dass die entscheidende Abstimmung gegen Mitternacht zu erwarten sei. Die Sitzung des Parlaments beginnt um 18 Uhr deutscher Zeit.
Derzeit deutet vieles daraufhin, dass eine Mehrheit im Parlament die Pläne der Regierungs Tsipras unterstützt, obwohl sie in weiten Teilen jener Reformliste gleicht, die das griechische Volk am vergangenen Sonntag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hatte. Die größte Oppositionspartei, die Nea Dimokratia, teilte mit, dass sie zustimmen wolle. Ziel sei eine Einigung mit den Gläubigern, um Griechenland im Euro zu halten. Damit hätte Tsipras die notwendige Mehrheit sicher, auch wenn seine Regierungskoalition eine eigene Mehrheit verfehlen sollte.
Mehrere Abgeordneten aus den Reihen von Tsipras' Partei Syriza wenden sich gegen seine Reformliste. Fünf von ihnen erklärten, sie bevorzugten einen Abschied Griechenlands aus der Eurozone und lehnten ein Abkommen ab, das auf Einsparungen beruhe und keine Schuldenerleichterungen enthalte. Auch Energieminister Panagiotis Lafazanis kritisierte, dass die Reformvorschläge nicht vereinbar mit dem Syriza-Programm seien. Er wollte sich aber noch nicht dazu äußern, wie er im Parlament abstimmen werde. Bei der entscheidenden Abstimmung wird der am Montag zurückgetretene Finanzminister Yanis Varoufakis offenbar fehlen. Er kündigte dies über den Kurznachrichtendienst Twitter an und führte familiäre Gründe dafür an.