Umstrittenes EU-Konzept zur Abwicklung Entscheidung über Banken in Brüssel?
Lange hatte es gedauert, bis EU-Kommissar Barnier sein Konzept zur Bankenabwicklung vorlegte. Grund war Streit mit den Regierungen. Jetzt ist es da: Die Steuerzahler sollen nicht länger haften müssen und die Entscheidungen in Brüssel fallen. Aus Berlin kam ein klares Nein.
Gegen Widerstand aus Deutschland hat EU-Kommissar Michel Barnier einen Gesetzentwurf zur Abwicklung maroder Banken vorgelegt. Wegen des Streits wurde die Präsentation mehrfach verschoben.
Die EU-Kommission schlägt jetzt vor, die Entscheidungshoheit von den nationalen Behörden nach Brüssel zu übertragen. Der sogenannte einheitliche Abwicklungsmechanismus soll dafür sorgen, dass bei künftigen Bankenpleiten nicht länger der Steuerzahler haften muss. Die Banken selbst müssten die Verluste schultern, sagte Kommissionschef José Manuel Barroso.
Neues Gremium?
Nach Barniers Vorschlag wird ein neues Gremium mit Vertretern der EU-Kommission, der EZB und den nationalen Behörden geschaffen. Wenn es einen Warnhinweis über eine drohende Bankenpleite von der neuen zentralen Aufsicht bei der EZB gibt, soll das Gremium die Abwicklung der Bank vorbereiten. Ob und wie die betroffenen Bank dann tatsächlich geschlossen wird, will die EU-Kommission nach Empfehlung des Gremiums oder auf eigene Initiative selbst beschließen.
Barnier sagte, der Zentralbeschluss stelle sicher, dass die Binnenmarkt- und Beihilferegeln eingehalten würden. Die Krise erfordere eben "ein System, das rasche und effiziente Entscheidungen ermöglicht". Eine Vertragsänderung in Zukunft sei nicht auszuschließen, aber "wir haben eine jetzt eine Verantwortung".
Klares Nein von der Bundesregierung
Genau gegen diese Kompetenzübertragung wehren sich mehrere EU-Staaten - unter anderem Deutschland. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, der Kommissionsvorschlag "würde den Weg zur Bankenunion nicht beschleunigen, sondern verzögern". Barniers Vorschlag überschreite die Brüsseler Kompetenzen. Schon gestern hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble kritisiert, eine Entscheidungsmacht der Kommission über die nationalen Behörden sei mit den geltenden Verträgen nicht vereinbar - diese müssten also geändert werden.
Auch aus der deutschen Kreditwirtschaft kommt Kritik. "Wir lehnen die Schaffung einer europäischen Abwicklungsbehörde aus vielerlei guten Gründen entschieden ab", erklärte der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Gunter Dunkel. Auch der VÖB meint, dass für den Abwicklungsmechanismus zunächst die EU-Verträge geändert werden müssten.
Der Konflikt wird nun im Rat der Minister ausgetragen, auch das EU-Parlament muss dem Brüsseler Vorschlag zustimmen. Nach den Wünschen Barniers und Barrosos soll der Abwicklungsmechanismus für die Länder der Eurozone ab Januar 2015 angewandt werden.
Auch einheitlicher Abwicklungsfonds umstritten
Auch in einem weiteren Punkt ist Streit mit der Regierung in Berlin programmiert. Die Kommission will einen einheitlichen Bankenabwicklungsfonds schaffen, der durch Beiträge des Finanzsektors aufgebaut werden soll. Und dieser Fonds soll, wenn er mit bis zu 60 bis 70 Milliarden Euro innerhalb eines Jahrzehnts ausreichend gefüllt ist, die nationalen Fonds ersetzen. In letzter Konsequenz müssten dann Rücklagen deutscher Banken zur Rettung spanischer oder griechischer Banken angezapft werden.
VÖB-Chef Dunkel kritisierte, es sei indiskutabel, wenn die von den deutschen Kreditinstituten geleisteten Beiträge für die Rettung von Banken aus anderen Mitgliedstaaten herangezogen würden.
Wichtige Säulen den Bankenunion
Der Abwicklungsmechanismus und der Abwicklungsfonds sind zwei der drei Säulen einer künftigen Bankenunion, an der in der EU gebaut wird. Das Gerüst für die erste Säule, eine zentrale Bankenaufsicht, steht inzwischen. Sie soll ab 2014 ihre Arbeit aufnehmen und für eine stärkere Kontrolle der Banken durch nationale Aufseher sorgen, damit Probleme rechtzeitig erkannt werden.
Die EU-Länder hatten sich Ende Juni bereits auf gemeinsame Regeln für den Fall einer drohenden Bankenpleite geeinigt. Demnach müssen ab 2018 in erster Linie Aktionäre und Kunden für die Rettung maroder Banken aufkommen. Dies soll den Steuerzahler entlasten. Kleinsparer mit Einlagen bis 100.000 Euro sind im Fall einer Bankenkrise aber geschützt. Danach werden die Abwicklungsfonds angezapft. Erst am Schluss soll Steuerzahlergeld genutzt werden.