Angst vor Folgen der Schuldenkrise EU und IWF fordern mehr Kapital für Banken
Droht in Europa eine Bankenkrise als Folge der Schuldenkrise? Ja, glauben EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds. Sie schlugen Alarm und forderten mehr Kapital für die Geldhäuser. Auch Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich offen für eine Kapitalisierung der Banken und drängte auf schnelle Entscheidungen.
Die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) schlagen angesichts wachsender Schwierigkeiten europäischer Banken Alarm. Die Probleme der Branche erforderten sofortige Aufmerksamkeit, sagte IWF-Europa-Direktor Antonio Borges. Die Institute bräuchten mehr Kapital, um das Vertrauen in die Branche wiederherzustellen. Er nannte eine Größenordnung von 100 bis 200 Milliarden Euro. Das sei noch sehr, sehr wenig im Vergleich mit der Dimension der europäischen Kapitalmärkte und mit Blick auf die Ausstattung des europäischen Rettungsschirms EFSF.
Veränderte Lage seit Stresstest
Die Lage habe sich seit dem Banken-Stresstest im Juli verschlechtert, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Die Schuldenkrise in der Eurozone habe negative Folgen für die Banken. Die Banken hätten Probleme, sich kurzfristig Geld zu besorgen. Sie verfügten aber weiter über ausreichend Mittel und seien damit zahlungsfähig.
EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach sich für ein koordiniertes Vorgehen der Europäer aus, um das Bankensystem widerstandsfähiger zu machen. Er forderte, die Banken mit zusätzlichem Geld zu stabilisieren. "Die Kapitalpositionen europäischer Banken müssen gestärkt werden, um zusätzliche Sicherheitsspielräume zu schaffen und so die Unsicherheiten zu reduzieren", sagte Rehn der "Financial Times". Nach Angaben der EU-Kommission gibt es aber bislang keine konkreten Aussagen zur Frage, wieviel zusätzliches Kapital die Kreditinstitute benötigen.
Auch ist bislang unklar, wie genau die sogenannte Rekapitalisierung organisiert werden könnte. Denkbar wären vor allem Staatshilfen in verschiedener Form, wie sie teilweise im Zuge der Finanzkrise bereits gewährt wurden. Zugleich brachte die EU im Sommer aber auch neue Regeln auf den Weg, die die Banken zwingen sollen, riskante Geschäfte künftig mit mehr Eigenkapital abzusichern, das sie sich ohne staatliche Hilfe besorgen sollen. Auf diese Weise soll die Bankenbranche in Krisensituationen stabilisiert werden. Bis diese verschärften Vorgaben greifen, werden aber voraussichtlich noch Jahre vergehen.
Bundesregierung fordert klare Kriterien
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, dass die Bundesregierung bereitstehe, "wenn notwendig, eine solche Kapitalisierung der Banken durchzuführen". Sollte sich die gemeinsame Betrachtung ergeben, "dass die Banken nicht ausreichend kapitalisiert sind für die derzeitige Marktlage", sei sie für eine Rekapitalisierung offen, sagte Merkel. Aber die Kriterien dafür müssten von Experten entwickelt werden. "Wir brauchen einheitliche Kriterien. Ich denke die Zeit drängt. Und deshalb sollte das auch schnell entschieden werden."
Allerdings machte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums deutlich, dass zumindest die deutschen Banken aus Sicht der Bundesregierung derzeit keine Geldspitzen benötigten. Die Institute seien bei Eigenkapital und anderen Faktoren deutlich besser aufgestellt als noch 2008 in der Finanzkrise, sagte er. Es gebe momentan keine zusätzlichen Informationen, die Sorgen vor einer drohenden Schieflage deutscher Banken rechtfertigten.
Die Ängste vor einer Bankenkrise hatten in den vergangenen Wochen zugenommen. Vor allem die drohenden Verluste im Zusammenhang mit den Staatsanleihen hochverschuldeter Euro-Staaten machen einer Reihe von Geldhäusern zu schaffen. Auch untereinander vertrauen sich die europäischen Banken derzeit immer weniger. Anstatt sich untereinander Geld zu leihen, deponieren sie ihr Geld verstärkt bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Allein in der Nacht zum Mittwoch parkten sie mehr als 213 Milliarden Euro bei der EZB. Das war die höchste Summe seit Juli 2010.
Keine Anzeichen für Kreditklemme in Deutschland
Trotz der Schuldenkrise und der Entwicklung im Bankensektor müssen deutsche Unternehmen nach Einschätzung von Experten keine Kreditklemme befürchten. "Die aktuelle Lage am Unternehmenskreditmarkt in Deutschland kann weiterhin als gut bezeichnet werden", sagte der Chefvolkswirt der staatseigenen KfW-Bankengruppe, Norbert Irsch. Die positive Lage am Kreditmarkt hänge unter anderem damit zusammen, dass viele Banken ihre Kreditgeschäfte zunehmend ins Inland verlagert hätten. Der Kreditbestand deutscher Institute gegenüber ausländischen Unternehmen und Haushalten sei seit September 2008 um knapp 25 Prozent gesenkt worden.