Bundesweite Studie So klappt die Vier-Tage-Woche in den Unternehmen
Seit diesem Jahr testen 45 Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen in ganz Deutschland die Vier-Tage-Woche. Zwischen Euphorie und Überstunden: Wie klappt es inzwischen? Ein Unternehmen berichtet.
Ein Teppichreinigungsunternehmen, eine Baufirma, eine Marketingagentur - nur einige der Unternehmen, die an der bisher größten bundesweiten Studie zur Vier-Tage-Woche teilnehmen. Die "Vier-Tage" sind dabei aber eher ein Arbeitstitel. Denn wie und in welcher Form die Firmen ihre Arbeitszeit reduzieren, war von Anfang an ihnen überlassen.
Einige fahren das klassische Modell: freitags frei, für alle. Andere Unternehmen lassen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin fünf Tage arbeiten und machen dafür jede fünfte Woche komplett frei. Oder sie reduzieren die tägliche Arbeitszeit. Wie hat das die vergangenen Monate funktioniert?
So klappt es bei einem Reiseveranstalter
Bei Kootstra Schiffsreisen in Münster hängt seit Februar ein sehr bunter Dienstplan an der Wand des Büros, der an einen Flickenteppich erinnert. Das Unternehmen hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zwei Gruppen geteilt: Eine Hälfte hat montags, eine freitags frei. Das Büro ist seitdem deutlich leerer. Und: Sie mussten ihre telefonischen Öffnungszeiten verkürzen, um produktiver arbeiten zu können.
"Es hat jeder so individuell seine Höhen und Tiefen gehabt", erzählt Geschäftsführer Julius Gräler im fünften Monat des Projekts. Er war von Anfang an überzeugt davon, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren und wollte es unbedingt in seinem Unternehmen ausprobieren.
Der Reiseveranstalter organisiert Schiffs- und Radreisen, vor allem in den Niederlanden. Jetzt, kurz vor den Sommerferien, sind sie in der heißen Phase. Dann kam noch das Hochwasser der Donau dazu, was viele ihrer Reisen betroffen hat. Die Vier-Tage-Woche sei deshalb nicht nur positiv gewesen. "Sie hat auch dafür gesorgt, dass Mitarbeiter Stress hatten, weil über ihren freien Tag viel Arbeit liegengeblieben ist", so Gräler.
Feedback von Gästen und Angestellten positiv
Auf die Frage, ob es sich unter dem Strich dennoch gelohnt habe, ist die Antwort des Geschäftsführers aber eindeutig: "Man kann schon erkennen, dass die Leute sich etwas ausgeruhter fühlen, dass sie subjektiv keine Probleme mit der verkürzten Arbeit haben, um ihre Arbeit zu schaffen." Die Angestellten hätten nicht mehr Überstunden, die Produktivität sei gleich geblieben und auch das Feedback von den Gästen sei positiv.
Auch 80 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden das Projekt als Erfolg bewerten, sagt Gräler. Und auch, wenn es für ihn als Chef einen Mehraufwand in der Organisation bedeute, will er die Vier-Tage-Woche nach Ende des Projekts fortführen.
Arbeitnehmer wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten
Julia Backmann von der Uni Münster wertet die Studiendaten aus: Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen führen regelmäßig Gespräche in den Unternehmen. Außerdem tragen Freiwillige Fitness-Uhren, die ihren Puls und beispielsweise ihre Schlafqualität messen. So verhältnismäßig reibungslos wie bei Kootstra in Münster laufe es nicht überall, sagt Backmann. So viel kann sie schon sagen - auch wenn die Daten noch nicht offiziell ausgewertet seien.
"Uns interessiert vor allem die Mitarbeitenden-Perspektive", erzählt die Forscherin. "Viele von ihnen sehen die Vier-Tage-Woche positiv, andere bleiben aber skeptisch. Wenn zum Beispiel für den freien Tag jeden Tag eine Stunde länger gearbeitet wird, dann empfinden das manche, je nach Branche, als sehr belastend." Ihr Fazit: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen ihre Arbeitszeit zwar flexibler gestalten, aber nicht zwangsläufig auf vier Tage verteilt.
Chance im Kampf gegen Fachkräftemangel
Und auf Unternehmensseite? Da habe sie beobachtet, dass die vereinbarte reduzierte Arbeitszeit nicht immer von allen eingehalten werden konnte und die Umstellung einigen Firmen sehr schwer fiel, berichtet Backmann. Je nach Branche, Größe oder Unternehmenskultur. Allerdings habe sich auch ein großer Vorteil ergeben: "Wenn die Unternehmen damit geworben haben im Rahmen einer Stellenausschreibung, dann ist die Anzahl der Bewerbungen deutlich gestiegen. Und das bei gleicher Qualität der Bewerbungen."
Ein eindeutige Chance, denn der Fachkräftemangel hatte viele Unternehmen erst dazu gebracht, an der Studie teilzunehmen. Backmann gibt sich vorsichtig optimistisch. Eine Vier-Tage-Woche sei nicht für jedes Unternehmen passend, aber für viele könnte es Vorteile haben. Im Herbst sollen die Ergebnisse der Studie endgültig auswertet werden.