Abschied von Isar 2 "Wir hängen an der Anlage"
Nach 35 Jahren ist am Samstag Schluss mit Isar 2, dann werden die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet. Ein Besuch am letzten regulären Arbeitstag zeigt, wie schwer den Mitarbeitern der Abschied fällt.
Morgens kurz vor 8 Uhr: Ein letztes Mal hat sich das Leitungsteam des Kernkraftwerks Isar 2 zur werktäglichen Frührunde versammelt. Auch Kraftwerkleiter Carsten Müller ist gekommen. Die Stimmung ist gedrückt. "Ich denke, es ist für uns alle ein bewegender Moment", sagt er zu seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 35 Jahre lang habe das Kernkraftwerk Bayern mit Strom versorgt. "Das geht jetzt zu Ende."
Isar-2-Werksleiter Carsten Müller (r.) bei einer Besprechung mit einem Mitarbeiter
Mehr als 400 Milliarden Kilowattstunden hat das Kraftwerk in den vergangenen Jahrzehnten produziert - Strom für über drei Millionen Haushalte. Sie sind hier stolz auf ihr Kraftwerk, das nach Angaben des Betreibers PreussenElektra in der kompletten Laufzeit keinen einzigen Störfall hatte.
"Wenn wir morgen nach 35 Jahren das hier beenden, können Sie sicher verstehen, dass es mir gerade nicht besonders gut geht", sagt Müller. Er und seine Mitarbeiter würden an der Anlage hängen. Die Abschaltung morgen sei für ihn ein "ganz schwerer Schritt".
Kurz vor Mitternacht wird ein roter Knopf gedrückt
Noch einmal besucht der Werkleiter die Leitwarte des Kraftwerks. Von hier aus wird am Samstag der Abschaltprozess gesteuert. Gegen 22 Uhr wird der Isar 2-Reaktor dann nach und nach heruntergefahren. Sogenannte Steuerstäbe werden langsam in den Reaktorkern geschoben. Minütlich sinkt dann die Leistung.
Nach der Trennung vom Netz, wird ein Mitarbeiter der Warte kurz vor Mitternacht den roten Knopf mit der Aufschrift "ReSA" drücken - das steht für Reaktorschnellabschaltung. Im Laufe des Sonntags soll der Kühlturm aufhören zu dampfen.
Der rote Knopf - damit wird am Samstag Isar 2 heruntergefahren.
Söder fordert Atom-"Revival"
Für die Belegschaft beginnen dann schon die Vorbereitungen für den Rückbau. Auch wenn Ministerpräsident Markus Söder am Donnerstag angekündigt hat, diesen hinauszögern zu wollen.
Die bayerische Staatsregierung werde als Genehmigungsbehörde alle rechtlich möglichen Spielräume nutzen, um die Zeitachsen nicht zu beschleunigen, sagte Söder bei einem Besuch im Atomkraftwerk. Und ein späteres "Revival" der Kernenergie gefordert.
Mitarbeiter werden für Rückbau gebraucht
Ein Hebel könnte dabei die Rückbaugenehmigung sein, die erst noch vom bayerischen Umweltministerium erteilt werden muss. Im Werk erwarten sie diese für Ende des Jahres. Trotz Söders Vorstoß bleibt Werkleiter Müller aber zurückhaltend. "Wir werden uns jetzt auf den Rückbau einstellen", sagt Müller. Die rund 450 Mitarbeitenden werden dafür weiter gebraucht.
Trotzdem ist auch bei der Belegschaft der Leitwarte die Enttäuschung groß. Andreas Hilgärtner ist Chef des Warten-Teams. Er bedauert, dass ein Kraftwerk, das jahrelang eine "super Performance" hingelegt habe, aus politischen und ideologischen Gründen in den "Vorruhestand" geschickt werde. Mit Blick auf Samstag werde ihm mulmig, sagt Hilgärtner.
Werkleiter Carsten Müller möchte, dass die letzten Stunden professionell zu Ende gebracht werden. "So, wie wir das die ganze Zeit gemacht haben."
Die tagesthemen vor Ort senden heute um 22.15 Uhr live vom Gelände des Atomkraftwerks Isar 2.