Debatte um Atomkraft-Ausstieg "Koalition wird zur Kohlekoalition"
Der Ausstieg ist beschlossen: Am 15. April werden die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Dennoch mehren sich Forderungen - insbesondere aus Union und FDP - die AKW länger am Netz zu lassen.
Die befürchtete Energiekrise in Deutschland ist ausgeblieben. Wirklich sicher ist die Versorgung mit Strom und Gas aber immer noch nicht, befürchten Wirtschaftsverbände. "Ausfälle oder Einschränkungen bei der Energieversorgung sind ein bislang unbekanntes Risiko und ein Standortnachteil", warnt der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, in der "Rheinischen Post". Die noch verbliebenen Kernkraftwerke sollten deshalb "bis zum Ende der Krise weiterlaufen."
Spahn zum 15. April: "Schwarzer Tag für Klimaschutz"
Und auch die Union sieht mit Sorge auf den Stichtag, an dem die letzten drei deutschen AKW vom Netz gehen. "Es ist ein schwarzer Tag für den Klimaschutz in Deutschland", meint CDU-Fraktionsvize Jens Spahn bei RTL/ntv. Er argumentiert dabei aber nicht mit Zweifeln an der Versorgungssicherheit mit Strom und Gas, sondern mit der Klimabelastung, die durch Kraftwerke entsteht, die in der Energieproduktion an die Stelle der Atommeiler treten.
Verantwortlich dafür sei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der den Atomausstieg zuletzt noch einmal für unumkehrbar erklärt hatte. "Dieser grüne Klimaminister lässt lieber Kohlekraftwerke laufen - den Klimakiller schlechthin, CO2-Dreckschleudern - als klimaneutrale Kernkraftwerke. Mit dieser Entscheidung, mit diesem Ende der drei Kernkraftwerke wird diese Koalition endgültig zur Kohlekoalition."
Göring-Eckardt: Kernkraft teuer und gut ersetzbar
Katrin Göring-Eckardt blickt ganz anders auf das Ende der letzten Atomkraftwerke. Kernkraft sei teuer, durch Erneuerbare Energien gut zu ersetzen und habe auch im vergangenen Krisenwinter schon keine nennenswerte Rolle mehr gespielt, so die Bundestagsvizepräsidentin der Grünen im MDR. Ihre Bewertung des Ausstiegsstichtags am 15. April ist deshalb eindeutig: "Das ist ein guter Tag für die Sicherheit der Bevölkerung, für die Sicherheit der Energieversorgung - und vor allem auch für die Zukunft."
Auch das Argument, in den Nachbarstaaten werde doch weiter auf Kernkraft gesetzt, zieht für Göring-Eckardt nicht. Das Beispiel Frankreich zeige, dass von Energiesicherheit durch Atommeiler keine Rede sein könne: "Erstens, weil die Atomkraftwerke alt sind. Zweitens, weil sie immer gekühlt werden müssen im Sommer." Man habe im vergangenen Sommer sehr gut gesehen, dass nicht genug Wasser in den Flüssen gewesen sei, so dass die Atomkraftwerke nicht gekühlt werden konnten. "Also haben wir Strom exportiert. Wir sollten uns nicht weiter in eine solche Abhängigkeit begeben", so Göring-Eckardt.
Inhaltliche Nähe zur FDP
Auch CDU und CSU würden anders entscheiden als die Bundesregierung, sagt CDU-Fraktionsvize Spahn: "Wenn wir regieren würden, würden diese Kernkraftwerke bis Ende nächsten Jahres mindestens laufen. Sie sind klimaneutral. Sie sind sicher. Und ja: Das, was noch an zusätzlichem Müll anfiele, ist in Relation zu dem, was schon da ist, überschaubar."
Brisanz bekommt Spahns Äußerung durch ihre inhaltliche Nähe zur Position des Ampelkoalitionspartners FDP. Auch die Liberalen würden die Atomkraftwerke gerne weiterlaufen lassen. "Wir sollten die Chancen neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung und Kernfusion ergebnisoffen diskutieren", meint FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Deutschland müsse wegkommen "von einer Energiepolitik, die auf Kante genäht ist."