Energiekrise Kabinett billigt AKW-Weiterbetrieb
Die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland sollen bis zum 15. April 2023 weiterlaufen können. Dafür hat sich das Kabinett ausgesprochen. Bis Ende November sollen nun auch Bundestag und Bundesrat zustimmen.
Das Bundeskabinett hat die rechtliche Grundlage für einen Weiterbertrieb der verbliebenen drei deutschen Atomkraftwerke bis zum 15. April kommenden Jahres auf den Weg gebracht - und damit für die Verschiebung des Atomausstiegs gestimmt. Die Minister billigten die dafür nötige Änderung des Atomgesetzes. Nun ist der Bundestag am Zug, der in der zweiten Novemberwoche darüber debattieren und abstimmen soll. Der Bundesrat würde sich dann voraussichtlich in seiner regulären Sitzung am 25. November - oder noch etwas früher in einer Sondersitzung - mit den Plänen befassen.
Der Kabinettsentscheidung voraus ging ein Machtwort von Kanzler Olaf Scholz. Für die Ministerinnen und Minister ist die Entscheidung des Kanzlers verbindlich - nicht aber für die Ampel-Fraktionen im Parlament.
Erst Streit, dann Machtwort
Gemäß der derzeit gültigen Gesetzeslage war die Abschaltung der drei verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland bisher für Ende dieses Jahres geplant. Mit Blick auf die Netzstabilität und Versorgungssicherheit hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck auf Basis der Ergebnisses eines Stresstests geplant, zwei der drei Atomkraftwerke als Reserve bis zum April vorzusehen. Die FDP hatte dagegen auf eine deutliche Laufzeitverlängerung aller drei Reaktoren gedrängt. Das Thema hatte in den vergangenen Wochen für heftigen Streit zwischen Grünen und FDP gesorgt.
"Vier Minuten" bis zum Beschluss
Sie habe die Novelle für das Atomgesetz nun gemeinsam mit ihrem Parteikollegen, Wirtschaftsminister Habeck, ins Kabinett eingebracht, sagte Umweltministerin Steffi Lemke nach dem Kabinettstreffen bei einem Statement vor dem Kanzleramt. Damit werde einerseits festgelegt, dass der Atomausstieg bis Mitte April abgeschlossen sein werde. In der Zwischenzeit erhielten die drei Atomkraftwerke "übergangsweise die Erlaubnis, im Leistungsbetrieb zu verbleiben, um für eine potenzielle Krisensituation im kommenden Winter auch noch weiter Strom produzieren zu können." Verbunden mit der geplanten Gesetzesänderung sei andererseits auch, dass keine neuen Brennelemente beschafft werden dürften.
Der geplante sogenannte Streckbetrieb werde helfen, zeigte sich Habeck überzeugt. Mit Blick auf den kommenden Winter sei er "sehr zuversichtlich, dass wir eine andere Situation vorfinden werden." Dann sei der Aufbau einer alternativen Gasinfrastruktur an den norddeutschen Hafenstandorten vorangegangen - "sodass wir dann im nächsten Winter einen Gutteil der weggefallenen Leistung von Nord Stream 1 ersetzt haben werden."
Auf die Frage eines Journalisten, wie schnell der heutige Beschluss zur geplanten Gesetzesänderung durchgegangen sei, sagte Lemke: "vier Minuten". Habeck fügte hinzu: "Ja, maximal vier Minuten." Es habe keine Diskussion gegeben und sei vorher klar gewesen, dass der Beschluss gefasst werde, so Lemke.
Nun kommt es auf die Parlamente an
Theoretisch hätte der Gesetzentwurf sogar noch diese Woche in den Bundestag eingebracht werden können, allerdings haben sich die Abgeordneten dagegen entschieden. Sie wollen stattdessen in der ersten Sitzungswoche im November ein reguläres Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen - mit einer Experten-Anhörung, auch um möglichen Klagen vorzubeugen.
Nach der Entscheidung im Bundestag müssten noch die Länder zustimmen. Dazu könnte es eine Sondersitzung des Bundesrats Mitte November geben. Ansonsten entscheidet das Länderparlament in der regulären Sitzung Ende November. Erst dann haben die AKW-Betreiber endgültige Rechtssicherheit.