Kommentar Tschechien ist komplett blamiert
Nach dem tschechischen Misstrauensvotum gegen den Premier und EU-Ratspräsidenten Topolanek nur Verlierer: Opposition und Koalitionsrenegaten folgten plump und ohne Rücksicht auf Verluste ihrem Rachedurst.
Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag
Die tschechische Gelassenheit ist eigentlich etwas Wunderbares. Die Devise lautet immer: Alles halb so wild, es hätte ja viel schlimmer kommen können.
Das stimmt diesmal nicht. Kaum zu fassen, was die tschechische Opposition in trauter Harmonie mit einigen Abgeordneten aus dem Regierungslager da bewerkstelligt hat: Gründlicher hätten sie ihr Land nicht blamieren können.
Rachegelüste ausgelebt
Natürlich hatte jeder der Beteiligten seinen ganz persönlichen Grund, Ministerpräsident Mirek Topolanek zu stürzen: Seine Regierung ist Schuld am Niedergang des tschechischen Justizsystems, ist da zu hören. Sie hat die Wirtschaftskrise verschlafen. Der Lissabon-Vertrag muss unbedingt begraben werden - oder ganz schlicht: Topolanek ist ein arroganter Aufschneider.
Das Misstrauensvotum war ein persönlicher Rachefeldzug ohne Rücksicht auf das eigene Land oder gar die Folgen für die Europäische Union. Die guten Argumente gegen den Sturz spielten in der Debatte kaum eine Rolle. Erstens: Zu Topolanek gibt es im Moment keine Alternative. Zweitens: Eine solche Aktion mitten in der Ratspräsidentschaft ist für das Image Tschechiens ein Fiasko.
Venebelter Blick, zornige Bürger
Die innenpolitischen Grabenkämpfe haben den Blick einiger Akteure offenkundig vernebelt. Allen voran: die Sozialdemokraten, die größte Oppositionspartei. Ihre Umfragewerte waren in den vergangenen Monaten so gut - sie hätten nur in aller Ruhe das schlechte Ergebnis von Topolaneks Bürgerdemokraten bei den Europawahlen im Juni abwarten und dann zur Tat schreiten müssen.
Gewonnen haben Topolaneks Gegner nun überhaupt nichts, im Gegenteil: Ihre Umfragewerte sinken, denn die Tschechen sind zu Recht sauer. Und der Lissabon-Vertrag, den die Sozialdemokraten als einzige glühende Verfechter der europäischen Integration im Land unterstützen, hat nur noch geringe Chancen, je ratifiziert zu werden.
Nicolas Sarkozy hat also Recht behalten: Der Französische Präsident wurde nie müde, gegen Tschechien zu sticheln. Wenig hat die Tschechen in jüngster Zeit so aufgebracht, wie seine Unterstellung, ein so kleines Land sei einer Ratspräsidentschaft in Krisenzeiten nicht gewachsen. Die tschechische Misere hat dieses Vorurteil nun trefflich bestätigt.
Nur der "président terrible" gewinnt
Gewonnen hat dadurch nur einer: Vaclav Klaus, Europas "président terrible". Ihm stehen jetzt alle Möglichkeiten offen, das Land in die Richtung zu steuern, die ihm genehm ist: auf Konfrontationskurs mit der Europäischen Union. Alle Augen richten sich auf den Prager Burgherrn. Das ist die Rolle, in der er sich am besten gefällt. Und seine Trümpfe hat er längst nicht alle ausgespielt.
Keine guten Nachrichten aus Prag. Vielleicht haben die Tschechen ja Recht, wenn sie jetzt sagen, es könnte doch alles noch viel schlimmer kommen.
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