QAnon-Anhänger in den USA bei einer Versammlung der Republikaner
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Influencer in der Verschwörungsszene Der Deutsche und der QAnon-Kult

Stand: 31.07.2024 11:36 Uhr

Die Anhänger des QAnon-Kults verehren Donald Trump als Heilsbringer und Erlöser. "Lion Media" ist einer der größten Kanäle der deutschsprachigen Verschwörungsszene. Mehr als 140.000 Menschen folgen ihm auf Telegram. Wer steht hinter dem Kanal?

Von Helene Fröhmcke und Florian Flade, WDR

Für all jene, die an die Verschwörung glauben, ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump ihr Messias. Ein Heilsbringer, der die Welt angeblich vom Bösen befreien soll, von vermeintlichen pädophilen Eliten und dunklen Geheimbünden, die im Hintergrund die Strippen der Weltpolitik ziehen sollen. Entsprechend bewerteten sie das gescheiterte Attentat auf Trump von Mitte Juli als einen Teil dieser großen Verschwörung, die sich hinter dem Begriff QAnon verbirgt. Einem bizarren Kult, den manche als Internet-Sekte bezeichnen, und der während der ersten Amtszeit Trumps entstanden ist.

Nach Recherchen des WDR steckt hinter einigen der derzeit einflussreichsten Social-Media-Kanälen der Verschwörungsszene ein junger Mann aus Deutschland, der öffentlich völlig unbekannt ist - sich allerdings zu einem der bedeutendsten Influencer der QAnon-Szene entwickelt hat. Sein Name ist Leonard Z., er ist Mitte 20 und offenbar verdient er mit dem Kult um den Verschwörungsmythos inzwischen auch Geld.

Die ersten Videos hat Z. offenbar im November 2018 hochgeladen. Damals sprach ein junger Mann in monotonem Tonfall auf Bilder zu Gelbwestenprotesten in Frankreich. Fünf Jahre später erreicht sein Kanal "Lion Media" zahlreiche Menschen: Auf Telegram sind es 140.000 Follower, auf YouTube haben den Kanal derzeit mehr als 180.000 Menschen abonniert.

Gegenüber dem WDR wollte sich Leonard Z. nicht zu seinen Aktivitäten in der QAnon-Szene äußern. Mehrere schriftliche Anfragen ließ er unbeantwortet.

"Globalisten", "Deep State" und "geplante Klimakatastrophe"

Wer ist der Kopf hinter dem Verschwörungskanal? Nach Recherchen des WDR ist Leonard Z. in der Nähe von Frankfurt zur Schule gegangen und bezeichnet sich selbst als Journalist. In einem Video sagt er: "Ich bin kein ausgebildeter Journalist und kein Politiker, sondern ein junger Mann, der seine Heimat liebt und seine Suche nach der Wahrheit mit euch allen teilt."

In seinen Videos verbreitet Leonard Z. zahlreiche verschwörungserzählerische Chiffren, die Sicherheitsbehörden der Verschwörungsideologie QAnon-Ideologie zuordnen. Die Rede ist von "Globalisten", vom "Deep State", von der "geplanten Klimakatastrophe", der "Impf-Versklavung" und einer angeblichen "Weltregierung". Viele dieser Begriffe, so ist es immer wieder in Berichten des Verfassungsschutzes zu lesen, beinhalten auch antisemitisch gefärbtes Gedankengut.

QAnon - Die geheime Elite, die die Welt regiert?

"QAnon ist der Name einer Online-Subkultur, die im Internet breit gestreut auf unterschiedlichen Plattformen Verschwörungserzählungen mit Bezügen zum Antisemitismus, zum Rechtsextremismus und zur verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates verbreitet", so beschreibt es der Verfassungsschutz, der einige Anhänger des Kults auch beobachtet.

Zu den antisemitischen Mustern, die sich bei QAnon wiederfinden, gehören Falschbehauptungen über die jüdische Bankiersfamilie Rothschild als Teil einer "weltregierenden Elite", so die Bundeszentrale für politische Bildung. Auch bei Z. Spätestens 2018 fand der Mythos auch in soziale Netzwerke in Deutschland. Ausgangspunkt waren anonyme Internetpostings eines gewissen "Q", der vorgab, ein hochrangiger Regierungsbeamter mit Zugang zu Geheimwissen zu sein.

QAnon-Anhänger auch beim Sturm aufs US-Kapitol dabei

In den USA waren QAnon-Jünger am gewaltsamen Sturm auf das US-Capitol in Washington D.C. am 6. Januar 2021 beteiligt. Weltweit tauchten Anhänger des Kults bei Protesten gegen die Anti-Corona-Maßnahmen auf - auch in Deutschland. Eine wichtige Rolle soll die QAnon-Ideologie nach Erkenntnissen der Ermittler auch im Zusammenhang mit der sogenannten "Gruppe Reuß" gespielt haben, deren mutmaßliche Mitglieder sich an drei Oberlandesgerichten wegen der Vorwürfe der Gründung einer terroristischen Vereinigung und eines "hochverräterischen Unternehmens" gegen den Staat verantworten müssen.

In den vergangenen Jahren verschwand QAnon dennoch etwas aus der öffentlichen Wahrnehmung. Zwar gibt es seit Jahren keine neuen Beiträge mehr von "Q". Doch die Szene und die Ideologie, die dahintersteckt, hat sich verfestigt - auch dank zahlreicher Online-Kanäle wie "Lion Media". "Die Szene ist immer noch lebhaft", meint Josef Holnburger, Politikwissenschaftler am Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Durch Kanäle wie "Lion Media" werde ein "verschwörungsideologisch geschlossenes Weltbild" angeboten.

Holnburger hält die QAnon-Ideologie durchaus für gefährlich und warnt davor, sie zu unterschätzen. Immer wieder würden deren Anhänger Gewalt- und Vernichtungsfantasien gegen politische Gegner thematisieren, jedes Großereignis, jeder Krieg, jede Katastrophe werde in dieser Szene als vermeintlich geheimer Plan einer global agierenden Elite interpretiert. Unter den Anhängern gebe es Personen, die sich durch bestimmte Ereignisse motiviert fühlen könnten, Gewalttaten zu verüben, meint der Extremismus-Experte.

Trump, Putin und die Propaganda

Als die QAnon-Ideologie entstand, soll Leonard Z. seinen Freiwilligendienst in Hessen absolviert haben. Ehemalige Mitarbeiter an seinem Einsatzort erinnern sich, dass er schon damals viele Videos geschaut und Notizen für seinen YouTube-Kanal gemacht haben soll. So sei bei ihnen der Eindruck entstanden, dass er sich damals mit der Politik in den USA intensiv auseinandergesetzt habe.

Seitdem sind über 400 Videos auf seinem Telegramm-Kanal erschienen. Immer wieder taucht auch der Mythos der angeblich gestohlenen Wahl auf. Trump, der im Herbst 2021 gegen Joe Biden als Präsidentschaftskandidat unterlegen war, hatte diesen Mythos mit seinem Team selbst bei einer Pressekonferenz in die Welt gesetzt, bei dem es um den inzwischen vielfach widerlegten Vorwurf der angeblichen Wahlmanipulation ging.

Ein ehemaliger Bekannter von Z. berichtete dem WDR, Leonard Z. halte nicht nur Trump für einen Erlöser, sondern auch Putin. Auf seinem Kanal verbreitet "Lion Media" tatsächlich auch Propaganda, die russlandfreundlichen Narrativen folgt und Putin in einer ähnlichen Erlöserrolle präsentiert. Die Titel der Videos lauten: "Wie Putin den Kanzler kontrolliert", "Wie Putin Europa auf die Knie zwingt" und "Wie Russland gegen den Westen gewinnen wird". Am Ende seiner Videos bedankt sich Z. bei seiner Community und fordert sie zu Spenden auf, etwa mittels Krypto-Währung. Wie hoch seine Einnahmen daraus sind, ist unbekannt.

Er lebt vom Verschwörungsmythos

Das Geschäft mit der Verschwörungsideologie läuft offenbar so gut, dass er 2022 eine Firma gründete, die Loewenherz Media. Sie ist in Florida an einer Adresse registriert, die man offenbar per Formular im Internet erwerben kann, ohne tatsächlich einen Firmensitz dort zu haben. Ob dies bei Z. auch der Fall ist, ist unklar. Und auch welchen Zweck die Firma in den USA eigentlich hat, ob es etwa steuerliche Gründe gibt. Fragen hierzu ließ er, wie alle anderen auch, unbeantwortet.