Greenwashing bei ETF Das grüne Versprechen
Viele als nachhaltig beworbene Geldanlagen enthalten Firmen, die in der Rüstungs- oder Ölindustrie tätig sind. Das zeigen SWR-Recherchen. Dabei gibt es EU-weite Tranzparenzregeln. Warum funktioniert das Greenwashing dennoch?
Krieg, Inflation, Pandemie: Menschen, die bislang nicht viel mit der Finanzwelt, geschweige denn dem Aktienmarkt zu tun hatten, suchen nach Lösungen, mit den jüngsten Krisen umzugehen und ihr Geld möglichst sicher anzulegen. Das Zauberwort: ETF (Exchange Traded Funds). Das Versprechen: Hier kann unkompliziert in eine Vielzahl von Unternehmen Geld anlegt werden - vergleichsweise günstig und mit gestreutem Risiko. Doch nicht nur die Nachfrage nach ETF steigt. Immer mehr Menschen legen auch Wert darauf, das eigene Geld "nachhaltig"anzulegen, das Volumen nachhaltiger Fonds war 2021 knapp 20 Mal größer als noch zehn Jahre zuvor.
Das grüne Geschäft boomt
"Das Geschäft mit der nachhaltigen Geldanlage boomt. Damit wird eine Menge Geld verdient", sagt Thomas Küchenmeister im VOLLBILD-Interview. Er ist Vorstand der NGO Facing Finance, die sich für mehr Transparenz in der Finanzwelt einsetzt. Etliche Banken in Deutschland werben mittlerweile für nachhaltige Geldanlagen. Die Commerzbank etwa spricht von "Investitionen in die Zukunft", die Berliner Sparkasse bringt Wörter wie "Sinnvestieren" ins Spiel, und die HypoVereinsbank hat sich mit den Sportstar Felix Neureuther für ihre aktuelle Kampagne eingekauft: "Verdienen und Gutes tun, das klingt doch nicht schlecht", appelliert er im aufwändig produzierten Werbespot.
In einer mehrere Monate andauernden Recherche für das Investigativformat VOLLBILD hat ein SWR-Reporter in einem verdeckten Selbstversuch mehrere Beratungs- und Informationsgespräche mit der HypoVereinsbank, der Berliner Sparkasse und der Commerzbank zu nachhaltigen ETF geführt und die Empfehlungen umfassend ausgewertet.
Die Auswertung zeigt: Alle ETF, die dem SWR-Reporter in den Beratungsgesprächen als "nachhaltig"empfohlen wurden, sind durch große Rüstungsunternehmen belastet. Ein ETF, der im Beratungsgespräch von der HypoVereinsbank empfohlen wurde, beinhaltet MTU Aero Engines. Das Unternehmen stellt unter anderem Triebwerke für den Kampfjet Eurofighter her, den Saudi-Arabien im Jemen-Krieg zum Einsatz gebracht haben soll.
Öl, Gas, umstrittenes Fracking
Die Auswertung zeigt auch, dass die beworbenen ETF durch Unternehmen belastet sind, die Öl und Gas - auch durch umstrittene Methoden, wie etwa Fracking - fördern.
Obwohl die Deka Unternehmen, die Umsätze durch Fracking erzielen, nach ihren eigenen Richtlinien aus ihren nachhaltigen Fonds ausschließt, findet sich dort das Energieunternehmen Repsol. Die Auswertung einer Datenbank zur Erfassung von Fracking-Aktivitäten zeigt: Im Jahr 2022 wurden bei einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft von Repsol mindestens 20 verschiedenen Fracking-Aktivitäten erfasst. Besonders häufig taucht nach SWR-Informationen der Energiekonzern TotalEnergies in vermeintlich nachhaltigen Geldanlagen auf. Das Unternehmen ist auch Teil eines von der Commerzbank als nachhaltig beworbenen ETF der Investmentgesellschaft Fidelity.
Der Konzern beteiligt sich derzeit am Bau der längsten beheizten Rohölpipeline der Welt, die 1443 Kilometer quer durch Tansania verlaufen soll. Ab 2025 sollen dort täglich 216.000 Barrel Öl gefördert werden. Die Energieproduktion soll bis 2030 um 30 Prozent erhöht und 80 Prozent der Umsätze dann aus Öl und Gas gewonnen werden, teilte TotalEnergies auf eine SWR-Anfrage mit.
Begriffliche Schwierigkeiten
Ein Grund für die Ergebnisse der Recherche: Nachhaltigkeit ist kein genau definierter Begriff und nur schwer messbar. Deshalb nutzt die Finanzbranche als Kriterium "ESG", eine Abkürzung für Environment (= Umwelt), Social (= Sozial) und Governance (= Unternehmensführung). Auch wenn der ESG-Begriff in Beratungsgesprächen der Banken mit Nachhaltigkeit gleichgesetzt wird, ist das ein Trugschluss.
Denn Ratingagenturen untersuchen Unternehmen in Hinblick auf ESG-Kriterien und messen daran, ob ein Konzern "nachhaltig"ist oder nicht. "Das Problem ist, dass diese Ratings sehr unterschiedlich arbeiten. Es kann also sein, dass ein Unternehmen ganz unterschiedliche Ergebnisse je nach Ratingagentur erzielt", erklärt die unabhängige ESG-Beraterin Viola Raddatz gegenüber VOLLBILD.
Die Fondsgesellschaften, die darüber entscheiden, welche Unternehmen in einen ETF aufgenommen werden, arbeiten mit diesen Ergebnissen der Ratingagenturen. "Das wissen natürlich auch die Unternehmen und sorgen dafür, dass die Daten möglichst Rating-freundlich aufbereitet sind", erklärt Raddatz. "So können Unternehmen als nachhaltig durchgehen."
Lasches EU-Regelwerk
Die EU hat mit der "Taxonomie-Verordnung" ein Regelwerk auf den Weg gebracht, das nachhaltige Geldanlagen an konkrete Vorgaben knüpfen soll. Ziel sei es unter anderem, "Grünfärberei zu verhindern", erklärt die EU-Kommission auf VOLLBILD-Anfrage. Seitdem zuletzt jedoch Gas- und Atomenergie als taxonomiekonform erklärt wurden, steht die Taxonomie in der Kritik. Auch das Bundesfinanzministerium kritisiert diese Entscheidung der EU gegenüber VOLLBILD: "Aus unserer Sicht könnte die Taxonomie durch die Aufnahme der Atomkraft einiges an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz verlieren", teilt das Ministerium mit.
Teil des Problems: Die Verantwortung bei nachhaltigen Geldanlagen werde immer ein Stück weitergereicht, erklärt ESG-Beraterin Raddatz. Das zeigen auch die Reaktionen der Verantwortlichen: Mit den Rechercheergebnissen des SWR konfrontiert, verweist die Berliner Sparkasse auf den hauseigenen Fondsanbieter Deka. Der weist die Vorwürfe zurück und sieht die Ratingagentur in der Verantwortung. Die Commerzbank teilt mit, sie richte sich nach EU-Vorgaben. Die HypoVereinsbank geht auf keine der gestellten Fragen ein und teilt stattdessen mit, dass der vom SWR untersuchte ETF seit Anfang August nicht mehr als nachhaltige Geldanlage angeboten würde, da die Bank inzwischen strengere Nachhaltigkeitskriterien definiert habe. Welche das sind, wird nicht gesagt.
Fehlende Transparenz
Thomas Küchenmeister von Facing Finance kritisiert die fehlende Transparenz bei als nachhaltigen beworbenen Anlagen: "Banken tun zu wenig, um diese Überforderung den Leuten zu nehmen, um transparent und offen zu sagen: 'So, hier, in diesem Nachhaltigkeitsfonds ist leider noch ein bisschen Öl drin und noch ein bisschen Waffe und noch ein bisschen Ausbeutung. Wäre das okay für dich?' So machen sie das aber nicht, sondern sie kaschieren das alles." Momentan müssen Anlegerinnen und Anleger weiterhin genau ins Kleingedruckte schauen und bei Beratungsgesprächen kritische Fragen stellen.
Der Film "ETF-Lüge: Geld anlegen - so tricksen Banken bei nachhaltigen ETF" ist abrufbar unter www.youtube.de/vollbild und in der ARD-Mediathek.