Grüne Fonds Greenwashing-Verdacht bei Geldanlagen
Viele Fonds werben mit dem Nachhaltigkeitslabel ESG für angeblich besonders umweltschonenden Finanzanlagen. Doch dahinter stecken oft "schmutzige" Geschäfte, wie eine neue Studie zeigt.
Der Name des Fonds klingt vielversprechend: Xtrackers MSCI Europe Energy ESG Screened ETF - eine Investition in die Energiebranche also - mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeit. Das klingt nach Windenergie, Solarenergie oder vielleicht Wasserstoffprojekten.
Das ESG im Namen des Fonds steht für "Environment, Social, Governance" (in etwa: Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Mit diesem Label werden Fonds versehen, die Geld angeblich besonders nachhaltig anlegen, also in Unternehmen investieren, die besonders umweltfreundlich oder sozial wirtschaften oder die sich durch eine gute Unternehmensführung auszeichnen.
Herausgegeben ist der Europe Energy ESG Screened Fonds von der Deutsche Banktochter DWS. Sie bewirbt ihre nachhaltigen Fonds im Internet damit, dass Anleger "ressourcenschonende und effiziente Abläufe und klimafreundliche Produkte" fördern - ein vollmundiges Versprechen, das die DWS offenbar nicht hält.
Studie: Nur ein Bruchteil der Fonds unbelastet
Die Nicht-Regierungsorganisationen Facing Finance und Urgewald haben gemeinsam 2000 Fonds untersucht. Die Ergebnisse liegen dem NDR vorab vor und erstaunen: Von den untersuchten Geldanlagen bewerten die NGOs nur 104 als gänzlich unbelastet. 650 bezeichnen sich selbst in den Anlegerinformationen als "nachhaltig", investieren aber oft auch in Unternehmen, die zu den größten Treibhausgas-Verursachern gehören und damit der Umwelt massiv schaden.
Teilweise verstoßen sie auch gegen andere Nachhaltigkeitskriterien wie dem Verbot von Waffenhandel. "Ein Indiz, dass die Finanzindustrie das Wort Nachhaltigkeit als reines Marketinginstrument nutzt, um Produkte zu verkaufen", sagt Thomas Küchenmeister von Facing Finance, denn nachhaltige Finanzprodukte sind der Renner. Die Nachfrage nach Fonds und anderen Anlageprodukten, die ESG im Namen tragen, hat im vergangenen Jahr um mehr als 100 Prozent zugenommen.
Öl- und Gasfonds mit ESG-Label
In der Liste der NGOs fallen gleich mehrere DWS-Fonds auf - besonders der genannte DWS-Fonds Europe Energy ESG Screened ETF. Der entpuppt sich bei genauem Hinsehen als reiner Öl- und Gasfonds. Investiert wird hier ausschließlich in fossile Energie. Christian Klein, Professor für Nachhaltiges Investment an der Uni Kassel forscht seit Jahren zum Thema und beobachtet dabei auch, dass die DWS versucht "das ordentlich zu machen".
Der Energiefonds von der DWS überrascht aber auch ihn, da er fast ausschließlich in fossile Brennstoffe und die zugehörige Zulieferindustrie investiert: "Normalerweise sagen nachhaltige Fonds, man darf in fossile Brennstoffe investieren, in einem gewissen Maße." Aber dieser Fonds sei schon "eine erstaunliche Sache", fügt er hinzu.
Der Vermögensverwalter DWS verweist gegenüber dem NDR darauf, dass es sich um einen Spezialfonds für den Öl- und Gassektor handelt, und diesem Sektor könnten "nur konventionelle Energieerzeuger wie Öl, Gas zugeordnet werden".
Regulierungslücke ausgenutzt
Gleichzeitig betont die DWS die Nachhaltigkeitskriterien, die man sich für den Fonds gegeben hat: Denn, dass so ein Fonds als "nachhaltig" gelabelt werden darf, ist nicht illegal, sondern hat mit einer Lücke in der EU-Regulierung zu tun. In den Fondsunterlagen wird das ESG-Label mit der EU-Offenlegungsverordnung begründet. Die EU-Regelung erlaubt es, Finanzprodukte, bereits dann als nachhaltig zu bezeichnen, wenn sie transparent machen, nach welchen Kriterien der Fonds Nachhaltigkeit definiert.
Diese Kriterien können die Anbieter bislang selbst definieren. Im Falle des DWS-Fonds gibt der Vermögensverwalter hier als Nachhaltigkeitskriterien den Ausschluss von Waffen, Tabak, Kohleabbau oder Ölförderung aus Ölsanden an. Die allermeisten dieser Wirtschaftszweige spielen aber für einen ausgeprägten Öl- und Gasfonds sowieso keine Rolle.
Kritiker fordern schnelle Reform
So wird ein Fonds durch den Ausschluss von Produkten, mit denen er er gar nichts zu tun hat, nachhaltig - ein Konstruktionsfehler in der EU-Offenlegungsverordnung, meint auch Christian Klein von der Uni Kassel. Viele Fondsverwalter seien überrascht gewesen, dass sie ihren Produkten plötzlich ein Nachhaltigkeitslabel aufdrucken konnten. Die EU-Offenlegungsverordnung gilt seit März 2021. Seit August trägt der DWS-Fonds das Label, obwohl es ihn schon seit 2007 gibt.
Christian Klein und auch Thomas Küchenmeister hoffen jetzt darauf, dass die EU ihre Regulierung präzisiert. Der Prozess dazu läuft schon. Der erste Teil eines neues Regelwerkes für die Bewertung von Nachhaltigkeit von Finanzprodukten ist diese Woche von der EU abgesegnet worden und tritt Anfang des kommenden Jahres in Kraft: die EU-Taxonomie.
Allerdings ist ausgerechnet die Frage, wie Energieträger bewertet werden, noch offen. Um die Bewertung von Gas und Atomkraft wird derzeit auf EU-Ebene heftig gestritten. Und so lange dieser Streit dauert, darf sich auch ein reiner Öl- und Gasfonds "nachhaltig" nennen.