EU-Parlament Erdgas und Atomkraft erhalten Ökolabel
Das EU-Parlament hat die Einstufung von Erdgas und Atomkraft als nachhaltig gebilligt. Damit dürfte dem entsprechenden Vorschlag der Kommission nichts im Weg stehen. Aber nicht jedes Land will das Votum hinnehmen.
Das Europäische Parlament hat den Weg freigemacht, Investitionen in Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen. Es wies einen Einspruch gegen die Verordnung der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomie zurück.
Mindestens 353 der 705 Abgeordneten hätten dagegen stimmen müssen, um das grüne Siegel für Atomkraft und Gas zu stoppen. Es stimmten 328 dagegen, 278 Abgeordnete dafür und 33 enthielten sich der Abstimmung.
Damit dürften die sogenannten Taxonomie-Regeln für den Finanzmarkt ab 2023 greifen. Die Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll.
Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags kann noch verhindert werden, wenn sich bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Dass eine entsprechende Mehrheit im Rat der EU zustande kommt, gilt allerdings wegen des Interesses von vielen Staaten an der Kernkraftnutzung als ausgeschlossen.
Bundesregierung will nicht klagen - Österreich schon
Die Bundesregierung will nicht gegen den Beschluss der EU klagen. Trotzdem bleibe man bei der Position, dass die Kernenergie nicht nachhaltig sei, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Dies habe man auch mit Nachdruck gegenüber der EU-Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten vertreten.
Anders dagegen Österreich - das Land kündigte an, rechtlich dagegen vorzugehen. "Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten bereits intensiv auf diesen Fall vorbereitet und werden unsere Klage im Rahmen der dafür vorgesehenen Frist einreichen", sagte Umweltministerin Leonore Gewessler. Die Entscheidung werde dem Green Deal und den europäischen Bemühungen für eine gute und klimafreundliche Zukunft nicht gerecht, so Gewessler. "Sie ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos."
Luxemburg sagte laut Gewessler bereits zu, sich an einer Klage zu beteiligen.
Frankreich treibende Kraft
Die treibende Kraft hinter den umstrittenen Plänen ist Frankreich. Die dort eindeutig vorherrschende Atomenergie verursacht zwar deutlich weniger kimaschädliche CO2-Emissionen als Kohleenergie, dafür aber radioaktiven Abfall. Gas wird zudem von einigen EU-Ländern wie Polen als das kleinere Übel im Vergleich zur Kohle angesehen.
Umweltschützer hatten die EU-Abgeordneten vor der Abstimmung aufgefordert, gegen den neuen Rechtsakt zur Taxonomie zu stimmen.
Kritik aus vielen Reihen
Obwohl die EU-Verordnung letztlich nicht gestoppt wurde, war die Kritik fraktionsübergreifend laut. "Die Gas- und Atomlobby hat gewonnen, das Klima hat verloren", kommentierte Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament. Ähnlich äußerte sich Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der Linken: "Mit dieser Entscheidung wird die Strahlkraft der Taxonomie, grüne und nachhaltige Energieträger zu kennzeichnen, zerstört", sagte sie.
Joachim Schuster, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD im Europäischen Parlament, sprach von einer "Mogelpackung". Und auch der CSU-Europaabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber, sieht die Glaubwürdigkeit der gesamten Taxonomie in Gefahr.
Auch außerhalb des Parlaments gab es teils scharfe Kritik. Greenpeace, der WWF und die Deutsche Umwelthilfe prüfen rechtliche Schritte. Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sagte deren Vertreterin in Brüssel, Katrin Hatzinger, man nehme das Abstimmungsergebnis mit Bedauern zur Kenntnis. Die Entscheidung bedrohe die Glaubwürdigkeit der Taxonomie.