Anhörung in Brasilien VW schweigt zum Vorwurf der Sklavenarbeit
Volkswagen wird in Brasilien Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen auf einer Farm vorgeworfen. Die Betroffenen hoffen auf Entschädigung. Der Konzern will sich erst im September schriftlich äußern.
In Brasilien hat eine erste Anhörung zu Vorwürfen gegen Volkswagen stattgefunden, wonach der Autokonzern Verantwortung für Sklavenarbeit auf einer Farm im Amazonasbecken trägt. Dabei äußerte sich VW nicht inhaltlich. Die Anwälte des Autobauers beantragten eine Frist bis zum 27. September, bis zu der sich VW schriftlich zu den Ermittlungen einlassen will. "Volkswagen nehme den Fall aber sehr ernst und zeige sich einsatzbereit", zitiert das Protokoll der Anhörung die Anwälte des Autobauers. Es liegt NDR und SWR vor. Die Staatsanwaltschaft fordert von VW die Herausgabe von Unterlagen zur Farm in Deutschland und Brasilien.
Die Verbrechen sollen zwischen 1974 und 1986 auf einer Farm im Amazonasbecken an Leiharbeitern verübt worden sein. Der Autobauer betrieb zu der Zeit eine 140.000 Hektar große Farm. Es sollte der Einstieg des Autobauers ins Fleischgeschäft werden. Die Rodungsarbeiten hatte Volkswagen bei Arbeitsvermittlern in Auftrag gegeben. Diese sollen Hunderte Leiharbeiter auf die Farm gebracht und dort versklavt haben - mit Wissen und Billigung von VW, so die Ermittler. Dem Anhörungsprotokoll zufolge stellten die Ermittler heraus, dass sie bei den Ermittlungen zur VW-Farm auf die "schlimmsten Umstände, die den Staatsanwälten im Bereich moderner Sklaverei je zur Kenntnis gelangt sind", gestoßen seien.
Zwei Stunden saßen eine Gruppe Anwälte von Volkswagen und Vertreter der brasilianischen Justiz an einem Tisch im Gebäude des Arbeitsministeriums in Brasilia, auf Vorladung der Staatsanwälte. Die präsentierten ihre Ermittlungsergebnisse: Sie schilderten ein System moderner Sklaverei und Schuldknechtschaft mit bewaffneten Aufpassern, die Arbeiter an der Flucht hindern sollten.
Eine nächste Anhörung soll Ende September stattfinden. Staatsanwalt Rafael Garcia zeigte sich im Interview mit der ARD optimistisch: "Wir sind zuversichtlich, dass wir am Ende angemessene Entschädigungen für die schweren Menschenrechtsverletzungen erreichen werden."
"Eine Wiedergutmachung für das Leid"
Ziel sind Entschädigungszahlungen für die mutmaßlichen Opfer von damals. Diese verfolgten die Anhörungen nur aus der Ferne. Der ehemalige Arbeiter der Farm, Pedro Valdo, sagte, es sei nie zu spät für Gerechtigkeit. "Geld bringt zwar die nicht zurück, die ihr Leben auf der Farm verloren haben. Aber es ist eine Wiedergutmachung für das Leid", so Valdo. Er war nach eigener Schilderung im Alter von 15 Jahren als Leiharbeiter für die Rodungsarbeiten auf die Farm gebracht worden und dann gegen seinen Willen mit dem Vorhalt von Schulden festgehalten worden.
Inhaltlich gibt es derzeit auch von Volkswagen aus Wolfsburg keine Äußerung, nur den Hinweis, man nehme die Vorwürfe ernst. Und das, obwohl schon vor fünf Jahren der Bielefelder Historiker Christopher Kopper im Auftrag von VW die Vorwürfe aufgearbeitet und umfänglich in einer Studie bestätigt hat. "Vielleicht ist es eine gewisse Scham und Ratlosigkeit, wie man damit umgeht", so Kopper. Ums Geld könne es nicht gehen, denn Entschädigungen für die Arbeiter könne VW "aus der Portokasse" zahlen. "VW sollte anerkennen, dass diese Arbeitskräfte misshandelt wurden und dass sie entschädigt werden sollten."