Pädokriminelle im Darknet BKA gelingt Schlag gegen Plattformen
Deutschen Ermittlern ist ein Schlag gegen pädokriminelle Onlineplattformen gelungen. Der mutmaßliche Hauptadministrator wurde in Sachsen festgenommen. Die Kopie eines Forums aber ist schon wieder im Netz, ein weiterer Hauptverdächtiger entkam offenbar.
Im Internet nannte er sich "Elias Harper", nach einem Charakter aus der amerikanischen Fernsehserie Quantico, in der es um Rekruten der US-Bundespolizei FBI geht. Am 29. November schließlich bekam der Mann überraschend Besuch von echten Polizisten: Spezialkräfte stürmten eine Wohnung in Sachsen, unweit der Grenze zu Tschechien, und nahmen den 21-jährigen Deutschen fest. Er soll der Hauptadministrator von "BoyVids 6.0" und "Forbidden Love" sein, zwei der bis dahin weltweit größten Online-Tauschforen für Abbildungen sexualisierter Gewalt an Kindern.
Das Bundeskriminalamt (BKA) ermittelt im Auftrag der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen die mutmaßlichen Hintermänner mehrerer Plattformen. Die Foren enthielten Tausende Links zu Fotos und Videos, die schwersten sexuellen Missbrauch von Kindern dokumentieren und dort fast ausschließlich kostenlos verfügbar waren.
Mutmaßlicher Administrator gefunden
Die Plattformen selbst waren nur über das Darknet erreichbar, einem besonders geschützten Teil des Internets, während die dort verlinkten Fotos und Videos meist auf Servern im normalen Netz versteckt waren.
Nach Recherchen von NDR und WDR ist es den deutschen Ermittlern in den vergangenen Wochen gelungen, mit "Elias Harper" den mutmaßlichen Administrator der Darknet-Plattformen zu identifizieren. Spätestens seit dem 30. November verfügten die Strafverfolger zudem über den Zugriff auf die Server. Seit diesem Tag konnten sich User dort nicht mehr anmelden.
Festnahmen in mehreren Bundesländern
Neben dem mutmaßlichen Hauptadministrator aus Sachsen wurde ebenfalls im November ein 44-Jähriger aus Niedersachsen sowie schließlich am vergangenen Dienstag ein weiterer 45-jähriger Beschuldigter aus Schleswig-Holstein festgenommen. Gegen die Männer besteht der dringende Verdacht der bandenmäßigen Verbreitung sogenannter Kinderpornografie.
Zudem konnte Ende November ein mutmaßlicher Administrator von "Forbidden Love" in Brasilien verhaftet werden. Ein weiterer Hauptverdächtiger, nämlich der ursprüngliche Gründer von "Forbidden Love", wurde nach Recherchen des ARD-Politikmagazins Panorama und des Rechercheformats STRG_F (NDR/FUNK) offenbar nicht identifiziert und ist weiterhin in anderen Foren aktiv. Auf Anfrage teilte die ZIT mit, aus ermittlungstaktischen Gründen könne man dazu keine Angaben machen.
Mehr als eine Million Registrierungen
Auf der Plattform "BoyVids 6.0", die seit Anfang Dezember 2021 existierte, hatten sich binnen eines Jahres rund 410.000 User registriert. Sie tauschten Aufnahmen, die sexualisierte Gewalt an männlichen Personen zwischen null und 17 Jahren zeigte. Auf "Forbidden Love" wiederum ging es um die Darstellungen sexualisierter Gewalt gegenüber Mädchen und jungen Frauen. Diese Plattform gab es seit Februar 2022 und verzeichnete bis zuletzt etwa 846.000 Registrierungen.
Da sich viele Nutzer zu ihrem Schutz mehrere Accounts gleichzeitig zulegen, lassen die Zahlen keine verlässlichen Angaben über die Zahl der Gesamtnutzer zu. Analysen von Panorama und "STRG_F" lassen darauf schließen, dass sich vermutlich mehrere zehntausend Menschen auf "Boy Vids 6.0" und "Forbidden Love" bewegten.
Im Fokus der Ermittlungen steht zudem die im Aufbau befindliche Webseite "Child Porn Market", die der 21-Jährige alias "Elias Harper" offenbar erst im Oktober freischaltete und auf der Videos von Kindesmissbrauch zum Kauf angeboten werden sollten.
Täter sicherten Kopie des Forums
Dem BKA und der ZIT zufolge ist es durch die Abschaltung der Foren gelungen, die illegalen Aufnahmen "durch die Abschaltung der weiteren Verbreitung" zu entziehen. Tatsächlich jedoch hatte "Elias Harper" bereits eine vollständige Kopie des Forums dem Führungszirkel der Plattform "BoyVids 6.0" zugänglich gemacht. Es handelt sich dabei um rund einem Dutzend Nutzer, die nun größtenteils in anderen Foren aktiv sind.
Die Recherchen von Panorama und STRG_F zeigen, dass diese Kopie mit rund 78.000 Seiten bereits am 7. Dezember veröffentlicht wurde und jener Führungszirkel gerade an einer Nachfolgeseite für "BoyVids 6.0" arbeitet. Diese soll in den kommenden Tagen online gehen und dürfte die eigentlich ausgeschalteten Inhalte wieder verfügbar machen.
Offenbar wieder kein systematisches Löschen
Wie in früheren Fällen wurde seitens der Ermittler offenbar auch bei "BoyVids 6.0" und bei "Forbidden Love" nicht systematisch illegales Missbrauchsmaterial gelöscht, obwohl dies möglich ist. Die Täter nutzen meist Speicherdienste im gewöhnlichen Web, um ihre Fotos und Videos zu verstecken. Im Darknet teilen sie dann nur einen Link zum Herunterladen.
Eine gemeinsames Rechercheprojekt von NDR und dem Magazin "Der Spiegel" hatte im Dezember 2021 gezeigt, dass sich damit systematisch große Mengen an Fotos und Videos aus dem Netz nehmen lassen. Zwar setzte "Elias Harper" für seine Foren eine Verschleierung der Links ein, doch ein systematisches Löschen wäre möglich gewesen. Von der ZIT heißt es dazu auf Nachfrage, der Beweismittelsicherungsprozess dauere aktuell noch an, die Datenlöschung solle im Nachgang durchgeführt werden.