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RT auf Facebook Wie Sanktionen umgangen werden

Stand: 07.03.2023 14:09 Uhr

Vor einem Jahr verhängte die EU Sanktionen gegen "Russia Today". Dessen Inhalte dürfen nicht mehr in Deutschland und anderen EU-Ländern zu sehen sein. Eine Auswertung von WDR, NDR und SZ zeigt, wie sich auf Facebook RT-Artikel trotzdem weiter verbreiten.

Von Petra Blum, Ciara Cesaro-Tadic, Svea Eckert, Stella Peters (WDR/NDR)

Sie heißen "Norbert", "Gunda" oder "Olga" und sie posten im Minutentakt auf Facebook. Dabei geht es vornehmlich um russische Desinformation und Propaganda, zum Beispiel Kiew würde einen Überfall auf das von Russland gestützte Transnistrien planen oder die USA würden eine Offensive mit Psychokampfstoffen vorbereiten - russische Propaganda ganz im Sinne des Kremls. Veröffentlicht wird sie auf den von der Europäischen Union seit einem Jahr sanktionierten Webseiten von RT, in Deutschland bekannt unter "RT DE". Von dort verbreiten sie sich dann über Facebook und andere Plattformen, obwohl dies in der EU qua Sanktionen nicht erlaubt ist.

"Russia Today" umgeht EU-Sanktionen im Netz

S.Eckert, S.Peters, P.Blum, NDR, tagesschau24 10:00 Uhr

Wie umfassend dies auf Facebook trotzdem geschieht, zeigt jetzt eine neue Datenauswertung von WDR, NDR, "Süddeutscher Zeitung" und "Debunk.Org". So wurden von RT seit Anfang März 2022 immer noch mehr als 14.000 mal Inhalte vom deutschsprachigen Ableger "RT DE" auf Facebook oder Instagram geteilt. Sie erzeugten der Facebook-eigenen Analyseseite "Crowdtangle" zufolge innerhalb eines Jahres rund 250.000 Interaktionen auf der Plattform, darunter 120.000 Likes.

Leicht zu umgehen

Möglich ist dies unter anderem, weil Facebook den "RT DE"-Account auf seinem Netzwerk nicht gelöscht hat, sondern ihn nur "geogeblockt" hat, das heißt, dass die Seite für deutsche Nutzer nicht mehr erreichbar ist. Eine Sperre, die aber leicht zu umgehen ist. Wer die Sperre aushebeln will, muss nur ein Online-Werkzeug nutzen, das ihn als Nutzer aus einem anderen Land ausgibt, ein sogenanntes VPN. Technisch ist das trivial, RT gibt sogar detaillierte Anweisungen auf seiner Webseite und auf Facebook, wie man das macht. Meist erscheint dann zwar ein Hinweis, dass es sich um ein russisches staatlich kontrolliertes Medium handelt, der Inhalt ist aber dennoch voll einsehbar. 

Björnstjern Baade, Privatdozent an der Freien Universität Berlin, sieht in den Sanktionen ganz klar die Verpflichtung zum vollständigen Sperren und Löschen von RT-Inhalten: "Die EU-Verordnung untersagt allen Betreibern, die Inhalte der sanktionierten Medien zu verbreiten. Internetanbieter müssen Webseiten sperren, die diese Inhalte bereitstellen, Soziale Medien müssen entsprechende Inhalte löschen. Die Verordnung gilt unmittelbar und will die Verbreitung umfassend unterbinden."

Facebooks Mutterkonzern Meta folgt dieser Auffassung offenbar nicht. Stattdessen heißt es auf Anfrage: Seit den ersten Tagen des Krieges in der Ukraine hätte Meta den staatlich kontrollierten russischen Medienseiten und -konten Beschränkungen auferlegt. "Außerdem kennzeichnen und stufen wir Posts von Personen herab, die Links zu staatlich kontrollierten russischen Medien-Websites enthalten, sodass die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass Nutzer sie sehen, und benachrichtigen Nutzer, bevor sie diese Links teilen oder darauf klicken, damit sie wissen, wohin sie führen."

Sabine Verheyen (CDU), Vorsitzende des Kulturausschusses des Europäischen Parlamentes, hält das nicht für ausreichend und sieht die Plattformen ganz klar in der Bringschuld. "Die Plattformen haben die Verpflichtung bekommen, diese illegalen Inhalte herunterzunehmen", so Verheyen.

Die AfD mischt mit

Unter denen, die Artikel von RT verbreiten, finden sich auch rund ein Dutzend Gruppen und Einzelpersonen mit Verbindungen zur AfD. Kreisverbände, wie der AfD Kreisverband Harburg-Land, die AfD Rheinisch-Bergischer Kreis oder der AfD Stadtverband Kaarst posten Nachrichten von "RT DE", etwa, dass die Bundeswehr an Biowaffenforschung in der Ukraine beteiligt sei. Diese Posts sind auch ein Jahr nach den Sanktionen problemlos einsehbar. Die AfD Rheinisch-Bergischer-Kreis bestätigt auf Anfrage den Post, beruft sich aber auf die Meinungsfreiheit und erklärt, dass das Medienrecht in die Kulturkompetenz der Nationalstaaten falle und die EU hier ihrer Meinung nach keine Regelungskompetenz habe. Andere AFD-Verbände antworteten nicht auf Anfragen zu den Posts von "RT DE"-Inhalten.

Experten halten die Verbreitung von RT-Inhalten durch Politiker für einen Teil der russischen Strategie - und für gefährlich. "Wenn es sich um Politiker handelt, die prorussische Inhalte an ihr bereits bestehendes Publikum verbreiten, dann haben sie damit manchmal mehr Einfluss als der russische Staatssender an sich hätte", sagt Julia Smirnova, die für das Institute for Strategic Dialogue zu Desinformation im Netz forscht. Das Publikum bringe den Inhalten dann mehr Vertrauen entgegen, so Smirnova.

RT teilte auf Anfrage mit, "RT DE" habe seit seiner Einführung immer aus Moskau gesendet und bediene von dort aus ein loyales, deutschsprachiges Publikum. Westliche Einrichtungen hätten lange versucht, die journalistische Arbeit von "RT DE" einzuschränken und den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen zu verhindern: "EU-Sanktionen haben den Betrieb von RT DE Productions, einem in Deutschland ansässigen Team, das Inhalte zu unserem Moskauer Betrieb beigetragen hat, unhaltbar gemacht", so RT. Man werde weiterhin alle zur Verfügung stehenden Mittel und Plattformen nutzen, um das Publikum zu erreichen.

Als Troll für Putin

Dass solche Inhalte in Sozialen Medien so stark verbreitet werden, liegt auch an den vielen Trollfabriken und Fake-Accounts, die es in Russland gibt. Einen Einblick, wie solche Trollfabriken arbeiten, gibt die Investigativ-Journalistin Ksenia Klotschkowa. Sie hat sich für die St. Petersburger Trollfabrik "Cyber Front Z" anwerben lassen.

Ihr dortiger Auftrag: 200 Kommentare am Tag in Sozialen Medien zu schreiben für damals umgerechnet weniger als 500  Euro im Monat. "In jedem Team gab es einen Menschen, der die Links ausgesucht hat: Er hat sie in der Gruppe geteilt und schlug vor, was man inhaltlich rüberbringen soll", erzählt sie im Interview für die ARD. Für einen Tag arbeitete sie bei "Cyberfront Z", wo sie für verschiedene Plattformen  tätig war. Telegram, YouTube, Instagram - in jedem Zimmer hätten sie eine andere Plattform bedient. So dokumentierte sie es mit Fotos.

Inzwischen hat Putin-Vertrauter Jewgeni Prigoschin, Kopf der paramilitärischen Wagner-Gruppe, seine Unterstützung für "Cyber Front Z" eingeräumt. Prigoschin gilt auch als Gründer der bekannten Trollfabrik "Internet Research Agency" (IRA), die sich zugunsten von Trump in den US-Wahlkampf 2016 eingeschaltet hatte. "Wir haben uns eingemischt, wir mischen uns ein und wir werden uns weiterhin einmischen." Erst nach Bekanntwerden der Trollfabrik "Cyberfront Z" im Sommer 2022  hat Meta die entsprechenden Instagram-Accounts gesperrt.