Rechtsextremist Ochsenreiter Vermittler zwischen AfD und Russland
Wie sich AfD-Politiker für die Interessen Russlands einspannen ließen, zeigen Recherchen für tagesschau.de. Eine wichtige Mittlerposition hatte demnach der Rechtsextreme Ochsenreiter.
"Er war ein echter Kämpfer. Er hat sich für sein Lager entschieden und ist bis zum Ende dabeigeblieben. Er war mein Verleger, mein Freund, mein Sohn. Er war überzeugter deutscher Patriot. Mutig und kühn." Er habe sein Leben für die multipolare Idee geopfert und sei ein Feind der offenen Gesellschaft gewesen - diese Worte finden sich in einem Nachruf des rechtsnationalistischen, russischen Ideologen Alexander Dugin auf den deutschen Journalisten Manuel Ochsenreiter. Er soll am 18. August 2021 an einem Herzinfarkt gestorben sein. Dugin wiederum erhielt Mitte August internationale Aufmerksamkeit, als seine Tochter bei einem Anschlag in Moskau getötet wurde.
"Geistiger Sohn" Dugins
Ochsenreiter war seit den 1990er-Jahren in rechtsextremen Kreisen in Deutschland aktiv. 2011 wurde er Chefredakteur des rechtsextremen Magazins "Zuerst!", das "nur den Lebens- und Überlebensinteressen des deutschen Volkes und dem wertvollen Erbe unserer europäischen Kultur verpflichtet" war, wie in einer Selbstbeschreibung "Über uns" bis Anfang Juni 2014 auf der Website zu lesen war.
Einem Bericht des russischen Publizisten Dimitri Chmelnizki von 2017 zufolge, der von 2009 bis 2012 mit Ochsenreiter in Kontakt stand, äußerte dieser bis zum Frühjahr 2012 keine kreml-freundlichen Positionen.
Ochsenreiter begegnete Dugin vermutlich erstmals Ende 2012 in Freiburg. Im Ergebnis erschien ein Interview mit Dugin in "Zuerst!". Es war der Beginn von Ochsenreiters Begeisterung für Dugins Neo-Eurasianismus. Im Mittelpunkt dieser Idee steht die Idee, ein totalitäres, von Russland dominiertes eurasisches Reich zu errichten.
Der Einfluss Dugins auf den Deutschen war offenbar groß. Ochsenreiter bezeichnete ihn als "längjährigen väterlichen Freund", während Dugin Ochsenreiter in seinem Nachruf seinen "geistigen Sohn" nannte.
Protagonist russischer Propaganda
Als Dugin Ende 2013 den ultranationalistischen Geschäftsmann Konstantin Malofejew bei der Entwicklung seines Medienprojekts unterstützte, empfahl er Ochsenreiter als eine der deutschen Persönlichkeiten, die an russischen Einflussoperationen in Europa beteiligt sein könnten. Ochsenreiters Beiträge erschienen dann regelmäßig auf Malofejew Website "Katehon".
Es war jedoch ein anderes russisches Medium, das Ochsenreiter, der außerhalb rechtsextremer Kreise kaum bekannt war, zu einem Star internationaler russischer Propaganda machte: Der staatlich finanzierte Sender RT engagierte ihn 2013 als "politischen Analysten", "deutschen Journalisten" und "Syrien-Experten".
Über einen polnischen Politik-Akteur wiederum erhielt Ochsenreiter Zugang zu einem breiteren Spektrum an Kontakten in Russland: Mateusz Piskorski war seit Anfang der 2000er-Jahre in rechtsextremen Kreisen Russlands aktiv, erkannte jedoch bald, dass er finanzielle Mittel eher in Kreml-nahen Kreisen finden würde.
Aus Dokumenten, die von einer Geheimdienstquelle in der EU stammen und dem Autor vorliegen, geht hervor, dass ein wichtiger Ansprechpartner für ihn einer Beamter im Zentralbüro des russischen Parlaments namens Sargis Mirsachanjan wurde.
"Fake-Wahlbeobachter" bei Scheinreferendum
Der Einstieg in diese Kreise gelang Piskorski über "Fake-Wahlbeobachter", die sich gegen Gefälligkeiten und Aufmerksamkeit positiv über Wahlen äußern und ihnen so Legitimität verschaffen sollen. Piskorski gründete dazu 2007 das "Europäische Zentrum für geopolitische Analysen".
Ochsenreiter und Piskorski trafen vermutlich erstmals 2014 beim "Referendum" auf der Krim über den Beitritt zu Russland aufeinander. Anfang November 2014 begleitete Ochsenreiter den Polen in die von Russland besetzten Teile der Ostukraine, um die unrechtmäßigen "Parlamentswahlen" in der "Donezker Volksrepublik" zu "beobachten".
2016 gründete Ochsenreiter ebenfalls eine Organisation. Gemeinsam mit Markus Frohnmaier vom Jugendflügel AfD und dem Thüringer AfD-Abgeordneten Thomas Rudy ließ er am 2. August 2016 in Berlin das "Deutsche Zentrum für eurasische Studien" registrieren - mit ihm als Direktor und Piskorski als seinen Stellvertreter.
Mit dieser Organisation arrangierte Ochsenreiter Reisen für die AfD-Landtagsabgeordneten Thomas Rudy und Udo Stein als "internationale Beobachter" in die "Donezker Volksrepublik" in der russisch besetzten Ostukraine. Ein Bericht zur Reise findet sich auf der Website des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg.
Ochsenreiter selbst nahm am 18. September 2016 an den Parlamentswahlen in Russland als "Beobachter" teil. In einer Reihe von E-Mails, die der Autor einsehen konnte, diskutierten Ochsenreiter und die Ehefrau von Piskorski, Marina Klebanowitsch, über die Veröffentlichung eines Artikels dazu in der "Zuerst!". Aus deren Unterhaltung geht hervor, dass Ochsenreiter ein Honorar von 1500 Euro erhielt, das er sich mit Klebanowitsch teilen musste.
Klebanowitsch war eine der Personen, die für Piskorski einsprangen, nachdem dieser am 18. Mai 2016 in Polen festgenommen und wegen Beteiligung an Operationen eines russischen Geheimdienstes angeklagt wurde. Er wurde 2019 gegen Kaution freigelassen und wartet noch auf seinen Prozess.
Einflussoperationen in Deutschland
Offenbar wurden Piskorski, Mirsachanjan und Ochsenreiter in Deutschland aktiv, um einerseits die Stimmung in der Bundesrepublik zu beeinflussen, andererseits um Bilder und Aussagen zu erzeugen, die der Propaganda des Kreml dienen sollten. Aus den Unterlagen, die dem Autor vorliegen, geht hervor, dass in der Bundesrepublik Protestaktionen initiiert und AfD-Politikern Argumentationshilfen geliefert wurden.
Unterstützung für AfD-Politiker gefordert
Bei den Aktivitäten Ochsenreiters und Piskorskis spielte der AfD-Politiker Markus Frohnmaier offenbar eine wichtige Rolle. In Dokumenten, die der Autor einsehen konnte, wird er als unterstützenswerter Kandidat für die Bundestagswahl 2017 beschrieben, der sich als wertvoll für die russische Außenpolitik erweisen könnte.
Vermittlung zwischen AfD und Moskau
Bei der Kontaktanbahnung zwischen der AfD-Führung und hochrangigen Politikern in Moskau spielten Ochsenreiter und seine Kontaktpersonen in Moskau offenbar ebenfalls eine wichtige Rolle. Hilfreich war er den vorliegenden Dokumenten zufolge bei der versuchten Anbahnung eines Besuchs von AfD-Politikern in der russischen Hauptstadt, der dann 2017 stattfand.
Ermittlungen gegen Ochsenreiter
Im Januar 2019 sah sich Frohnmaier gezwungen, den Arbeitsvertrag mit Ochsenreiter bereits nach vier Monaten zu kündigen, da gegen diesen in Zusammenhang mit einem Brandanschlag in der Ukraine ermittelt wurde. Im August 2020 übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen vom Generalstaatsanwalt in Berlin, wie die Behörde in Karlsruhe auf Anfrage von tagesschau.de mitteilte. Der Verdacht habe auf Terrorismusfinanzierung in Tateinheit mit Anstiftung zur Brandstiftung gelautet.
Ochsenreiter wurde demnach vorgeworfen, 2018 über das Internet einen polnischen Bekannten beauftragt zu haben, gegen Bezahlung einen Brandanschlag in der Stadt Uschhorod durchführen zu lassen. Dieser sollte sich gegen das Gebäude eines Kulturvereins der dort lebenden ungarischen Minderheit richten. Es habe ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgelegen, so die Bundesanwaltschaft. Die notwendigen Fahndungsmaßnahmen zur Vollstreckung des Haftbefehls seien ergriffen worden.
Ochsenreiter machte zu der Zeit noch mit einem Podcast zusammen mit Piskorski von sich reden, der zu der Zeit auf Kaution frei war. Wo Ochsenreiter lebte, war unklar, bis in seiner Zeitschrift "Zuerst!" im August 2021 ein Nachruf auf ihn erschien: Er sei in Moskau an einem Herzinfarkt gestorben.
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf Anfrage von tagesschau.de, die deutsche Botschaft in Moskau sei am 19. August 2021 von den russischen Behörden darüber informiert worden, dass Ochsenreiter am Tag zuvor gestorben sei. Die Bundesanwaltschaft stellte das Verfahren gegen ihn im Dezember 2021 ein.
Übersetzung, Redaktion und ergänzende Recherche: Silvia Stöber, tagesschau.de