Autos fahren am Ufer der Moskwa vor dem Kreml vorbei.
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Einflussnahme Russlands Arrangierter Protest in Deutschland

Stand: 29.09.2022 06:00 Uhr

Kreml-nahe Akteure hatten offenbar das Interesse, in Deutschland Proteste zu initiieren, um die Stimmung zu beeinflussen und um sie für Propaganda im eigenen Land zu nutzen.

Von Anton Shekhovtsov für tagesschau.de

Offenbar hat der Pole Mateusz Piskorski mit dem Mitarbeiter in der russischen Staatsduma, Sargis Mirsachanjan, versucht, Einflussoperationen zu organisieren, darunter in Berlin.

Für eine Protestaktion vor dem Roten Rathaus am 28. Februar 2016 übermittelte Mirsachanjan den Unterlagen zufolge Slogans und Plakatentwürfe gegen den damaligen US-Präsidenten Barack Obama und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Fotos nach zu urteilen trat Ochsenreiter dort als Sprecher auf. Allerdings lockte die Aktion nicht viele Menschen an.

Neben Ochsenreiter sollten weitere Personen sprechen, darunter zwei Vertreter der Pegida-Bewegung, Jürgen Elsässer vom rechtsextremen Magazin "Compact" und Markus Frohnmaier vom Jugendflügel der AfD. Letzterer teilte auf Anfrage von tagesschau.de mit, er habe nicht an der Demonstration teilgenommen.

Auch bei einer Protestaktion der Pegida-Bewegung mit etwa 3000 Teilnehmern in Dresden am nächsten Tag sei er nicht dabei gewesen. Ochsenreiter und seine Mitstreiter brachten dorthin Plakate in russischer Sprache mit und zeichneten eine Rede Ochsenreiters in der Menge auf.

Obwohl es sich bei dem Protest um eine reguläre anti-islamistische "Montagsdemo" von Pegida handelte, nutzte Mirsachanjan Zitate von Ochsenreiter, Frohnmaier und einer Pegida-Vertreterin, um die Demonstration in seiner Pressemitteilung für die russischen Medien als konkret gegen Obama und Erdogan gerichtet darzustellen.

Argumentationshilfe für AfD-Politiker

Am 11. Mai 2016 berichteten russische Medien, darunter die Zeitung "Iswestija", dass Mitglieder der AfD eine Resolution zur Aufhebung der "antirussischen Sanktionen" vorbereiten, die dem baden-württembergischen Landtag vorgelegt werden sollte. In dem Bericht wird der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Udo Stein mit den Worten zitiert: "Die Sanktionen müssen aufgehoben werden. Sie haben sich als nutzlos und schädlich für unsere deutsche Wirtschaft erwiesen."

Es liegt nahe, dass dies Ergebnis einer Einflussoperation des Trios Mirsachanjan, Piskorski und Ochsenreiter war. Wie aus den vom Autor eingesehenen Dokumenten hervorgeht, erstellte Ochsenreiter am 5. Mai 2016 zwei Dokumente. Das eine trug den Titel "Kleine Anfrage der AfD-Fraktion" und fragte nach den Auswirkungen der "antirussischen Sanktionen" auf die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Das andere Dokument trug den Titel "Landtagsabgeordneter Udo Stein: 'Baden-Württemberg stärken - antirussische Sanktionen beenden!'" und war auf den 10. Mai 2016 datiert.

Alles deutet darauf hin, dass Ochsenreiter für die beiden Dokumente Stein nicht um ein echtes Zitat bat, sondern sie selbst geschrieben und dann mit Stein abgestimmt hat. Anschließend leitete er die Dokumente an Piskorski weiter, der sie am 8. Mai an Mirsachanjan schickte. Am 10. Mai ergänzte Piskorski die beiden Dokumente um ein weiteres mit dem Titel "Sanctions-Russia-Campaign.doc", das höchstwahrscheinlich - wie die Metadaten des Dokuments zeigen - ebenfalls von Ochsenreiter verfasst wurde. Das dritte Dokument enthält Zahlen über den angeblichen Schaden, den die "Anti-Russland-Sanktionen" der baden-württembergischen Wirtschaft zufügten, sowie weitere mutmaßliche Zitate von Stein und Frohnmaier. Eine Anfrage von tagesschau.de beantwortete Stein bis zum erbetenen Zeitpunkt nicht.

Am selben Tag schickte Mirsachanjan russische Übersetzungen von Ochsenreiters Dokumenten an seine Kontakte in den russischen Medien und fügte hinzu, dass Stein und Frohnmaier am 11. Mai 2016 eine Pressekonferenz über die Notwendigkeit der Aufhebung der "antirussischen Sanktionen" abhalten würden. Er gab eine Telefonnummer von Frohnmaier an, damit ihn die russischen Medien nach zusätzlichen Informationen fragen konnten.