Kritik an Vergütung der DB-Chefs So sehen die Boni-Pläne der Bahn aus
Bisher geheim gehaltene Dokumente der Deutschen Bahn zeigen, wie die Gehälter der Bahn-Chefs auch in Zukunft weiter wachsen könnten - selbst wenn Züge unpünktlich und Kunden unzufrieden sind.
Lange profitierten die Vorstände der Deutschen Bahn (DB) von einem ganz besonderen Bonus-System. Hohe finanzielle Belohnungen flossen dabei selbst dann, wenn bei "Kundenzufriedenheit" und "Pünktlichkeit" interne Ziele komplett verfehlt wurden.
Jahrelang gab es an den Boni der Bahnchefs Kritik. Im September beschloss der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn für die Vorstände ein neues Vergütungsmodell, das im kommenden Jahr eingeführt werden soll.
Doch interne Unterlagen der Deutschen Bahn, die Reporter von NDR und WDR einsehen konnten, zeigen nun: Künftig werden bei der Bezahlung der Konzernchefs die Ziele "Kundenzufriedenheit" und "Pünktlichkeit" eine noch geringere Rolle spielen - und damit genau die Bereiche, die für viele Bahnreisende die entscheidenden Kriterien für die Frage sein dürften, wie gut die Bahn arbeitet.
Bei den Dokumenten handelt es sich neben Unterlagen aus dem Aufsichtsrat der Bahn auch um ein Konzept einer großen Unternehmensberatung, an dem seit mindestens 2021 gearbeitet wird.
Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit nur kurzfristige Ziele
Vorstände der Bahn werden, wie bei großen Konzernen üblich, mit einem fixen Grundgehalt und einer variablen Vergütung bezahlt. Dieser variable Anteil gliedert sich bei der Bahn in kurzfristige und langfristige Ziele. Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit finden sich nur bei den kurzfristigen Zielen, in den langfristigen Zielen der DB-Chefs tauchen diese beiden Kriterien gar nicht auf.
Aber genau diese Langfristziele will das neue Vergütungsmodell deutlich aufwerten. Dieses Modell kritisieren nicht nur Gewerkschaftsvertreter, sondern auch eine ehemalige Konzernführungskraft stark: "Pünktlichkeit ist ein Qualitätsmerkmal und wahrscheinlich das Wichtigste in einem Bahn-System. Das heißt, wenn man dieses Unternehmen langfristig steuern will, ist dies der Kernfaktor zur Unternehmenssteuerung."
Die Bahnchefs sollen nach dem neuen Modell wohl im ersten Schritt Gehaltseinbußen hinnehmen müssen - zumindest vorerst. So geht es aus einem Protokoll des Bahn-Aufsichtsrates vom September hervor.
Dort heißt es: "Mit der Umstellung der Vergütungsstruktur geht für die Jahre 2025 bis 2027 eine Reduzierung der ausgezahlten Vergütung einher." Und so drangen vor wenigen Wochen Positiv-Meldungen aus dem Bahn-Aufsichtsrat in die Medien: Alles neu, mehr Kontrolle und weniger Geld für die Bahn-Bosse.
Maximalgehälter sinken
Während beim alten Vergütungsmodell die Vorstände bei voller Erfüllung eines Ziels dafür noch bis zu 200 Prozent Bonus bekommen konnten, sollen dies nach dem neuen Modell noch 150 Prozent sein. Daher sinken die Maximalgehälter in diesem Zeitraum entsprechend. Auch das Prinzip, mit einem besonders guten Bereich einen anderen Bereich, in dem die Ziele verfehlt wurden, ausgleichen zu können, soll nun enden.
Doch wie die internen Unterlagen zeigen, die NDR und WDR einsehen konnten, wurde für die Bahnbosse längst ein System entwickelt, mit dem ihre Gehälter in Zukunft wieder wachsen könnten.
So soll für neue Mitglieder des Vorstands das Gehalt in der ersten Amtsperiode steigen, von aktuell 1,15 Millionen Euro auf 1,4 Millionen - ein Sprung um 22 Prozent. Auch der Anteil des festen Grundgehalts an der Gesamtvergütung soll steigen, von bislang 36 auf künftig 50 Prozent.
Entwicklung der Gehälter mit Blick auf andere Konzerne
Besonders stark könnte sich auswirken, wie die Bahn ihre Spitzengehälter in der Zukunft festsetzen will - in dem sie sie offenbar an die Entwicklung der Gehälter in anderen Konzernen anlehnt. Die Liste dieser Unternehmen liegt NDR und WDR vor. Neben dem Gasriesen Uniper, Volkswagen und Siemens sind auch die Deutsche Post, die Telekom, Lufthansa und TUI darunter.
Laut dem Aufsichtsratsprotokoll hat die Bahn beschlossen, so künftig "die Vergütungshöhen der DB-Vorstände mindestens alle drei Jahre zu überprüfen und diese auf Grundlage eines Vergleichsgutachtens bei Bedarf (...) anzupassen."
In dieses Gutachten könnten laut dem Vorschlag der Unternehmensberatung auch weitere Faktoren einfließen, konkret: Wie sich die Gehälter der Bahn-Mitarbeitenden entwickelt haben, wie gut es dem Bahn-Konzern wirtschaftlich geht - und auch an der allgemeinen Preissteigerung will die Bahn die Vergütung ihrer Vorstände fortan messen. Gut möglich, dass in Zukunft die Gehälter der Bahnchefs also wieder wachsen.
Boni-System auch für rund 70 Konzernführungskräfte?
Dem internen Gutachten zufolge gibt es zudem Überlegungen, das neue Boni-System nicht nur auf den Vorstand der DB AG anzuwenden, sondern auch für die rund 70 Konzernführungskräfte, die den Bahn-Tochterunternehmen (u.a. Regio, Cargo und Schenker) vorstehen, die rund 1.100 Oberen Führungskräfte und die circa 2.400 leitenden Führungskräfte der Bahn.
Für mehr als 3.500 Bahn-Top-Manager wären dann nicht nur hohe Gehälter sicher - sondern auch, dass die Ziele "Pünktlichkeit" und "Kundenzufriedenheit" bei der Berechnung der Boni wohl eine noch geringere Rolle spielen würden.
Eine Regelung hingegen soll sich auch im neuen Vergütungsmodell offenbar gar nicht ändern: Wann die Bahnchefs ihren Anspruch auf Bonuszahlungen verwirken. Zwar gibt es künftig einen sogenannten Dämpfungsfaktor in den Verträgen, der die Bonuszahlungen halbiert, wenn drei oder mehr Ziele verfehlt werden.
Grundgehalt und Boni für die langfristigen Ziele wohl sicher
Die sogenannte Malus-and-Clawback-Regelung bleibt allerdings unverändert. Sie kommt zum Tragen, wenn der Konzern findet, dass ein Vorstand seine Pflichten verletzt hat. Das Unternehmen kann dann Gelder zurückfordern.
Von einem Bahn-Vorstand allerdings gar nicht so viel: Im alten wie im neuen System ist offenbar festgehalten, dass dieser sein Grundgehalt und seine Boni für die langfristigen Ziele wohl immer sicher hat - auch, wenn er gegen seine Pflichten verstoßen hat. Die DB AG kann offenbar maximal die Hälfte der Boni für die kurzfristigen Ziele zurückfordern.
Während der Regierungspressekonferenz am Montag hatte ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr das neue Vergütungsmodell verteidigt. Der Bund sei angetreten, in dieser Wahlperiode das Gemeinwohl bei der Bahn wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. "Das tun wir, indem wir auch die Vergütungssystematik der DB AG anpassen und in diesem Zusammenhang auch die individuellen Ziele der Vorstände wieder stärker am Gemeinwohl orientieren."
Beim Gemeinwohl dürften "Kundenzufriedenheit" und "Pünktlichkeit" für die Bahn eigentlich besonders wichtige Ziele sein. Die Bahn erklärte auf Anfrage von NDR und WDR, man äußere sich nicht zu Angelegenheiten des Aufsichtsrats und verwies auf die Jahresberichte des Unternehmens.