Scholz beim Bürgerdialog Auf Tuchfühlung mit den Wählern
Drei Tage nach den Landtagswahlen stellte sich der Kanzler gestern Abend erstmals wieder den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Ein Realitätscheck für Scholz, bevor in gut zwei Wochen in Brandenburg gewählt wird.
Es sind immer noch 30 Grad auf dem Berliner Ufa-Gelände und Bundeskanzler Olaf Scholz krempelt die Ärmel hoch. Gegrillt wird er heute Abend aber nicht - 150 Bürgerinnen und Bürger wollen den Kanzler vor allem mal als Mensch erleben.
"Wie fühlt man sich als Chef von Deutschland?" Diese Frage soll Teilnehmer Markus Meyer für einen Erstklässler stellen. Er kommt nicht dazu, denn es geht doch schnell um die große Politik. Was lernen aus den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen?
Scholz sagt, er sei sehr bedrückt vom Abschneiden der AfD: "Dass jetzt Populismus so viel Unterstützung bekommt, das ist nicht gut. Und jetzt müssen wir alle sehen, was wir machen." Er habe das Gefühl, es gebe "eine breite Verabredung, keine Regierung mit der AfD zu bilden - immerhin." Was er als Regierungschef oder die SPD aber nun damit machen, lässt Scholz offen.
Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern
Topthema ist auch der Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern. Es gehe darum irreguläre Migration zurückzudrängen, sagt Scholz. Die Maßnahmen der Bundesregierung greifen langsam, zählt er auf, ebenso die Asylvereinbarungen auf europäischer Ebene. Der Kanzler will Kurs halten: "Und wenn es super gut läuft", würde man es vielleicht noch schaffen, weitere Maßnahmen draufzusetzen, auf die man sich mit der Opposition verständigt habe. "Mir wär's recht."
Reizthema Bürgergeld
Ukraine, Digitalisierung, Reichensteuer, Tempolimit, Mietpreisbremse, Klimakleber - das Kanzlergespräch ist ein Ritt durch das, was das Volk bewegt. Beim Reizthema Bürgergeld sagt Scholz:
"Jeder der kann, soll auch ran. Und da müssen wir dafür sorgen, dass es eine gute Vermittlungsunterstützung gibt. Aber wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass wir auch strikt sind, wenn jemand sich weigert zu arbeiten. Und deshalb sind wir gerade dabei, die ganzen Gesetze dahin zu schrauben, dass das strikter wird, klarer wird. Die Botschaft ist: Wenn du kannst, sollst du auch." Arbeiten nämlich.
"Ich frag für einen Freund"
Die Arbeit in der Ampelkoalition wirft auch im Bürgerdialog Fragen auf. Ein Erzieher fühlt sich an seinen Kindergarten erinnert: "Sie schlagen was vor und Herr Lindner sagt genau das Gegenteil." Das sei bisher selten vorgekommen, sagt Scholz, räumt aber ein: "Die Wahrheit ist: Sie haben recht." Und fragt zurück: "Welches Patentrezept haben Sie? Ich mein, ich frag für einen Freund."
Ein bisschen Selbstironie, Erklärungen, die nicht immer für zufriedene Gesichter im Publikum sorgen, am Ende aber eine lange Reihe von Menschen, die noch ein Selfie mit dem hemdsärmeligen Kanzler wollen.
Die Bilanz des Teilnehmers Markus Meyer aus dem Kanzlergespräch: Nähe hilft. "Ich glaube, das Problem ist eine Diskrepanz zwischen auf kleiner Bühne oder im politischen Geschäft, da kommt er nicht so rüber, wie er hier auch sich präsentieren kann. Und diese Diskrepanz müsste er aus meiner Sicht überwinden können.“