"Reichsbürger" um Prinz Reuß Eine spektakuläre Razzia und drei Prozesse
Im Sommer 2021 soll sich die Gruppe um Prinz Reuß gegründet haben, von der nun erstmals mutmaßliche Mitglieder vor Gericht stehen. Was geschah seitdem und wann beginnen die weiteren Prozesse? Eine Chronologie wichtiger Ereignisse.
Juli 2021: Gründung der Gruppe
Die terroristische Vereinigung gründete sich laut Anklage Ende Juli 2021 mit dem Ziel, die staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß gilt als Rädelsführer der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Gruppe.
"Reichsbürger" sind keine einheitliche Bewegung. Allen gemein ist, dass sie der Bundesrepublik die Legitimität absprechen. Die Beschuldigten der "Reuß-Gruppe" glauben laut Anklage an ein "Konglomerat aus Verschwörungsmythen". Ihnen sei bewusst gewesen, dass es bei der geplanten Machtübernahme Tote geben würde.
August 2021: Erste Planungen für Reichstags-Stürmung
In der Vereinigung um Prinz Reuß begannen demnach im August 2021 Planungen, mit einer bewaffneten Gruppe ins Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen. Ziel sei auch die Festnahme von Abgeordneten des Deutschen Bundestags gewesen, um einen Systemwechsel zu erreichen. Die Gruppe rekrutierte dafür militärisches Personal, beschaffte Ausrüstung und sorgte für Schießtrainings.
September 2022: AfD-Politikerin führt durch Bundestag
Die AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann führte im September 2022 mutmaßliche "Reichsbürger" durch das Regierungsviertel, die heute zu den Mitbeschuldigten zählen. Das geht aus Unterlagen des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor. Als ehemalige Bundestagsabgeordnete hatte Malsack-Winkemann noch ungehinderten Zugang und konnte jederzeit bis zu sechs Personen mitnehmen.
Einer der Teilnehmer dokumentierte mit Fotos und Videos das Paul-Löbe-Haus, in dem Büros und Sitzungssäle der Parlamentarier sind, dessen unterirdische Zugänge zu anderen Gebäuden, einschließlich des Reichstags sowie vom Inneren des Plenarsaals des Bundestags.
Dezember 2022: Festnahmen bei Großrazzia
Bei einem der größten Polizeieinsätze gegen Extremisten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurden am 7. Dezember 2022 insgesamt 25 Personen aus der Gruppe mutmaßlicher "Reichsbürger" inhaftiert. Sie stehen nach Angaben der Bundesanwaltschaft im Verdacht, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben.
Unter den Festgenommenen befinden sich neben dem mutmaßlichen Rädelsführer Prinz Reuß auch die Richterin und AfD-Politikerin Malsack-Winkemann sowie ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr.
Mai 2023: Inzwischen 63 Beschuldigte
Die Zahl der Beschuldigten um die Großrazzia in der "Reichsbürger"-Szene stieg im Mai 2023 auf 63 Personen. 26 der Männer und Frauen aus der Gruppe um Prinz Reuß befanden sich zu der Zeit in Untersuchungshaft.
Dezember 2023: Anklage gegen 27 Verdächtige
Die Bundesstaatsanwaltschaft erhob am 11. Dezember 2023 Anklage gegen 18 Personen vor den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main und München, unter anderem wegen Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Zudem wurde Anklage gegen neun weitere Personen vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wegen versuchten Mordes erhoben.
Die Vereinigung hatte laut Bundesanwaltschaft "Zugriff auf ein massives Waffenarsenal" mit rund 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, fast 500 weiteren Waffen und 148.000 Munitionsteile.
März 2024: Angeklagter erliegt Krankheit
Ein Angeklagter aus der Gruppe erlebt den Prozessbeginn nicht mehr: Norbert G. sei in der Klinik verstorben, teilte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im März 2024 mit. Die Person sei am 7. Dezember 2022 festgenommen, allerdings seit Anfang Januar 2024 von der Haft verschont worden, heißt es. Grund ist Medienberichten zufolge eine schwere Krankheit des Mannes.
April 2024: Erster Prozess in Stuttgart beginnt
In Stuttgart begann am 29. April 2024 das erste Verfahren gegen mutmaßliche Verschwörer um Prinz Reuß. Es ist der erste von drei Mammutprozessen, bei denen nach und nach Teilnehmer der Gruppe vor den Richter kommen. Dabei handelt es sich um einen der größten Terror-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
In Stuttgart müssen sich neun Männer verantworten. Die meisten von ihnen sollen dem militärischen Arm angehört haben, mehrere sollen sich am Aufbau der Heimatschutzkompanien beteiligt und versucht haben, weitere Mitglieder anzuwerben.
Mai 2024: Prozess gegen mutmaßlichen Rädelsführer
Der Prozess gegen die mutmaßlichen Rädelsführer der Terrorgruppe um Prinz Reuß soll am 21. Mai 2024 vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main beginnen. Insgesamt müssen sich neun Personen verantworten - auch Malsack-Winkemann. Die ehemalige Berliner Richterin hätte nach einem Umsturz für das "Ressort Justiz" zuständig sein sollen.
Juni 2024: Geplanter Start des dritten Prozesses
In München sollen ab dem 18. Juni 2024 die acht weiteren mutmaßlichen Mitglieder vor Gericht stehen. Der Fall ist auch aufgrund der schieren Anzahl der Verdächtigen in drei Verfahren aufgesplittet worden.
Auf Basis von Material der Nachrichtenagentur dpa