Schriftzug am Auswärtigen Amt in Berlin

Regierung nach Baerbock-Aussage "Wir sind nicht Kriegspartei"

Stand: 27.01.2023 18:23 Uhr

Auch nach Tagen sorgt die Aussage von Außenministerin Baerbock, man kämpfe "einen Krieg gegen Russland", für erhitzte Debatten. "Wir sind nicht Kriegspartei", betonte eine Regierungssprecherin. Doch Moskau nutzt Baerbocks Satz für die eigene Propaganda.

Nach einer umstrittenen Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat die Bundesregierung betont, dass Deutschland im Ukraine-Krieg keine Kriegspartei sei. "Die NATO und Deutschland sind in diesem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht Kriegspartei", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. "Wir unterstützen die Ukraine, aber wir sind nicht Kriegspartei."

Die Außenministerin hatte am Dienstag bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg auf Englisch zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen. Sie sagte: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander."

Russische Propaganda greift die Aussage auf

Die russischen Staatsmedien griffen diese Aussage als zentralen Schlüsselsatz für Kriegspropaganda auf - als Beleg dafür, dass Deutschland und die anderen EU-Länder direkte Konfliktpartei in der Ukraine seien und gegen Russland kämpften.

In der längeren Diskussion, in der die Aussage fiel, sei es darum gegangen zu unterstreichen, dass die EU, die G7-Staaten und die NATO geeint gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stünden, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. "Die russische Propaganda nimmt immer wieder Äußerungen, Sätze, Haltungen, Positionen der Bundesregierung, unserer Partner, und dreht sie so, dass es ihrem Ziel dient. Darauf jetzt hier einzugehen, ist meines Erachtens nicht sinnvoll", sagte der Sprecher. "Wer hier eskaliert, ist Russland."

Regierung betont: Deutschland ist keine Kriegspartei

Im völkerrechtlichen Sinne sei Deutschland keine Konfliktpartei. "In diesem Kontext muss die Außenministerin verstanden werden", sagte der Sprecher. Auch die deutsche Botschaft in Moskau stützte sich auf diese Position: "Die Ukraine dabei mit Material zu unterstützen, ihr in der UNO-Charta verbrieftes individuelles Selbstverteidigungsrecht gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auszuüben, macht Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei."

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte eine Erklärung des deutschen Botschafters in Moskau zu widersprüchlichen Aussagen aus Berlin gefordert. Deutschland erkläre einerseits, in der Ukraine keine Konfliktpartei zu sein. Andererseits sage Baerbock, dass sich die Länder Europas im Krieg gegen Russland befänden. "Verstehen sie selbst, wovon sie da reden?", schrieb die Sprecherin im Nachrichtenkanal Telegram.

Baerbock habe im Europarat "die Dinge beim Namen" genannt, sagte Sacharowa laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Die Bürger der NATO-Staaten sollten wissen, dass das Militärbündnis "vollständig in die Konfrontation mit unserem Land verwickelt ist und diese Konfrontation wächst".

Huber: Baerbock ist ein massives Sicherheitsrisiko

CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte: "Annalena Baerbock ist ein massives Sicherheitsrisiko für unser Land." Wer von einer deutschen Kriegsbeteiligung rede, rede Deutschland in einen Krieg hinein. Auch der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, äußerte deutliche Kritik. "Das ist eine beachtliche Fehleinschätzung für eine Außenministerin", sagte er der "Welt am Sonntag" laut einer Vorabmeldung vom Freitag. "Baerbock sollte persönlich ihre Aussage dringend korrigieren."

Dagegen sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Baerbock hier eine "böse Absicht" zu unterstellen, "halte ich für falsch und nährt nur das russische Narrativ und die russische Desinformationskampagne". Es sei richtig, dass "wir gemeinsam gegen dieses völkerrechtswidrige, brutale Vorgehen angehen oder eben 'kämpfen'", sagte Kiesewetter. "Nicht anders war die Intention der Außenministerin, und sie ist auch nicht anders zu verstehen." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte in der "Sächsischen Zeitung" eine Klarstellung von Baerbock. "Die Außenministerin ist unsere oberste Diplomatin. Sie hat ihre Worte abzuwägen", sagte der CDU-Politiker. "In der zugespitzten Lage können wir uns zweideutige Aussagen nicht erlauben."

AfD-Co-Chef Tino Chrupalla forderte die Entlassung Baerbocks. "Die Bundesaußenministerin setzt mit ihrem unprofessionellen und vorlauten Verhalten Deutschlands Existenz aufs Spiel", sagte er laut einer Mitteilung.

Innerhalb der Koalition erhielt Baerbock Rückendeckung. "Ich habe die Aussage der Außenministerin als Plädoyer für fortgesetzte Geschlossenheit der Verbündeten gegenüber Putin verstanden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Den größten Gefallen, den wir (dem russischen Präsidenten) Wladimir Putin tun können, ist, dass wir uns im westlichen Bündnis, in der deutschen Politik auseinanderdividieren lassen."

Auch Kritik in den sozialen Medien

In den sozialen Netzwerken gab es harsche Kritik an Baerbock und ihren Äußerungen. Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken, bezeichnete die Aussage der Ministerin als "unfassbar".

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Mittwochabend im ZDF auf die Frage, ob sich Deutschland und seine Verbündeten mit den jetzt beschlossenen Panzerlieferungen nicht am Krieg beteiligten, geantwortet: "Nein, auf keinen Fall." Er fügte hinzu: "Es darf keinen Krieg zwischen Russland und der NATO geben."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Januar 2023 um 16:00 Uhr.