Einsatz für den Deichschutz Täglicher Halbmarathon für die Kontrolleure
Kilometerlang schützen Deiche Land und Leute vor Überschwemmungen. Kleine Schäden können sich zu großen Katastrophen auswachsen. Damit das nicht passiert, laufen Deichkontrolleure sie ab. Ein Beispiel aus Niedersachsen
Am Huntedeich in Wardenburg im Landkreis Oldenburg haben Thomas Schlunck und die ehrenamtlichen Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) bisher erfolgreich verhindert, dass der Deich bricht. Jetzt friert es. Für den Deichschützer eigentlich eine gute Nachricht. Allerdings ärgert er sich nun über Maulwürfe.
Der Riss ist drei Zentimeter breit und gute zehn Zentimeter tief. "Hier ist es zu einer Absackung gekommen", erklärt Thomas Schlunck und hält den Zollstock vorsichtig in die Schadstelle, "uns geht hier Deichsicherheit verloren". Der 64-Jährige steht zusammen mit den Ehrenamtlichen vom THW auf dem Huntedeich und begutachtet den Schaden. Auch für den Laien ist erkennbar, dass die Grasnarbe nachgegeben hat und ein Stück tiefer Richtung Wasser gerutscht ist. Damit der Deich an dieser Stelle nicht noch weiter absackt und dadurch seine Schutzfunktion verliert, haben die Helfer ihn mit Sandsäcken stabilisiert.
Kontrollgänge rund um die Uhr
Den Heiligen Abend hat Thomas Schlunck noch mit seiner Familie in Emden unter dem Weihnachtsbaum verbracht. Am nächsten Morgen um sechs ist er dann in Richtung Hochwassergebiet aufgebrochen. Seitdem kümmert sich der Fachberater und technische Berater für Deichverteidigung und Hochwasserschutz - so sein offizieller Titel - um die Sicherheit des Huntedeichs im Landkreis Oldenburg.
Während einer Schicht legen wir 21 Kilometer zurück.
Extremes Hochwasser und tagelange Regenfälle haben den Deich zu einer weichen Masse werden lassen. Schlunck und sein Team kontrollieren einen sieben Kilometer langen Deichabschnitt alle zwei Stunden - rund um die Uhr. "Während einer Schicht legen wir 21 Kilometer zurück", sagt der Deichexperte, der auch Dozent am THW-Ausbildungszentrum in Hoya ist. Bis zum Wochenende werden die Freiwilligen insgesamt eine Strecke von mehr als 1.000 Kilometern gelaufen sein.
Immer in Zweiergruppen gehen die Kontrolleure das Bauwerk ab, begutachten den Zustand des Deichfußes und überprüfen auch die Brücken: Leicht können sich Bäume und anderes Treibgut an den Brückenpfeilern verkanten. "Das ist sehr gefährlich, weil das den Abfluss des Wassers behindert und das Brückenbauwerk beschädigen könnte", sagt Schlunck.
Thomas Schlunck (re.) bei einer Lagebesprechung des THW
Schäden werden digital erfasst
Jeder Schaden wird in einer digitalen Karte dokumentiert, so dass alle Deichläufer sehen können, auf welche Stellen sie besonders zu achten haben. Die Schäden melden die Kontrolleure der Hunte-Wasseracht, die für die Deiche zuständig ist. Enno Kuhlmann, Verbandstechniker bei der Wasserwacht, kann oft genug Entwarnung geben, so auch an einer Stelle am Deichfuß: Ein Kontrolleur hatte eine kleine Verwerfung im Boden festgestellt. "Tatsächlich sieht die Stelle aus wie eine beginnende Absackung, ist aber ungefährlich", erläutert Kuhlmann, der praktisch jeden Meter des Deichs und damit auch alle natürlichen Unebenheiten genau kennt.
Dass Binnendeiche auf einmal brechen und die Wassermassen ins Hinterland stürzen, ist nicht zu befürchten. Aber nach acht bis zwölf Tagen Hochwasser ist das Bauwerk so stark durchweicht, dass Risse entstehen können. Ein Problem sind auch Mäuse und andere Tiere, die im Deich Löcher graben. Momentan sind die Maulwürfe am Huntedeich sehr aktiv.
Offenbar sind sie von den überfluteten Weiden auf den Deich geflüchtet. Für Thomas Schlunck ein echtes Ärgernis: "Maulwürfe wollen wir hier nun wirklich nicht haben, ihre Gänge machen den Deich instabil." Allerdings lassen sich die Tiere auch nicht vertreiben - Schlunck kann nur hoffen, dass sie bald wieder freiwillig verschwinden.
Frost brachte Entspannung
Tagelang drehen die Deichkontrolleure ihre Runden bei Minustemperaturen. Immer noch besser als bei Regen und Sturm, so wie in der ersten Hochwasserwoche, findet Thomas Schlunck. Außerdem stabilisiert der Frost zumindest die äußere Deichschicht.
Die Frage ist noch, was passiert, wenn es jetzt wieder taut. Schlunck und seine Kollegen sind aber zuversichtlich, dass der Pegelstand bis dahin weiter gesunken ist und das Wasser mit weniger Macht gegen den strapazierten Deich drücken wird. Und wenn alles gut geht und die Pegelstände weiter so fallen wie prognostiziert, dann kann Thomas Schlunck nun wieder nach Hause. Nach fast drei Wochen Einsatz im Hochwassergebiet.