Lage in Niedersachsen Was bedeutet der Frost für die Hochwassergebiete?
Die Hochwasserlage in Niedersachsen bleibt angespannt. Doch nach dem Dauerregen bringt ein Wetterumschwung nun Eiseskälte. Welche Folgen haben Schnee und Frost für die Deiche?
In mehreren Regionen Niedersachsens bleibt die Hochwasserlage weiterhin angespannt. Tausende Einsatzkräfte etwa des Technischen Hilfswerks (THW), von Feuerwehren und der Polizei seien weiterhin wegen des Hochwassers im Einsatz, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover.
In Oldenburg ist die Lage so brisant, dass die Behörden für den Notfall Verfahren für eine gezielte Deichöffnung an der Hunte entwickeln - notfalls auch durch eine Sprengung. Es gibt demnach zwei Szenarien: Im ersten soll ein rund um die Uhr einsatzbereiter Bagger eine Notfallöffnung in den Deich zum Ablaufen des Wassers in den Osternburger Kanal graben. Sollte der Deich allerdings durch das Wasser zu durchnässt und nicht mehr vom Bagger befahrbar sein, könnte eine gezielte Sprengung in dem Bereich durchgeführt werden.
Wasser wird zurückgehen
Es ist aber Entspannung in Sicht. Die Pegelstände an Flüssen in Niedersachsen könnten in den kommenden Tagen sinken. Man erwarte eine Tendenz zu fallenden Wasserständen, sagte Anne Rickmeyer, Direktorin des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Es könne aber noch mehrere Tage oder sogar durchaus noch eine Woche dauern, bis man unterhalb der kritischen Wasserstände sei.
In Bremen, wo etwa im Bereich der Wümme eine Warnung vor großem Hochwasser besteht, blieb die Lage in der Nacht zum Samstag laut Feuerwehr statisch. Es kam nicht zu entsprechenden Einsätzen. Dennoch könne man nicht von einer entspannten Situation reden, sagte ein Sprecher.
Nach Dauerregen nun Frost
Eine wichtige Veränderung könnten nun die fallen Temperaturen bedeuten: Denn nach dem Dauerregen bringt ein Wetterumschwung Eiseskälte für weite Teile Deutschlands. Heute treten laut DWD in der Landesmitte und im Südwesten noch Regenschauer auf, im Rest fällt gebietsweise Schnee. In Niedersachsen werden heute laut NDR tagsüber Höchstwerte um den Gefrierpunkt erwartet. In der Nacht zu morgen soll es mäßigen Frost bei minus vier bis minus sieben Grad geben. Für die folgenden Tagen erwarten die Meteorologen demnach meist auch tagsüber leichten Dauerfrost.
Aber was bedeutet das für die Hochwassergebiete? Bringt der Frost auch die Hoffnung, dass die Deiche stabiler werden und dadurch die Gefahr geringer wird? Und was bedeuten die Minusgrade für Gebäude oder die Landwirtschaft in den betroffenen Regionen?
"Nur ein Baustein in der Gesamtbewertung"
In Sachsen-Anhalt könnte der angekündigte Dauerfrost bei der Abwehr des Hochwassers hilfreich sein: "Das wird uns in die Karten spielen", sagte eine Sprecherin des Katastrophenstabs des Landkreises Mansfeld-Südharz. Die Deiche würden bei dem Frost verfestigt.
Andere Experten sind mit Blick auf die Deiche kritischer. Es lasse sich nicht pauschal sagen, inwieweit sich Frost positiv oder negativ auf die Deichstabilität auswirke, sagte die Direktorin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), Anne Rickmeyer, der Nachrichtenagentur dpa. "Für die Aufrechterhaltung des Hochwasserschutzes müssen die Witterungsverhältnisse immer berücksichtigt werden und sind nur ein Baustein in der Gesamtbewertung der Lage."
Positiv für Dichtigkeit
Wenn ein Deich etwa ohne Wasserwirkung Frost ausgesetzt sei, verfestige sich der Boden in einer bestimmten Tiefe - abhängig von den Temperaturen und der Dauer. "Dies kann bei einem dann eintretenden Wassereinstau positiv auf die Standsicherheit und Dichtigkeit wirken."
Allerdings ist die Lage zurzeit vielerorts anders: Die Pegelstände sind teils noch immer hoch und Wassermassen drücken gegen Deiche. "Steht bereits vor der Frostperiode relativ warmes Wasser am Deich an, so wird der Bereich unter dem Wasserspiegel nicht gefrieren und dort keine positiven Effekte eintreten." Oberhalb des Wassers aber werde die Erdoberfläche des Deiches gefrieren und verhindern, dass weiterer Niederschlag eindringt. "Das wäre dann positiv zu werten."
Wasser wird durch Frost "fixiert"
Andere Experten, wie der Gewässerökologe Christian Wolter, rechnen zudem mit einem anderen positiven Effekt: Wenn Schnee statt Regen fällt oder Wasser gefriert, werde es dadurch "fixiert" und führe nicht zu einer weiteren Steigerung des Hochwassers. "Der Frost wird dafür sorgen, dass weniger Wasser nachläuft. Also sollte sich die Hochwassersituation entspannen", so der Experte im Interview mit tagesschau.de.
Sorgen bei Hausbesitzern
Hausbesitzern dagegen bereitet die Kombination Hochwasser und Frost große Sorgen. Das Mauerwerk kann Schaden nehmen, wenn es feucht ist. "Denn wenn Wasser gefriert, dehnt es sich um zehn Prozent aus", sagt Norbert Gebbeken, Experte für Baustatik der Bundeswehr-Universität München. "Und diese Ausdehnung kann einen so hohen Druck erzeugen, dass Material oder Bauteile wirklich zerstört werden" - vor allem, wenn Gebäudeteile bereits durchfeuchtet sind.
Allerdings: "Moderater und nicht lang anhaltender Frost wird im Keller stehendes Wasser nicht gefrieren lassen", teilt Christine Buddenbohm vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes mit. Die Tiefe, in die Frost eindringe, liege im gebirgigeren Süden tiefer als im Norden. In der Mitte Deutschlands liege die Tiefe bei 80 Zentimetern. Hausbesitzer sollten dennoch vollgelaufene Keller möglichst abpumpen, gleichzeitig andere Gefahren aber mitdenken.
"Böden brauchen Frost"
Mit gemischten Gefühlen blicken Landwirtschaftsexperten auf die aktuelle Lage. "Frost ist normalerweise ein Segen für unsere Böden", sagt Christoph Tebbe vom Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig. Der normale Winterfrost sei gut, weil er den Boden auflockere. "Unsere Böden brauchen Frost."
Anders sehe es aber aus, wenn der Ackerboden bei sehr niedrigen Temperaturen komplett unter Wasser stehe, erklärt Tebbe. "Der Boden regeneriert sich dann nicht über den Winter und er ist zu dicht." Er könne dann nicht mehr so viel Wasser im Frühjahr aufnehmen. Letztlich könne das die Ernten beeinträchtigen.