Korruption in der Politik Wo Lobbyisten Lücken finden
Ein Lobby-Fall wie der von Altkanzler Schröder wäre so heute nicht mehr möglich. Doch immer noch gibt es genug Fälle von Korruption in der Politik. Ein Bundesland sticht mit vorbildlichen Regeln heraus.
Es ist ein Beispiel wie aus dem Lehrbuch für langfristige und strategische Einflussnahmeversuche aus dem Ausland, die der Bundesrepublik schaden und gar zu einer Frage für die nationale Sicherheit werden können: das Agieren des russischen Staatskonzerns Gazprom. Am sichtbarsten ist die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV in Mecklenburg-Vorpommern. Inzwischen arbeitet ein Untersuchungsausschuss das Verhältnis der Landesregierung in Schwerin zur Stiftung, zur Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und zu weiteren Unternehmen auf.
Schon im Fall von Nord Stream 1 zeigte sich der Erfolg russischer Einflussnahme, die auf eine Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas hinauslief. Ein wichtiger Akteur dabei: Gerhard Schröder. Kaum war der SPD-Politiker als Bundeskanzler abgewählt worden und hatte am 22. November 2005 die Amtsgeschäfte an Angela Merkel übergeben, wurde bekanntgegeben, dass er bei Gazprom einsteigt. Schröder wurde Aufsichtsratschef des gerade gegründeten Konsortiums für den Bau von Nord Stream 1. Einige Monate später wurde bekannt, dass die Bundesregierung noch in den letzten Wochen im Amt die Bürgschaft für einen Kredit mit hohen Garantien für Gazprom übernehmen wollte. Bis heute begleitet Schröder der Vorwurf des Interessenkonflikts.
Der Fall der Nord-Stream-Pipeline ist ein Beispiel für Schwächen bei Korruptionsprävention und -bekämpfung in Deutschland. Transparency International Deutschland (TI) bemängelt, dass sich auf diesem Gebiet in den vergangenen zehn Jahren wenig bewegt habe, und wenn, dann erst nach Skandalen, aber auch dann immer noch zögerlich. Das sagte die stellvertretende Vorsitzende Margerete Bause anlässlich der diesjährigen Veröffentlichung des Korruptionswahrnehmungsindexes. Trotz Reformen blieben Baustellen, wie etwa die Verschärfung des Gesetzes zur Abgeordnetenbestechung.
Skandale bislang ohne strafrechtliche Folgen
Der zugehörige Paragraf 108e des Strafgesetzbuches ist nach Einschätzung der Korruptionsbekämpfer ein "stumpfes Schwert". Dies sei daran zu sehen, dass diverse Skandale bislang ohne strafrechtliche Folgen geblieben sind. Dazu zählt der Maskenskandal. Zwar sitzen zwei Schlüsselfiguren, Andrea Tandler und ihr Geschäftspartner, in Untersuchungshaft - dies aber derzeit wegen steuerrechtlicher Vorwürfe. Keine juristischen Konsequenzen hatte für den CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor die Lobbyarbeit für das US-amerikanische IT-Unternehmen "Augustus Intelligence".
In der Affäre um Einflussnahme Aserbaidschans ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München weiterhin gegen den CDU-Politiker Axel Fischer, den CSU-Politiker Eduard Lintner und dessen Sohn sowie die Ex-Mitarbeiterin einer Lobbyfirma. Ein Ergebnis ist derzeit nicht absehbar, teilte Gerichtssprecher Klaus Ruhland auf Anfrage von tagesschau.de mit. Lintner soll zwischen 2008 und 2016 etwa vier Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten und einen Teil an Abgeordnete in Belgien und Deutschland weitergegeben haben. Die Gelder sollen über britische Briefkastenfirmen und Konten in den baltischen Staaten geflossen sein.
Strafbarkeitslücke bei Abgeordnetenbestechung
Dass es beim Strafgesetzbuch-Paragrafen zur Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern eine Strafbarkeitslücke gibt, urteilte der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr. Konkret ging es um die Maskendeals des Ex-CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und des ehemaligen Justizministers von Bayern, Alfred Sauter.
Kernpunkt ist, dass laut Gesetz die Unrechtsvereinbarung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Mandatsträger "bei der Wahrnehmung des Mandats" stattfinden muss. Im konkreten Fall hätten Sauter und Nüßlein aber "außerparlamentarisch" gehandelt und dabei nicht ihre Mandate im Sinne des entsprechenden Paragrafen wahrgenommen, so das Gericht. Doch ließ es erkennen, dass das Gesetz überarbeitungsbedürftig ist. Es rügte zugleich, dass hinsichtlich missbräuchlicher Einflussnahme internationales nicht in deutsches Recht überführt worden sei. So ist es in zwei völkerrechtliche Abkommen vorgesehen, denen sich die Bundesrepublik angeschlossen hatte.
Lücken im Lobbyregister
Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen, heißt es: "Wir werden den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten." Eine tagesschau.de-Anfrage zum aktuellen Stand und zu Zeitplänen für die Umsetzung ließ das Bundesjustizministerium unbeantwortet, dies auch hinsichtlich des Vorhabens, die Regeln zum Parteiensponsoring und zum Lobbyregister zu verschärfen.
Der Koalitionsvertrag sieht beim Lobbyregister vor, "Kontakte zu Ministerien ab der Referentenebene einzubeziehen und den Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen grundrechtsschonend und differenziert (zu) erweitern". Das Lobbyregistergesetz war in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedet worden, nachdem die Union als damaliger Koalitionspartner ihren langjährigen Widerstand gegen Pläne der SPD aufgegeben hatte - nach den Affären um Amthor, Aserbaidschan und die Maskendeals. Allerdings konnte sich die damalige Justizministerin Christine Lambrecht nicht mit weitergehenden Maßnahmen durchsetzen.
Eine Lücke besteht darin, dass Auftraggeber von Lobbyisten zwar genannt werden müssen, sich dies aber umgehen lässt: Wenn das Geld an Firmen fließt, die Abgeordnete gegründet haben. Dies war bei den Maskendeals und Aserbaidschan der Fall. "Das ist noch immer legal möglich. In dem Fall greifen auch aktuell keinerlei Offenlegungspflichten - nicht auf Basis des Lobbyregisters und nicht auf Basis des Abgeordnetengesetzes", erläutert der Experte Norman Loeckel von Transparency International. In den USA zum Beispiel gibt es das Gesetz zu "ausländischen Agenten" für jene, die im Auftrag anderer Staaten handeln. Es verpflichtet zu Transparenz über Finanzquellen und Ausgaben.
Welche Vorgehensweisen auch zur Offenlegung und Untersagung von Lobbytätigkeiten gewählt werden - sie müssten nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Bundesländern festgelegt werden, betont Loeckel. Das zeigten schon die Beispiele der Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern und die Aserbaidschan-Affäre, in die auch Landtagsabgeordnete involviert waren. In einem Lobbyranking, das Transparency International erstellt hat, liegt der Bund bei der Umsetzung von Maßnahmen weit vor den meisten Bundesländern.
In der Gesamtschau zur Einführung verschiedener Transparenzregeln führt Thüringen die Bundesländer an. Als sehr vorbildlich bewertet Loeckel die Regeln zu Karenzzeiten, die sich im Thüringer Ministergesetz finden. Demnach unterliegen ehemalige Mitglieder der Landesregierung einer Karenzzeit von bis zu zwei Jahren, während der sie Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes schriftlich angeben müssen. Ein unabhängiges Gremium, das vom Landtag eingesetzt wird, bestimmt, ob durch die Beschäftigung öffentliche Interessen beeinträchtigt würden. In diesen Fällen kann die Tätigkeit untersagt werden. Verstöße können starke Konsequenzen haben.
Ein Fall wie jener von Altkanzler Schröder wäre heute auch auf Bundesebene nicht mehr möglich. Jedoch wären nach Einschätzung von Loeckel drei Jahre Karenzzeit angemessen - statt der geltenden zwölf Monate für Regelfälle und 18 Monate für besondere Interessenkonflikte. Er verweist darauf, dass für Beamte und damit auch für verbeamtete Parlamentarische Staatssekretäre fünf Jahre gelten. Da es aber für letztere keine Sanktionsmöglichkeiten gebe, blieben Verstöße wie bei Ministern ohne Folgen.
Eine Frage der nationalen Sicherheit
Da es schon an der Kontrolle mangelt, setzt sich TI auch für einen unabhängigen Lobbybeauftragten ein, der unter anderem die Angaben von Abgeordneten überprüft. Ohnehin solle Korruption als Gefahr nicht nur für die Integrität der Politik, mehr Aufmerksamkeit bekommen, sondern auch für die potenzielle Gefährdung der nationalen Sicherheit. Entsprechend solle Korruptionsbekämpfung und -prävention in die Nationale Sicherheitsstrategie aufgenommen werden, die sich die Ampelkoalition vorgenommen hat.
Auf eine Anfrage von tagesschau.de dazu an das Auswärtige Amt, ob dies geplant sei und ob die Strategie auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden soll, hieß es: "Die Details der inhaltlichen Arbeiten an der Nationalen Sicherheitsstrategie sind Teil von internen Abstimmungen der Bundesregierung. Zu Einzelfragen kann daher keine Auskunft gegeben werden."