"Fridays for Future"-Streiktag Welchen Einfluss haben die Klimaaktivisten?
Die Aktivisten der Bewegung "Fridays for Future" rufen heute zum globalen Streiktag auf. Ohnehin vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo im Land Klimaaktivisten im Einsatz sind. Aber was bringt das überhaupt?
Fragt man Aktivisten von "Fridays for Future", so haben sie sehr wohl einen großen Einfluss auf die Politik, sind sehr erfolgreich und hatten keine nennenswerten großen Niederlagen in den letzten fünf Jahren zu verbüßen. Fragt man Protestforscherin Sophia Hunger von der Universität Bremen, sieht das Bild schon etwas differenzierter aus: "Der Einfluss der Bewegungen ist nicht so groß, wie sie ihn gerne hätten." Die Ursache dafür sieht die Wissenschaftlerin weniger in der Protestbewegung als in der Ampelkoalition: "Die Ampel ist aktuell sehr viel mit sich beschäftigt. Der Einfluss scheitert am politischen Willen der Parteien selbst und der ist ganz stark getrieben von Machtkonstellationen.“
Auch Clara Duvigneau von "Fridays for Future" sieht das Problem eher in der Bundesregierung als bei der Bewegung: "Wir müssen uns nach fünf Jahren 'Fridays for Future' eher fragen, mit welcher Ignoranz manche Politiker und Politikerinnen unseren Protest wegignoriert haben."
Größter Erfolg: Den Dikurs gestartet zu haben
Zu einem ähnlichen Urteil kommt Jan Wilkens vom Exzellenzcluster Climate, Climatic Change and Society (CLICCS) der Universität Hamburg. Der Politikwissenschaftler spricht von einer Verzögerungstaktik seitens der Regierung, weist aber auch darauf hin, dass der Prozess politischer Entscheidungsfindung weit komplexer ist als oft gedacht: "Ich glaube, es gibt die sehr einfache Vorstellung, dass man eine Forderung aufstellen kann und die wird dann idealerweise in der Politik umgesetzt. So einfach ist das nicht." Wilkens sieht den Erfolg der Klimabewegung eher "auf lange Sicht", da die Gruppe ein "Bewusstsein für die Problematik geschaffen" habe.
Den Diskurs über die Klimakrise gestartet zu haben, das wertet auch Robin Celikates von der Freien Universität Berlin als einen der größten Erfolge der Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Der Sozialwissenschaftler sagt, dass so auch "die Regierungsparteien ihre eigenen klimapolitischen Versprechen viel ernster genommen haben". Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021, das der damaligen Klimaschutzpolitik bescheinigt, unvereinbar mit den Freiheits- und Grundrechten zukünftiger Generationen zu sein, "hätte es ohne 'Fridays for Future' nicht gegeben", sagt Celikates.
Größere Radikalität erzeugt mehr Aufmerksamkeit
Die sogenannten Klimakleber der "Letzten Generation" werden oft als die kleine radikale Schwester beschrieben, die der Klimabewegung eher schade als nütze. Doch dem widerspricht die Wissenschaft. Celikates beschäftigt sich in seiner Forschung auch mit zivilem Ungehorsam und betont, dass Klimabewegungen plural sein müssen, um erfolgreich zu sein.
Protestforscherin Hunger sieht zwischen "Fridays for Future" und der "Letzten Generation" eher eine Aufgabenteilung als ein Gegeneinander: "'Fridays for Future' ist der breite, moderate Arm einer größeren Klimabewegung und die 'Letzte Generation' ist eher eine radikale Flanke, die kleinere, nicht so massenstarke Aktionen macht, die aber durch ihre größere Radikalität einfach mehr Aufmerksamkeit generieren kann, als man das mit einer Demo mit 15 Leuten könnte."
Kriminalisierung von Klimaaktivisten problematisch
Silvia Klesz von der "Letzen Generation" sagt, die Gruppe sei sich darüber bewusst, dass ihre Aktionen nerven und dennoch: "Es ist ein erfolgreiches Mittel und deswegen nutzen wir es." Doch mindern solche radikalen Formen eher die Zustimmung für Klimaschutz innerhalb der Bevölkerung? Nein, sagt Protestforscherin Hunger: "Wir haben dazu eine Studie durchgeführt und sehen, eigentlich macht es keinen Unterschied. Die Leute finden Klimaschutz immer noch genauso wichtig, unabhängig davon, ob sie eben mit diesen Aktionen konfrontiert sind."
Es sei jedoch fatal die Aktivisten von der "Letzten Generation" als "Klima-RAF" zu bezeichnen, wie es CSU-Politiker Alexander Dobrindt gemacht hat, unterstreicht Hunger. Solche und ähnliche Aussagen würden eher zu einer größeren Gewaltbereitschaft gegen die Aktivistinnen und Aktivisten führen. Diese Aussagen seien "sehr gefährlich" sagt auch Politikwissenschaftler Wilkens vom CLICS: "Wir sehen nicht nur in Deutschland, sondern auch global, eine zunehmende Kriminalisierung von Klimaaktivisten und -aktivistinnen. Das ist ein großes Problem."
"Auf keinen Fall ist Scholz ein Klimakanzler"
Dass die Bewegung "Fridays for Future" mit der Arbeit der Ampelkoalition nicht zufrieden ist, überrascht nicht: "Auf keinen Fall ist Scholz ein Klimakanzler. Das, was im Moment in der Ampelregierung passiert, ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen", sagt "Fridays for Future"-Aktivistin Duvigneau. Das habe schon beim Koalitionsvertrag angefangen. Dort wurde festgehalten: "Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausstieg idealerweise auf 2030 vorziehen und die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen."
Das Wörtchen "idealerweise" spricht für Duvigneau Bände: "Das 'idealerweise' ist repräsentativ für das, was in deutschen Regierungen, sowohl in den Landesparlamenten aber auch in der Bundesregierung passiert. Es wird in vielen Fällen verwässert und aufgeweicht und die Dinge, für die wir so hart gekämpft haben, werden rückgängig gemacht."
Die "Fridays for Future"-Aktivisten fordern massive Investitionen, um die Transformation zu bewältigen, beispielsweise ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Duvigneau betont: "Bei der Rechnung, die Christian Lindner gerade macht, kommt viel zu kurz, dass wir das Geld, das wir jetzt in die Hand nehmen, uns als Folgekosten erspart bleibt. Das, was wir jetzt nicht ausgeben, wird uns später auf die Füße fallen." Darüber hinaus müsse der CO2-Preis auf 180 Euro pro Tonne ansteigen. Derzeit liegt der CO2-Festpreis nach dem nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz bei 30 Euro pro Tonne. Und damit auch die sozial Schwächeren mitgenommen werden, bräuchte es - so "Fridays for Future" - ein Klimageld.
Aktivisten fühlen sich im Stich gelassen
Klimaschutz sei ein strukturelles Problem, sagt Politikwissenschaftler Wilkens, "das können wir nur gesamtgesellschaftlich und mit politischen Rahmenbedingungen schaffen, wo jeder und jede mitgenommen werden muss". Die Klimaaktivisten fühlen sich in ihrem Kampf für mehr Klimaschutz von der breiten Gesellschaft zu Teilen im Stich gelassen.
"Fridays for Future"-Aktivistin Duvigneau plädiert dafür, den Kampf für mehr Klimaschutz nicht auf Klimaaktivisten abzuladen: "Ich frage mich manchmal, ob wir uns nicht angewöhnt haben, die Verantwortung auf die aktiven Menschen abzuwälzen und dadurch wegzuggucken von den Menschen, die wirklich die Entscheidungsträger sind."
Egal, ob sie nerven oder nicht - der Protest der Klimabewegung zeigt durchaus Einfluss auf politische Entscheidungen und den gesellschaftlichen Diskus. Für Protestfoscherin Hunger steht fest: "Über ein Thema, worüber wir als Gesellschaft wenig sprechen, wird sich auch wenig ändern."