Ungesunde Lebensmittel Werbeverbot in der Warteschleife
Vor einem Jahr hat Ernährungsminister Özdemir seinen Plan für ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel vorgestellt. So will er Kinder schützen. Doch das Vorhaben steckt im Ampel-Streit fest. Wie geht es weiter?
Zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland haben Übergewicht. Zu viele, findet Bundesernährungsminister Cem Özdemir. Als eine Maßnahme dagegen will er deshalb die Werbung für ungesunde Lebensmittel einschränken. Einen Gesetzentwurf hat er bereits vor einem Jahr vorgelegt.
Jetzt sagt Özdemir: "Man braucht Geduld bei dieser Arbeit, die habe ich, und gleichzeitig braucht man Hartnäckigkeit". Die Bundesregierung habe sich nochmal dazu bekannt, dass es dieses Gesetz geben soll, betont der Grünen-Politiker. Doch über den Inhalt des Gesetzes, da gehen die Meinungen zwischen den Ampel-Parteien in der Koalition weit auseinander.
Özdemir will Werbung für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz zu bestimmten Zeiten im Fernsehen und online komplett verbieten. Unter anderem Montag bis Freitag von 17 bis 22 Uhr - und damit auch in der Primetime mit den meisten Zuschauern und höchsten Werbeeinnahmen. Außerdem soll es eine Bannmeile für Plakatwerbung rund um Kitas und Schulen geben.
Kritik der FDP: "Noch nicht mal beratungsfähig"
Für den FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker sind die bisher unterbreiteten Vorschläge "alles andere als zustimmungsfähig, für mich noch nicht mal beratungsfähig". Der FDP-Politiker will Werbung nur dann verbieten, wenn sie direkt an Kinder gerichtet ist, zum Beispiel im Umfeld von Kindersendungen.
Auch Lebensmittelverband und Werbeindustrie wehren sich gegen die Vorschläge. Sie fürchten eine Überregulierung. Und zweifeln daran, dass Werbeverbote einen positiven Effekt haben.
Ähnlich sieht das der FDP-Politiker Hocker. In der Regel liege der Grund von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nicht in der Werbung für Süßigkeiten. Der Grund sei vielmehr ein "ungesunder Alltag mit zu wenig Bewegung und zu wenig Informationen - vielleicht auch vom Elternhaus über Lebensmittel und wie man sich ausgewogen ernährt". Deshalb müsse man statt Werbeverboten Sport und Bewegung fördern.
Appell gegen das Scheitern
Das eine dürfe man nicht gegen das andere ausspielen, findet hingegen Carola Reimann. Sie ist Vorstandschefin des AOK-Bundesverbands, unter dem sich die Krankenkassen der AOK versammeln. Zuvor war die SPD-Politikerin Gesundheitsministerin in Niedersachsen.
Häufig werde in Diskussionen die individuelle Verantwortung überbetont, sagt Reimann. "Verhaltensforscher können sehr klar nachweisen, dass die Umgebungsbedingungen wichtig und ausschlaggebend sind." Eine Umgebung mit viel Werbung habe einen Einfluss.
Der AOK-Bundesverband setzt sich für Werbebeschränkungen ein. Studien zeigten, dass oft ungesunde Lebensmittel beworben würden: "Wir wissen auch, dass diese Werbung die Präferenzen der Kinder und Jugendlichen, was Kaufverhalten und Konsumverhalten angeht, negativ beeinflusst. Kinder und Jugendliche sehen im Schnitt 16-mal am Tag eine solche Werbung", sagt Reimann. Davor müsse man sie schützen.
Die AOK-Chefin hat deshalb zusammen mit Verbraucherschützern und Gesundheitsexperten einen Appell an die Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz geschickt, das Werbeverbot nicht "am Widerstand von Lebensmittel- und Werbewirtschaft" scheitern zu lassen.
Özdemir bleibt optimistisch
Ernährungsminister Özdemir gibt sich zuversichtlich. Die Bundesregierung habe sich jetzt auf ein paar Punkte verständigt: "Also grünes Licht, der Gesetzentwurf wird kommen, aber der Gesetzentwurf wird nochmal angepasst, überarbeitet, berücksichtigen das Feedback, das wir bekommen haben".
Bald soll es dazu mehr Informationen geben, so zumindest die Ankündigung des Ministers.