Appell für Werbebeschränkung "FDP stellt sich gegen den Konsens der Wissenschaft"
Kinder sollen weniger mit Werbung für ungesundes Essen konfrontiert werden. Das steht so im Koalitionsvertrag, doch die FDP kritisiert den entsprechenden Gesetzentwurf des grünen Ministers. Von Verbänden muss sie sich nun deutliche Worte anhören.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will mit Werbeverboten Kinder besser vor ungesunden Lebensmittel schützen. Vielen in der FDP gehen diese Pläne zu weit. Jetzt wollen 61 Verbände und Organisationen die Partei umstimmen. In einem offenen Brief an die FDP-Führung appellieren sie, das Werbeverbot zu unterstützen.
Mit ihrer Ablehnung stelle sich die Partei "gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und unter Fachorganisationen", heißt es in dem Schreiben, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert. Dies bedeute "eine klare Absage an den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen".
Vorhaben steht im Koalitionsvertrag
Zu den Unterzeichnern gehören laut Zeitung Verbraucherschützer, der AOK-Bundesverband, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Diabetes Gesellschaft, das Deutsche Krebsforschungszentrum und das Deutsche Kinderhilfswerk. In ihrem Appell an FDP-Chef Christian Lindner hätten die Gruppierungen ihre "große Sorge" über jüngste Äußerungen von FDP-Vertretern ausgedrückt, schreibt die Zeitung weiter.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist eine Einschränkung der Werbung für ungesunde Lebensmittel ausdrücklich festgehalten. Dort heißt es:
An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben
Kubicki sprach von "politischen Aktionismus"
Auf den dazu von dem Grünen-Politiker Özdemir vorgelegten Gesetzentwurf hatte die FDP skeptisch bis ablehnend reagiert. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach von "politischem Aktionismus". Die Partei hat allerdings keine offizielle Stellungnahme vorgelegt.
Nach Kritik hatte Minister Özdemir die vorgesehen Beschränkungen Ende Juni noch einmal enger gefasst. Werbeverbote für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz sollten nun etwa auf Zeiten konzentriert werden, in denen besonders viele Kinder Fernsehen schauen.
Foodwatch: Junkfood-Werbung zur Primetime
Gero Hocker, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Liberalen seien bereit, Werbung für gesundheitsschädliche Lebensmittel zu beschränken, die sich direkt an Kinder richte - etwa in Comics oder rund um Kindersendungen. Aber die Pläne von Ernährungsminister Özdemir gingen zu weit.
Aus Sicht der Unterzeichner des Briefs würde ein so eingeschränktes Verbot sein Ziel verfehlen. Denn etwa jede dritte TV-Sendung, die Kinder unter 14 Jahren sehen, sei eben keine klassische Kindersendung: "Gerade in der abendlichen Primetime überschüttet die Lebensmittelindustrie Kinder mit Junkfood-Werbung - genau hier müssen die Werbeschranken greifen, sonst ist nichts gewonnen", erklärte Molling von Foodwatch.
15 Prozent der Kinder haben Übergewicht
Die Unterzeichner widersprechen auch dem Einwand, Werbebeschränkungen würden die Freiheit der Konsumenten beschneiden. Vielmehr beeinflusse Werbung nachweislich das Kauf- und Essverhalten - und beeinträchtige somit die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen.
Auch die Weltgesundheitsorganisation hatte vor kurzem verpflichtende Werbeverbote zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gefordert. Studien zeigten, dass sich weniger Reklame positiv auf die Essensauswahl von Kindern auswirke. Nach Angaben der Unterzeichner des Appells sind in Deutschland derzeit 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent von Adipositas, einem starken Übergewicht, betroffen.