Übergewichtige Kinder machen Sport in einer Turnhalle.

Strengere Regeln geplant Mit Werbeverboten gegen Diabetes?

Stand: 27.02.2023 18:17 Uhr

Übergewicht gilt als einer der wichtigsten Faktoren bei der Entstehung von Diabetes. Auch immer mehr Kinder sind betroffen. Ernährungsminister Özdemir fordert daher strengere Werbe-Regeln für ungesunde Lebensmittel.

Von Ralf Kölbel, SWR

Diabetes mellitus, auch bekannt als "Zuckerkrankheit", ist weltweit auf dem Vormarsch. Laut Robert Koch-Institut erkranken sieben von 100 Erwachsenen in Deutschland im Laufe ihres Lebens an Diabetes - damit ist Diabetes eine der häufigsten Volkskrankheiten.

Jedes siebte Kind übergewichtig

Etwa 90 Prozent der Betroffenen haben Diabetes des Typs 2, der zu über 80 Prozent mit Fettleibigkeit (Adipositas) einhergeht. Rund 15 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen in Deutschland sind nach offiziellen Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft übergewichtig, darunter fast sechs Prozent adipös.

Im Kindesalter ausgebildetes Übergewicht bleibt oftmals ein Leben lang bestehen und erhöht in späteren Lebensphasen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2. Minister Cem Özdemir will daher künftig an Kinder gerichtete Werbung für Chips, Schokolade und andere Dickmacher verbieten.  

Werbung für ungesunde Lebensmittel regulieren

Konkret geht es Özdemir dabei um Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt. Sie sollen nach Vorstellung des Ministers künftig nicht mehr in der Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr beworben werden. Außerdem soll es künftig keine Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder anderen Freizeiteinrichtungen für Kinder geben sowie kein Sponsoring.

Mit dem Begriff "Kinder" sind in diesem Zusammenhang unter 14-Jährige gemeint. Kontrolliert werden soll das Ganze durch die Marktüberwachungsbehörden der Länder.

Übergewicht wichtiger Faktor

Bei den meisten Betroffenen heißt die Diagnose "Altersdiabetes", wie Diabetes vom Typ 2 auch genannt wird. Vor allem bei Menschen mit starkem Übergewicht tritt der häufig auch schon in jüngeren Jahren auf. Kennzeichnend für diese Diabetes-Form ist, dass die Wirkung des Insulins in den Körperzellen vermindert ist.

Übergewicht in jungen Jahren erhöht die Gefahr, an Diabetes zu erkranken, stärker als eine Zunahme im Alter. Auch Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung stehen im Verdacht, einen Einfluss zu haben.

Ernährungsminister Özdemir will Werbung an Kinder für ungesunde Lebensmittel verbieten

Viktoria Kleber, ARD Berlin, tagesschau, tagesschau, 27.02.2023 20:00 Uhr

Autoimmunerkrankung

Bei der selteneren Form der Zuckerkrankheit, Diabetes vom Typ 1, ist das anders. Dort greift der eigene Körper die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse an. Der Körper produziert kein Insulin mehr. Es kommt zu einem absoluten Insulinmangel mit der Folge, dass die in der Nahrung enthaltenen Brennstoffe wie zum Beispiel Traubenzucker (Glukose) nicht mehr ausreichend in die Körperzellen geschleust und verstoffwechselt werden können.

Diabetes Typ 1 beginnt meist im Kindes- und Jugendalter und betrifft 0,3 bis 0,4 Prozent der Bevölkerung. Umweltfaktoren und Gewicht spielen bei dieser Form des Diabetes nach derzeitigen Erkenntnissen keine große Rolle.

Studie: Verdoppelung der Typ-1-Fälle

Doch auch die Zahl der Typ-1-Diabetes-Fälle scheint dramatisch zu steigen - auch bei Kindern: Eine aktuelle Lancet-Studie prognostiziert nun, dass sich die Erkrankungszahlen für Diabetes Typ 1 bis 2040 weltweit von etwa 8,4 Millionen auf bis zu 17,4 Millionen verdoppeln könnten.

Eine Erklärung für die starke Zunahme der Fälle gibt es derzeit nicht, sagt Andreas Neu von der Uniklinik Tübingen und Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft im Interview mit dem SWR. "Es gibt kaum einen Faktor, den man nicht analysiert hat im Zusammenhang mit der Zunahme des Typ-1-Diabetes. Man hat den Lebensstil, klimatische Faktoren und demographische Faktoren untersucht, um einen Zusammenhang zu finden. Aber das ist bis zum heutigen Tag nicht gelungen. Und die simple, ernüchternde Antwort heißt: Wir wissen nicht, warum der autoimmune Typ-1-Diabetes zunimmt."

Fortschritte bei Diabetes-Therapien

Vor allem Patienten mit Diabetes vom Typ 1 mussten vor einiger Zeit ständig Insulin spritzen - inzwischen gibt es Alternativen. Dazu zählen programmierbare Insulinpumpen, die regelmäßig die richtige Menge abgeben. Die Therapie mit Medikamenten hat entscheidende Fortschritte gemacht. Zum Beispiel gibt es Mittel, die sich Patienten nur noch einmal in der Woche spritzen müssen, anstatt jeden Tag. Diabetologen empfehlen solche Depotspritzen vor allem für Senioren mit Diabetes Typ 2.

Außerdem sind neue Wirkstoffe auf dem Markt, die den Blutzucker normalisieren. So können schwerwiegende Folgeerkrankungen an Gefäßen und Nerven weitgehend verhindert oder wesentlich verzögert werden. Im Fall von Diabetes Typ 2 sollen diese neuen Medikamente auch gleichzeitig beim Abnehmen helfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. Februar 2023 um 17:00 Uhr.