Zum Schutz von Kindern Özdemir will Werbung für Junkfood einschränken
Ernährungsminister Özdemir will künftig an Kinder gerichtete Werbung für Chips, Schokolade und andere ungesunde Snacks verbieten. Werbespots sollen zum Beispiel nur zu bestimmten Uhrzeiten laufen. Widerstand kommt auch aus der Ampel.
Bundesernährungsminister Cem Özdemir will zum Schutz von Kindern Werbung für ungesunde Lebensmittel in weiten Teilen verbieten. Das Verbot soll für Fernseh- und Radiosendungen und Online-Netzwerke wie YouTube von 06.00 Uhr morgens bis 23.00 Uhr abends gelten, sagte er in Berlin.
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Werbewirtschaft hätten zu nichts geführt, sagte Özdemir. Deshalb brauche es nun eine strikte Regelung. Zugleich betonte er, dass er kein "allgemeines Werbeverbot" fordere. "Aber die Werbung darf sich eben nicht mehr gezielt an Kinder richten."
Die Definition von "an Kinder gerichtet" solle bewusst "weit gefasst" werden, sagte der Minister: So schauten Kinder nachweislich zwischen 06.00 und 23.00 Uhr fern oder seien im Internet unterwegs - deshalb sollen zuckerhaltige Getränke oder fettige und salzige Snacks in dieser Zeit nicht mehr beworben werden dürfen.
Mit dem Begriff Kinder sind in diesem Zusammenhang unter 14-Jährige gemeint. Die Feststellung eines zu hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes soll sich an Nährwertberechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren.
Özdemir fordert auch ein Verbot von Junkfood-Werbung im Umfeld von Schulen und Spielplätzen.
Özdemir will Werbung für solches Junkfood auch in Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren verbieten, wenn sie sich von der Aufmachung her offensichtlich an Kinder richtet. Außerdem soll es keine Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder anderen Freizeiteinrichtungen für Kinder geben sowie kein Sponsoring. Kontrolliert werden soll das Ganze durch die Marktüberwachungsbehörden der Länder.
Lob von Fachleuten
Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft erklärte, Özdemir sei "ein großer Wurf gelungen". Adipositas bei Kindern stelle ein zentrales Gesundheitsproblem dar und die Werbung für Ungesundes sei dafür ein wichtiger Faktor. Der Staat schulde Kindern nach der UN-Kinderrechtskonvention das "erreichbare Höchstmaß an Gesundheit", nicht aber der Werbeindustrie das erreichbare Höchstmaß an Einnahmen durch Junkfood-Werbung.
Die Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Barbara Bitzer, nannte die Pläne Özdemirs einen "Meilenstein" für die Kindergesundheit. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass viele der beliebtesten Sendungen bei Kindern unter 14 Jahren keine Cartoons seien, sondern Familienshows und Fußballübertragungen. Diese laufen auch am späten Abend.
Widerstand von FDP und Koalition
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte hingegen, er sei immer dafür, dass Eigenverantwortung in der Politik eine große Rolle spielt. "Verbote bringen an dieser Stelle aus meiner Sicht nichts." Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, kündigte an, Özdemir werde innerhalb der Koalition "keine Mehrheit finden". Er verfolge anscheinend das Ziel, "aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen".
Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger kritisierte in der "Rheinischen Post": "Özdemir ebnet den Weg für Dirigismus, Bürokratie und staatliche Bevormundung." Wie der Minister zielgenau die Produkte ausfindig machen wolle, die er für schädlich halte, "bleibt genauso offen wie die Frage, woran er denn festmachen will, welche Werbung sich eindeutig an Kinder richtet". Ob Werbeverbote überhaupt etwas im Kampf gegen Übergewicht bringen, sei "vollkommen unklar".
Entwurf muss abgestimmt werden
Laut dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft soll der Gesetzentwurf im ersten Quartal 2023 mit den anderen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt werden. Die Bundesländer und Verbände sollen konsultiert und Stellungnahmen ausgewertet werden. Der überarbeitete Entwurf soll außerdem der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden. Dann müsse der Bundestag den Entwurf beschließen.
Nach Angaben der Bundesregierung sind rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland übergewichtig, fast sechs Prozent sind adipös. Im Kindesalter ausgebildetes Übergewicht bleibe oftmals ein Leben lang bestehen und erhöhe in späteren Lebensphasen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2, heißt es weiter.