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Verantwortungsgemeinschaft Wie Unverheiratete füreinander sorgen könnten

Stand: 05.02.2024 13:57 Uhr

Ein "Angebot für andere Nähebeziehungen", aber keine Alternative zur Ehe: Justizminister Buschmann stellt heute die Eckpunkte zur Einführung von Verantwortungsgemeinschaften vor. Was heißt das eigentlich?

Die Ampelregierung will ein neues Modell für Menschen einführen, die ohne Eheschließung dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Im Rahmen einer sogenannten Verantwortungsgemeinschaft sollen sich Alleinstehende gegenseitig im Alltag besser unterstützen können.

Das Vorhaben ist nicht neu. Es ist Teil des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP. Darin heißt es: "Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen." Wie das konkret aussehen soll, steht nun in den Eckpunkten von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).

Was ist eine Verantwortungsgemeinschaft?

Das Modell richtet sich an Gemeinschaften von zwei bis sechs Personen, die zum Beispiel zusammen wohnen und sich auch im Notfall helfen wollen. Welcher Art diese Beziehung genau ist, ist nicht näher festgelegt. Es soll ein "tatsächliches persönliches Näheverhältnis" bestehen, heißt es im Eckpunktepapier. Staatlich kontrolliert werde das aber nicht. Als Beispiel nennt das Justizministerium zwei ältere Frauen, die ohne Lebenspartner oder Verwandten leben und sich gegenseitig unterstützen.

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, sieht darin auch einen Fortschritt für queere Menschen, ihre Wahlfamilie rechtlich abzusichern. Das sagte der Grünen-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Für Lesben, Schwule oder transgeschlechtliche Menschen sei es oftmals die Wahlfamilie, die aufgrund von Ablehnung nach dem Coming-out den Platz der Herkunftsfamilie eingenommen hat", erklärte Lehmann. Nicht nur in der Ehe oder in Liebesbeziehungen würden Verantwortung und Sorge füreinander gelebt, sondern auch in Freundschaften.

Was bringt das Konzept?

Juristisch gesehen geht es um einen gesetzlichen Rahmen, Beziehungen rechtlich abzusichern. Dazu soll ein "Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft" auf den Weg gebracht werden. Wie genau dieser Rahmen dann aussieht, kann von Fall zu Fall geregelt werden - je nach dem Maß der gewünschten Verantwortungsübernahme. Vorgesehen ist, dass "die Parteien zwischen Stufen und Modulen mit klar definierten Rechtsfolgen auswählen können" sollen.

In der Grundstufe des Modells sollen die Vertragspartner beispielsweise bei der Auswahl eines rechtlichen Betreuers berücksichtigt werden. Ein wählbares Modul könnte etwa festlegen, dass Ärzte bei Notsituationen von der Schweigepflicht entbunden werden. Vertragspartner könnten dann beispielsweise auch Entscheidungen über medizinische Eingriffe treffen.

Buschmann räumt ein, dass sich durch einzelne Vollmachten etwas Ähnliches nachbauen lasse wie eine Verantwortungsgemeinschaft. Doch die Verantwortungsgemeinschaft biete zwei Vorteile. "Erstens kann man alles in einem Durchgang erledigen und sich beim Notar genau das passende Modell zusammenbauen. Außerdem hat die Verantwortungsgemeinschaft einen symbolischen Mehrwert. Wer sie eingeht, gibt einem sozialen Verhältnis eine Struktur und einen positiven Namen."

Wie schließt und beendet man eine Verantwortungsgemeinschaft?

Verantwortungsgemeinschaften müssen laut Eckpunktepapier notariell beurkundet werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass über die Folgen des Vertrags ausreichend aufgeklärt wird. Der Weg zum Standesamt soll aber nicht nötig sein.

Eine Änderung oder auch das Ende einer Gemeinschaft muss ebenfalls notariell beurkundet werden und soll jederzeit möglich sein. Die Auflösung kann auch durch einzelne Partner erfolgen.

Was ist der Unterschied zur Ehe?

Die Regelungen zur Ehe bleiben davon unberührt, so auch der im Grundgesetz festgelegte besonderen Schutz durch den Staates. Eine Verantwortungsgemeinschaft soll keine Auswirkungen auf das Eltern-Kind-Verhältnis haben, es werde auch keine Steuererleichterungen geben, auch keine erbrechtlichen Folgen oder Unterhaltspflichten. Wer wolle, könne allerdings den Vermögensausgleich nach Beendigung einer Verantwortungsgemeinschaft regeln, so Buschmann.

Wie werden die Pläne aufgenommen?

Lob kommt vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Lebensumstände, Partnermodelle und Familiensysteme haben sich seit vielen Jahren sehr verändert, sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier dem RND. "Dem Rechnung zu tragen, ist ein guter Ansatz - vor allem in Zeiten, in denen die Quote der Alleinlebenden immer weiter steigt und die Gesellschaft immer weiter altert."

Die Unionsfraktion sieht die Pläne kritisch. Ein neues Modell sei unnötig, weil man bereits jetzt entsprechende Verträge beim Notar schließen könnte. "Niemand wird kontrollieren können, welcher Art die Verbindung zwischen den Menschen in einer solchen Verantwortungsgemeinschaft ist", sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Günter Krings, dem RND.

Lea Eichhorn, ARD Berlin, tagesschau, 05.02.2024 14:58 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 04. Februar 2024 um 10:01 Uhr.