Steuervorteil Ehe Ist das Ehegattensplitting noch gerecht?
Wer heiratet, kann mit dem Ehegattensplitting ordentlich Steuern sparen. Unverheiratete Familien finden das ungerecht, Alleinerziehende auch. Über eine Reform wird erbittert gestritten. Passt das Modell noch in unsere Zeit?
Am Anfang war es eine Beziehung auf Augenhöhe: Darja B. verdiente als Apothekerin mehr als ihr Partner. Dann kam der erste Sohn, die Hochzeit, dreieinhalb Jahre später der zweite Sohn.
Sie nimmt wie so viele Frauen Elternzeit, arbeitet danach Teilzeit. Nach der Hochzeit wird sie mit ihrem Mann steuerlich gemeinsam veranlagt, im Ehegattensplitting - wie der Großteil aller verheirateten Paare. "Wir haben uns da, ehrlich gesagt, auch keine Gedanken drüber gemacht", sagt Darja B. "Wir haben das so gemacht, weil das alle so gemacht haben."
Die Grundidee ist simpel: Das Finanzamt wirft beide Verdienste in einen Topf. Dann wird halbiert. Und jeder zahlt genau für die Hälfte Steuern. Egal, ob das Paar Kinder hat oder nicht. Der Clou dabei: Wenn der eine viel mehr verdient als der andere, kann das Paar kräftig Steuern sparen.
Ein Partner hat 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr, der andere nur 5.000. Das macht für den Besserverdienenden zum Beispiel 15.200 Euro Steuern, für den anderen keine. Also insgesamt 15.200 Euro Steuern.
Jetzt die Splittingrechnung: Gemeinsam hat das Paar 65.000 Euro zu versteuerndes Einkommen, also 32.500 pro Nase. Macht entsprechend 5.450 Euro Steuern pro Person, zusammen also nur 10.900 Euro. Das Paar spart durch das Splitting also 4.300 Euro - pro Jahr.
Der Vorteil: Alle Ehepaare zahlen bei gleichem gemeinsamen Einkommen die gleichen Steuern - egal, wie das Einkommen unter den Paaren aufgeteilt ist. Der Nachteil: Den größten Spareffekt haben Paare, bei denen der eine sehr viel, und der andere sehr wenig oder nichts verdient. Und immer noch arbeiten deutlich mehr Mütter in Teilzeit als Väter.
Das Ehegattensplitting spiele diesem Modell in die Karten, so die Kritik. 20 Milliarden Euro kostet den Staat das Ehegattensplitting. Alle Familienkonstellationen ohne Trauschein sind vom Ehegattensplitting ausgeschlossen.
Recht und billig oder antiquiert?
Und genau da setzt die Kritik am Splitting an: Was will der Staat mit dem Ehegattensplitting eigentlich fördern? Die Parteien sind in diesem Punkt völlig zerstritten.
"Wenn man heiratet, übernimmt man Verantwortung füreinander, übrigens auch Unterhaltsansprüche. Und deshalb ist es nur recht und billig, dass der Staat eine wirtschaftliche Gemeinschaft wie die Ehe auch gemeinsam besteuert", sagt Finanzminister Christian Lindner, FDP.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil nennt das Splitting ein "antiquiertes Steuermodell", das geändert werden müsse. "Es führt dazu, dass gerade dort, wo einer der beiden Partner viel Geld verdient, und das ist meistens der Mann, es für den zweiten Partner reizvoll ist, zuhause zu bleiben."
So war es auch bei Darja B. Sie blieb nach der Elternzeit bei zwölf Stunden Teilzeit pro Woche. Schnell merkte sie: Das ist nichts für sie. Sie wollte lieber wieder mehr arbeiten. "Und damit begannen dann die Diskussionen mit meinem Mann", erinnert sie sich.
Leitbild Hausfrauenehe
Als das Ehegattensplitting in den 1950er Jahren eingeführt wurde, war die Hausfrauenehe das übliche Lebensmodell. Heute sieht das völlig anders aus: Ein Drittel aller Familien mit Kindern sind Alleinerziehende oder Paare ohne Trauschein - und profitieren nicht vom Ehegattensplitting.
Umgekehrt haben mehr als die Hälfte aller Ehepaare überhaupt keine Kinder und genießen dennoch den steuerlichen Vorteil. Ist das Ehegattensplitting also noch zeitgemäß? Nein, so die Meinung vieler Expertinnen und Experten.
EU-Kommission rügt Ehegattensplitting
Auch von der OECD und der EU-Kommission wurde Deutschland schon mehrfach für das Ehegattensplitting gerügt, da es unerwünschte Nebenwirkungen habe und gerade Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte - insbesondere in der Variante mit den Steuerklassen III und V. Das Ehegattensplitting kann nämlich in verschiedenen Varianten betrieben werden.
Unter dem Strich kommt für das Ehepaar am Ende des Jahres bei allen Varianten das Gleiche heraus - aber je nachdem, welche Steuerklassen das Paar wählt, macht es für den einzelnen Partner einen Riesenunterschied.
Darja B. und ihr damaliger Mann nutzten das Ehegattensplitting in den Steuerklassen III und V, wie die meisten aller Ehepaare.
Das funktioniert so: Der besser Verdienende nimmt Steuerklasse III, der schlechter Verdienende Steuerklasse V. Der schlechter Verdienende überlässt dann dem besser Verdienenden den Grundfreibetrag und, falls Kinder da sind, die Kinderfreibeträge. Der weniger Verdienende bekommt so jeden Monat übermäßig viele Steuern abgezogen, der besser Verdienende umso weniger. Für den schlechter Verdienenden scheint sich die Arbeit noch weniger zu lohnen.
Darja B. merkte, dass die Ehe in Schieflage geriet, auf unterschiedlichen Ebenen. "Auf einmal kamen dann so Sachen hoch, dass er fragte: Warum hast Du das denn gekauft, ohne zu fragen? Ich dachte dann: Moment mal, ich verdiene auch Geld und möchte mir einfach so etwas kaufen können. Ich habe da irgendwie in etwas gesteckt und bin kleiner geworden, als ich eigentlich bin."
"Es lohnt nicht, wenn Du mehr arbeitest"
Helma Sick kennt solche Fälle. Sie betreibt eine Finanzberatung für Frauen in München. "Frauen hören dann von den Männern oft das Argument: Schau mal, Schatz, das lohnt sich doch nicht, wenn Du mehr arbeitest. Dann verliere ich meine hohe Steuerersparnis." Den Frauen sei oft gar nicht bewusst, wie hoch der Steuervorteil für die Männer und ihr eigener finanzieller Nachteil sei.
Sick macht auf einen weiteren Nachteil aufmerksam: Derjenige in Steuerklasse V bekommt wegen seines geringeren Nettoverdienstes auch weniger Krankengeld, Arbeitslosengeld I oder Elterngeld.
Darja B. zog irgendwann den Schlussstrich und ließ sich scheiden. Für die gemeinsamen Ehejahre hat sie somit Anspruch auf die Hälfte der Rentenansprüche ihres Ex-Mannes. Sick betont, dass es aber nur für den Teil des Gehaltes gilt, der die Bemessungsgrenze nicht übersteigt - und eben nur für die Dauer der Ehe. "Die Frauen sind dann oft überrascht, wie wenig es eigentlich ist."
Helma Sick berät Frauen in Finanzfragen.
Verlust von Möglichkeiten
"Was außerdem nicht beziffert werden kann, ist der Verlust an beruflichen Möglichkeiten. Aufstiegsmöglichkeiten, Geld, das sie in einer anderen Position verdient hätte", so Sick. "Viele Frauen landen deshalb in der Altersarmut.“
Darja B. arbeitet heute wieder deutlich mehr Stunden. Finanziell von einem Mann möchte sie sich nie wieder abhängig machen.
Mehr zu diesem Thema gibt es in der WDR-Story "Steuerparadies Ehe: Ist das Ehegattensplitting noch gerecht?" in der ARD-Mediathek.