Thüringen CDU setzt mit AfD und FDP Steuersenkung durch
Mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP hat der thüringische Landtag eine Steuersenkung beschlossen - und damit die rot-rot-grüne Regierung überstimmt. Diese macht der CDU schwere Vorwürfe - die Christdemokraten verteidigen ihr Vorgehen.
Die Opposition hat in Thüringen gegen den Willen der rot-rot-grünen Regierung eine Steuersenkung durchgesetzt. Ein Gesetzentwurf der CDU für eine niedrigere Grunderwerbsteuer bekam im Landtag in Erfurt eine Mehrheit, weil neben der FDP die AfD die entscheidenden Stimmen beisteuerte.
Beschlossen wurde die Steuersenkung mit 46 zu 42 Stimmen. Die Regierungsfraktionen von Linken, Grünen und SPD stimmten dagegen - sie hatten im Vorfeld scharf kritisiert, dass die CDU die Zustimmung der AfD bewusst in Kauf nehme.
Rot-Rot-Grün warf der CDU vor, sie gebe der AfD zum ersten Mal im Thüringer Landtag die Macht, konkret Einfluss auf den Landeshaushalt nehmen zu können. Die CDU fange an, "eine kleine Regierungskoalition in der Opposition unter Einschluss der AfD tatsächlich in Gang zu setzen", sagte Linke-Fraktionschef Steffen Dittes.
Kritik auch von Bundesebene
Auch über Thüringens Grenzen hinaus kritisierten Politiker das Vorgehen der CDU. "Die heutige Abstimmung im Erfurter Landtag war kein Unfall", sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem ARD-Hauptstadtstudio. Die CDU in Thüringen habe sich sehenden Auges darauf eingelassen. "Das ist eine neue Qualität im deutschen Parlamentarismus, die es so noch nicht gegeben hat." Er fürchte, dass der Parlamentarismus nach dem heutigen Tag ein anderer sein werde, wenn das in der CDU Schule mache. "Demokraten dürfen die AfD niemals zum parlamentarischen Zünglein an der Waage machen."
Grünen-Bundesgeschäftsführerin Emily Büning sprach von einer "drastischen Verschiebung", die weit über die Landesgrenzen Thüringens hinauswirke. Merz habe dies ganz offenbar geduldet, obwohl er eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD öffentlich immer wieder ausgeschlossen habe. "Nun muss er sich die Frage gefallen lassen, ob sein Wort noch etwas gilt", sagte Büning.
CDU verteidigt Vorgehen
Thüringens CDU-Landespartei- und Fraktionschef Mario Voigt verteidigte sein Vorgehen. "Ich kann nicht gute, wichtige Entscheidungen für den Freistaat, die Entlastung für Familien und der Wirtschaft, davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen könnten", sagte er nach der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes. Für ihn sei wichtig, dass man mit Inhalten überzeuge.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte Voigt kurz vor der Abstimmung eingeladen, über Alternativen zur Familienförderung zu reden. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zu Passagen des CDU-Gesetzes wurde die Landtagssitzung zeitweise unterbrochen. Die Regierung habe seit März Zeit für Vorschläge gehabt, erwiderte Voigt. Die Opposition stimmte gegen die Rücküberweisung des Gesetzes in den Haushaltsausschuss.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion vor der Abstimmung verteidigt. "Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig", sagte Merz bei RTL/ntv. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. "Dabei bleibt es auch."
Höcke: "Guter Tag für Thüringen"
Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke zeigte sich mit dem Ergebnis der Abstimmung zufrieden. "Das ist einfach ein guter Tag für Thüringen, das ist pragmatische Politik", sagte er. Es handele sich um ein "altes AfD-Projekt", seine Fraktion habe bereits 2018 einen ähnlichen Antrag im Parlament eingebracht. Damals sei dieser abgelehnt worden.
Auch Tino Chrupalla äußerte sich dazu. "Wenn es um die Interessen der Bürger geht, ist nicht wichtig, wer mit wem abstimmt. Es ist wichtig, dass eine Mehrheit zustande kommt", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. "CDU und AfD haben in Thüringen die Brandmauer eingerissen."
Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet.
Grunderwerbssteuer soll auf fünf Prozent sinken
Die CDU will die Grunderwerbssteuer in Thüringen von 6,5 auf fünf Prozent senken. Sie verweist darauf, dass Familien beim Ersterwerb von selbst genutztem Wohneigentum die Grunderwerbssteuer bis zu einem bestimmten Höchstbetrag rückerstattet werden soll. Nach Prognosen der Regierungskoalition fehlen dem Landeshaushalt damit zwischen 48 und 60 Millionen Euro jährlich. Es sei unklar, wie dies kompensiert werden solle.
Die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag sind schwierig: Die rot-rot-grüne Koalition von Ramelow hat seit Amtsantritt 2020 keine eigene Mehrheit - ihr fehlen vier Stimmen im Parlament. Sie ist bei Entscheidungen stets auf Kompromisse angewiesen - bisher vor allem mit der CDU. Daher sei das, was heute im Landtag passiert ist, "bei weitem kein Novum", berichtete MDR-Reporter Lars Sänger. Bereits in der Vergangenheit habe die rot-rot-grüne Minderheitsregierung Vorhaben nur durchsetzen können, weil die AfD zugestimmt habe.