Regierungserklärung zur Haushaltskrise Wie raus aus dem Trümmerfeld?
Der Plan, Koalitionsvorhaben über Schattenhaushalte zu finanzieren, ist nicht aufgegangen. Der Etat für 2024 wackelt, die Koalition ist zerstrittener denn je. Und der Kanzler? Der blieb bislang unkonkret. Heute muss er sich erklären.
Es gibt diese Momente, in denen Kanzler Olaf Scholz nur noch grinst, wenn er im Bundestag besonders unter Beschuss steht. Zuletzt war das so, als er nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt den Parlamentariern vor allem der Union Rede und Antwort stehen musste. Der Kanzler sollte eingestehen, dass er als ehemaliger Finanzminister diesen Haushaltstrick zu verantworten hatte. Doch statt Reue kam nur folgender Satz: "Ich bin auch sehr stolz darauf, dass wir die Urteile auch dann beachten, wenn wir vorher anderer Meinung waren." Dann folgte ein verschmitztes Lächeln.
Sollte heißen: Er, der Jurist, der ehemalige Finanzminister, jetzt der Kanzler, sei eben lange Zeit anderer Meinung gewesen, dass das Verschieben von Coronahilfen in den Klima- und Transformationsfonds rechtlich in Ordnung war. Das war aber nicht so - so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Von Reue nichts zu merken
Dass der Kanzler nun Reue zeigt oder einen Fehler eingesteht, davon ist gerade nichts zu bemerken. Stattdessen steht Scholz vor einem haushaltspolitischen Trümmerfeld, denn alle Koalitionsvorhaben scheinen auf den ersten Blick in sich zusammenzubrechen. Nun muss er in der Regierungserklärung klarmachen, wie die Ampelkoalition die nächsten zwei Jahre überhaupt noch wirtschaften will.
Lindner und das Schuldenbremse-Versprechen
Die Positionen innerhalb der Ampelkoalition könnten derzeit nicht weiter auseinanderliegen. Da ist zum einen ein verärgerter Finanzminister Christian Lindner, der über seinen Schatten springen, nochmal die Schuldenbremse für 2023 aussetzen und die Notlage erklären musste. Das Kabinett hatte sich gestern auf einen Nachtragshaushalt 2023 geeinigt. Die Regierung hat nach dem Urteil aus Karlsruhe auch keine andere Wahl, um die geflossenen Gelder aus dem Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds für die Gas- und Strompreisbremse wieder rechtlich abzusichern.
Doch damit musste Lindner ein Versprechen an seine FDP-Stammwähler brechen, nicht mehr die Schuldenbremse auszusetzen. Schon lange wurmt ihn, dass er immer wieder als der Finanzminister der vielen Schattenhaushalte oder als Schulden-Minister bezeichnet wird. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Lindner den Haushaltstrick des Kanzlers von Anfang an mittrug - wissend, dass die vielen geplanten Projekte der selbsternannten Fortschrittskoalition anders nicht finanzierbar gewesen wären.
Gleichzeitig wurde ein Entlastungspaket nach dem anderen geschnürt, um die Folgen der Energiekrise abzufedern, die befürchteten "Wut-Winter" zu vermeiden - das war teuer und zum Start der Ampel-Regierung nicht vorhersehbar. Sparen sei darum das Gebot der Stunde, wird immer wieder mantramäßig von den Liberalen wiederholt. Ein "Schleifen der Schuldenbremse", also ein weiteres Aussetzen, ist für die FDP keine Option.
Abruptes Ende der Gas- und Strompreisbremsen
Auf der anderen Seite steht die Kanzler-Partei, die SPD, die nach wie vor nicht bei sozialen Ausgaben kürzen und auch ihre politischen Versprechen nicht brechen möchte. Die Sozialdemokraten sind verärgert, dass der Finanzminister über ein Radiointerview die Zahlungen für die Gas- und Strompreisbremsen im Jahr 2024 für beendet erklärte, obwohl man sich vor dem Urteil im Bundestag auf eine Verlängerung der Entlastungen geeinigt hatte. Ein Kommunikationsfehler? Absicht?
Die SPD stellt eine Aussetzung der Schuldenbremse auch für 2024 zur Debatte, die Lage sei nach wie vor durch die Folgen des Krieges gegen die Ukraine und auch weitere Krisen wie im Gaza-Streifen kritisch. Für Sondersituationen brauche man einen Sondertopf, darum werde es auch 2024 gehen, erklärte zuletzt der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich im Bericht aus Berlin. So mancher Liberaler schüttelt nach dem Karlsruher Urteil da nur vehement mit dem Kopf, da die Ausrufung von Notlagen sehr eng definiert wurde.
Klimaschutzprojekte stehen zur Disposition
Auch die Grünen schauen besorgt auf die kommenden Wochen und eine Lösung, wie man den Haushalt 2024 stemmen kann. Klimaschutzprojekte, die aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) gefördert werden sollten, stehen zur Disposition.
60 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren, also 15 Milliarden pro Jahr, sind im KTF nach dem Karlsruher Urteil einfach weg. Sie fehlen für Investitionen in die Industrie sowie den Klimaschutz, und darum lässt Wirtschaftsminister Robert Habeck keinen Moment aus, zu erklären, warum die so wichtig seien. Immer wieder nehmen die Grünen die klimaschädlichen Investitionen ins Visier- Kürzungen, bei denen die FDP sich nun bewegen müsste.
Wo ist der Kanzler?
Und der Kanzler? Der bleibt seit Tagen unkonkret. Verspricht vereinzelt auf öffentlichen Terminen die industrielle Modernisierung, redet von Entlastungen, wo sie denn nötig seien, versucht Ruhe in die Debatte zu bringen. Er verspricht dabei nie etwas und lässt auch keine Fragen zu, seit Tagen verfolgt er diesen Kommunikationsstil. Doch in der Regierungserklärung wird er nun zumindest einen Weg zeigen müssen, was die Ampel-Regierung sich noch leisten kann und will.
Denn sollte er dabei nicht bald konkreter werden, könnte die Unruhe in der Bevölkerung wachsen, befürchten auch Politologen. Allein die Regierungserklärung des Kanzlers wird aber nicht die Lösung sein für das haushaltspolitische Trümmerfeld. Vor den Ampel-Parteien liegen noch lange Debatten, auch in Koalitionsausschüssen, in denen sie sich über die Ausgaben und Prioritäten für 2024 einigen müssen.