Nach Urteil aus Karlsruhe Kabinett stimmt Nachtragshaushalt für 2023 zu
Auch im vierten Jahr in Folge soll die Schuldenbremse ausgesetzt werden - das hat die Ampel mit ihrem Nachtragshaushalt beschlossen. Die FDP ruft nun zum strikten Haushalten auf - doch die Grünen warnen davor, das Land "kaputtzusparen".
Das Kabinett hat den Nachtragshaushalt für 2023 beschlossen und Konsequenzen aus dem weitreichenden Urteil des Verfassungsgerichts von Mitte November gezogen. Das Gericht in Karlsruhe hatte eine Umwidmung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro aus dem Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Seitdem klafft eine große Lücke im Bundesetat.
Nun wird der Bund im vierten Jahr in Folge mehr Schulden aufnehmen als eigentlich erlaubt und muss dafür die Schuldenbremse aussetzen. Statt 45 Milliarden Euro wie ursprünglich geplant sollen es nun rund 70 Milliarden Euro Schulden sein. Dafür muss durch den Bundestag erneut eine außergewöhnliche Notlage festgestellt werden. Dies soll im Dezember passieren.
Die finale Abstimmung im Bundestag ist laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf ein regierungsinternes Dokument beruft, für den 13. Dezember geplant, die zweite Befassung im Bundesrat findet demnach am 15. Dezember statt.
Lindner begründet Schritt mit Energiekrise
Als Begründung für den Schritt verweist Finanzminister Christian Lindner in seiner Vorlage auf die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Mit den höheren Schulden sind aber keine höheren Ausgaben verbunden - vielmehr wird die Finanzierung der bereits ausgezahlten Energiepreisbremsen korrigiert, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu genügen. Gesichert werden auch zwei Milliarden Euro, die den Krankenhäusern für kommendes Jahr zur Bewältigung der Energiekrise zugesagt worden waren.
Der Nachtragshaushalt enthält zudem einige Aktualisierungen: So wird berücksichtigt, dass die Ministerien im laufenden Jahr etwas weniger ausgegeben haben als geplant. Leicht nach unten korrigiert wird auch der Posten für die Zinsen. Vorläufig gestrichen werden die Ausgaben für die geplante Aktienrente - hierfür waren eigentlich zehn Milliarden Euro vorgesehen. Die Ampelkoalition konnte sich jedoch bislang nicht auf eine gesetzliche Grundlage hierfür einigen.
Dürr: "Bund und Länder haben ein Ausgabenproblem"
Die Frage ist nun, wie geht es weiter? Die FDP im Bundestag will die Haushaltskrise durch einen strengen Sparkurs lösen. "Bund und Länder haben ein Ausgabenproblem, und an der Stelle ist Sparen angesagt", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. "Sparen ist das Gebot der Stunde." Die Schuldenbremse dürfe aus Sicht der FDP hingegen nicht angetastet werden.
Auch mit dem Ziehen der Ausnahmeregelung bei der Schuldenbremse für 2023 würden keine zusätzlichen Schulden gemacht, sagte Dürr. Es sei ein Fehler der Ampel gewesen, die bisher übliche und vom Bundesverfassungsgericht nun gekippte "Buchungspraxis" im Haushalt nicht vorher beendet zu haben.
Nouripour warnt vor "Kaputtsparen" Deutschlands
Angesichts der angespannten Haushaltslage gibt es kaum Spielraum für weitere Ausgaben. Der Grünen Co-Vorsitzende Omid Nouripour warnte dennoch vor einem "Kaputtsparen". Die Modernisierung des Landes müsse voranschreiten, Deutschland dürfe nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Zu den staatlichen Gas- und Strompreisbremsen sagte Nouripour: "Es ist richtig, dass keine Fakten geschaffen werden, bevor wir die Gesamtlösung haben miteinander - und daran wird gearbeitet." Lindner hatte das Aus der Erleichterungen zum Jahresende angekündigt. Die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, es lägen alle Dinge auf dem Tisch. Projekte aus dem Klima- und Transformationsfonds müssten weiter finanziert werden.
Union hält sich Optionen offen
Die Union kündigte an, die Begründung der Notlage sehr sorgfältig zu prüfen und dann zu entscheiden, wie sie im Parlament abstimmt. "Unabhängig davon würde ich nicht zu einer Klage raten", sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg der Nachrichtenagentur dpa. Die Union hatte die erste Klage beim Verfassungsgericht eingereicht.
Giffey drängt auf zügige Ministerpräsidentenkonferenz
Die Haushaltskrise beschäftigt auch die Länder. Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey forderte ein erneutes Treffen von Bund und Ländern. "Wir erwarten zügig Klarheit darüber, wie es jetzt weitergeht", sagte Giffey nach Beratungen der Wirtschafts- und Energieminister von Bund und Ländern. "Ich habe deutlich gemacht, dass jetzt drei Dinge notwendig sind: Vertrauen, Verlässlichkeit und Vollständigkeit." Es sei dringend und zeitnah eine Ministerpräsidentenkonferenz nötig, um das weitere Vorgehen zu verabreden. "Bund und Länder werden gemeinsam und parteiübergreifend daran arbeiten müssen, Lösungen für die jetzige schwerwiegende und herausfordernde Situation zu finden."
Die nächste reguläre Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz ist bislang erst für Juni geplant.
Linke will Abgabe auf Vermögen oberhalb von zwei Prozent
Auch die Linkspartei forderte rasches Handeln: Sie erneuerte Forderungen nach einer Vermögensabgabe, die nach eigenen Berechnungen bis zu 300 Milliarden Euro bringen soll. Belastet würden damit Privatvermögen über zwei Millionen Euro sowie Betriebsvermögen über fünf Millionen Euro, sagte Linken-Chefin Janine Wissler. Die Abgabe soll "progressiv" gestaltet werden. Das heißt, je höher das Vermögen, desto höher die Abgabe. Wie viel im Einzelnen abgeschöpft würde, sagte Wissler nicht.
Außerdem machte sich die Partei erneut für eine Abschaffung der Schuldenbremse im Grundgesetz stark, um mehr Kredite für Investitionen aufnehmen zu können, etwa in Bildung, Bahn oder Klimaschutz.
Mit Informationen von Hans-Joachim Vieweger, ARD-Hauptstadtstudio